Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.VI. daß der Gleichnisse zweyerley: Etliche erklären/etliche beweisen: Die jenigen welche erklären/ müssen eine unbekante Sache/ durch eine bekante vorstellig machen/ wie etwann deß Blinden Stab seine Schritte versichert. Zum Exempel: Virgilius erzehlet (l. 4. AEneid.) daß AEneas von der Didone bewogen/ etliche Threnen über seine Wangen triefen lassen/ jedoch sonder Nach- theil seines Heldenmutes. Dieses nun deutlicher zu erklären/ giebt er das Gleichniß von einem Ei- chenbaum/ welcher von den stürmenden Norden durchwehet/ etliche falbe Blätlein fallen lässet/ und doch mit seinen Stämmen wurtzelfest beste- het. Ein solches Gleichniß ist bey Catullo zulesen in dem er die verlassne/ rasende und zugleich er- staunende Arianam beschreiben will/ vergleicht er sie einer Gefertin deß Weingötzens Bacchi in Marmol gehauen/ die wegen deß Steines unbe- weglich/ und wegen der Kunst unsinnig geberdet scheinet. Jn diesen Gleichnissen ist der Eich- baum und das gemeldte Bild bekant/ die Ge- mütsneigungen der besagten Personen unbe- kant/ und werden gleichnißweiß erkläret und ausgebildet. Also sagen wir vechschwartz/ Krei- tenweiß/ Rosenrot etc. welches nichts anders als kurtze Gleichnissen sind/ und so viel sagen[:]es ist so schwartz als Pech/ so weiß als die Kreit/ so töt- lich als die Rosen etc. 55. Die
VI. daß der Gleichniſſe zweyerley: Etliche erklaͤren/etliche beweiſen: Die jenigen welche erklaͤren/ muͤſſen eine unbekante Sache/ durch eine bekante vorſtellig machen/ wie etwann deß Blinden Stab ſeine Schritte verſichert. Zum Exempel: Virgilius erzehlet (l. 4. Æneid.) daß Æneas von der Didone bewogen/ etliche Threnen uͤber ſeine Wangen triefen laſſen/ jedoch ſonder Nach- theil ſeines Heldenmutes. Dieſes nun deutlicher zu erklaͤren/ giebt er das Gleichniß von einem Ei- chenbaum/ welcher von den ſtuͤrmenden Norden durchwehet/ etliche falbe Blaͤtlein fallen laͤſſet/ und doch mit ſeinen Staͤmmen wurtzelfeſt beſte- het. Ein ſolches Gleichniß iſt bey Catullo zuleſen in dem er die verlaſſne/ raſende und zugleich er- ſtaunende Arianam beſchreiben will/ vergleicht er ſie einer Gefertin deß Weingoͤtzens Bacchi in Marmol gehauen/ die wegen deß Steines unbe- weglich/ und wegen der Kunſt unſinnig geberdet ſcheinet. Jn dieſen Gleichniſſen iſt der Eich- baum und das gemeldte Bild bekant/ die Ge- muͤtsneigungen der beſagten Perſonen unbe- kant/ und werden gleichnißweiß erklaͤret und ausgebildet. Alſo ſagen wir vechſchwartz/ Krei- tenweiß/ Roſenrot ꝛc. welches nichts anders als kurtze Gleichniſſen ſind/ und ſo viel ſagen[:]es iſt ſo ſchwartz als Pech/ ſo weiß als die Kreit/ ſo toͤt- lich als die Roſen ꝛc. 55. Die
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VI.
daß der Gleichniſſe zweyerley: Etliche erklaͤren/
etliche beweiſen: Die jenigen welche erklaͤren/
muͤſſen eine unbekante Sache/ durch eine bekante
vorſtellig machen/ wie etwann deß Blinden
Stab ſeine Schritte verſichert. Zum Exempel:
Virgilius erzehlet (l. 4. Æneid.) daß Æneas von
der Didone bewogen/ etliche Threnen uͤber ſeine
Wangen triefen laſſen/ jedoch ſonder Nach-
theil ſeines Heldenmutes. Dieſes nun deutlicher
zu erklaͤren/ giebt er das Gleichniß von einem Ei-
chenbaum/ welcher von den ſtuͤrmenden Norden
durchwehet/ etliche falbe Blaͤtlein fallen laͤſſet/
und doch mit ſeinen Staͤmmen wurtzelfeſt beſte-
het. Ein ſolches Gleichniß iſt bey Catullo zuleſen
in dem er die verlaſſne/ raſende und zugleich er-
ſtaunende Arianam beſchreiben will/ vergleicht
er ſie einer Gefertin deß Weingoͤtzens Bacchi in
Marmol gehauen/ die wegen deß Steines unbe-
weglich/ und wegen der Kunſt unſinnig geberdet
ſcheinet. Jn dieſen Gleichniſſen iſt der Eich-
baum und das gemeldte Bild bekant/ die Ge-
muͤtsneigungen der beſagten Perſonen unbe-
kant/ und werden gleichnißweiß erklaͤret und
ausgebildet. Alſo ſagen wir vechſchwartz/ Krei-
tenweiß/ Roſenrot ꝛc. welches nichts anders als
kurtze Gleichniſſen ſind/ und ſo viel ſagen:es iſt ſo
ſchwartz als Pech/ ſo weiß als die Kreit/ ſo toͤt-
lich als die Roſen ꝛc.
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