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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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IV.
über 50. von den Bür gern angenommen/ die mit
durchgegangen/ als blinde/ und darfür hat er
das Geld eingezogen/ da sie sonsten noch zuch und
Wacht gethan/ noch einige Herrn Dienste ver-
richten. Der Plauderer welchem solches erzehlet
worden sagte/ daß dieser Obrister nicht redlich
gehandelt/ und daß der Feldherr ihn deß wegen zu
verdienter Strafe ziehen/ und den abbetrognen
Gewinn wider zu rucke solte geben machen etc.
Hierauf versetzte Sager: Lieber Herr/ ihr seid der
Obriste/ welcher den vierten Theil eurer Wort/
ohne Dienstleistung/ und würkenden Verstand
durch die Musterung gehen lasset/ und als blinde
auf eurer Rolle habt/ stehlet dardurch den Zuhö-
rern die gute Zeit ab/ die ihr ihnen nicht wieder er-
statten könnet. Der Redner verstummte über
diesen Verweiß/ und gelobte bey sich selbsten die
überflüssigen Wörter zuvermeiden.

39. Die Rede sol zierlich und doch nach Be-
schaffenheit nachsinnig seyn; Massen wir in uns-
rer Sprache so schöne und eingriffige Wörter
und Red-Arten haben/ die durch die Hertzen
schneiden/ ihre Deutung prächtig und mächtig
in den Sinn legen/ das Gemüt kräfftig bewe-
gen/ zu Zorn anfüren/ zu den Grimm erbittern/
zu den Neid vergallen/ zu dem Gewalt bewaff-
nen; und im Gegenstande zu der Barmhertzig-
keit ermilden/ zu der Vergebung erweichen/ zu der

Ver-

IV.
uͤber 50. von den Buͤr gern angenommen/ die mit
durchgegangen/ als blinde/ und darfuͤr hat er
das Geld eingezogen/ da ſie ſonſten noch zuch und
Wacht gethan/ noch einige Herꝛn Dienſte ver-
richten. Der Plauderer welchem ſolches erzehlet
worden ſagte/ daß dieſer Obriſter nicht redlich
gehandelt/ und daß der Feldherr ihn deß wegen zu
verdienter Strafe ziehen/ und den abbetrognen
Gewinn wider zu rucke ſolte geben machen ꝛc.
Hierauf verſetzte Sager: Lieber Herꝛ/ ihr ſeid der
Obriſte/ welcher den vierten Theil eurer Wort/
ohne Dienſtleiſtung/ und wuͤrkenden Verſtand
durch die Muſterung gehen laſſet/ und als blinde
auf eurer Rolle habt/ ſtehlet dardurch den Zuhoͤ-
rern die gute Zeit ab/ die ihr ihnen nicht wieder er-
ſtatten koͤnnet. Der Redner verſtummte uͤber
dieſen Verweiß/ und gelobte bey ſich ſelbſten die
uͤberfluͤſſigen Woͤrter zuvermeiden.

39. Die Rede ſol zierlich und doch nach Be-
ſchaffenheit nachſinnig ſeyn; Maſſen wir in unſ-
rer Sprache ſo ſchoͤne und eingriffige Woͤrter
und Red-Arten haben/ die durch die Hertzen
ſchneiden/ ihre Deutung praͤchtig und maͤchtig
in den Sinn legen/ das Gemuͤt kraͤfftig bewe-
gen/ zu Zorn anfuͤren/ zu den Grimm erbittern/
zu den Neid vergallen/ zu dem Gewalt bewaff-
nen; und im Gegenſtande zu der Barmhertzig-
keit ermilden/ zu der Vergebung erweichen/ zu der

Ver-
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[34/0066] IV. uͤber 50. von den Buͤr gern angenommen/ die mit durchgegangen/ als blinde/ und darfuͤr hat er das Geld eingezogen/ da ſie ſonſten noch zuch und Wacht gethan/ noch einige Herꝛn Dienſte ver- richten. Der Plauderer welchem ſolches erzehlet worden ſagte/ daß dieſer Obriſter nicht redlich gehandelt/ und daß der Feldherr ihn deß wegen zu verdienter Strafe ziehen/ und den abbetrognen Gewinn wider zu rucke ſolte geben machen ꝛc. Hierauf verſetzte Sager: Lieber Herꝛ/ ihr ſeid der Obriſte/ welcher den vierten Theil eurer Wort/ ohne Dienſtleiſtung/ und wuͤrkenden Verſtand durch die Muſterung gehen laſſet/ und als blinde auf eurer Rolle habt/ ſtehlet dardurch den Zuhoͤ- rern die gute Zeit ab/ die ihr ihnen nicht wieder er- ſtatten koͤnnet. Der Redner verſtummte uͤber dieſen Verweiß/ und gelobte bey ſich ſelbſten die uͤberfluͤſſigen Woͤrter zuvermeiden. 39. Die Rede ſol zierlich und doch nach Be- ſchaffenheit nachſinnig ſeyn; Maſſen wir in unſ- rer Sprache ſo ſchoͤne und eingriffige Woͤrter und Red-Arten haben/ die durch die Hertzen ſchneiden/ ihre Deutung praͤchtig und maͤchtig in den Sinn legen/ das Gemuͤt kraͤfftig bewe- gen/ zu Zorn anfuͤren/ zu den Grimm erbittern/ zu den Neid vergallen/ zu dem Gewalt bewaff- nen; und im Gegenſtande zu der Barmhertzig- keit ermilden/ zu der Vergebung erweichen/ zu der Ver-

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/66>, abgerufen am 25.11.2024.