Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sein! wiederholte der Marquis, der sich ebenfalls erhob und verneigte, mit einer schwachen und zitternden Stimme, die wie ein meckerndes Echo der gesunden und kräftigen des Herrn Laurens klang. Es war, wie ich später merkte, seine Gewohnheit, kurze Sätze des Herrn Laurens zu wiederholen; längere schienen ihm zu viel Mühe zu machen, und er begleitete sie nur mit einem: Ja, ja! oder einem bestätigenden Kopfnicken. Ich will selbst Ihren Führer machen, sagte Herr Laurens, und schon auf dem Wege zum Schloß wurde er sehr beredt, wie Einer, der froh ist, nach langem einsamem Leben sich ein wenig aussprechen zu können. Woher kommen Sie? fragte er unter Anderem. Aus Genf! Aus Genf! das kenne ich auch, aber es muß sich, seit ich es gesehen, sehr verändert haben. Ich war acht Jahre alt, als ich dahin kam, nur mit meiner Vielle und meinem Murmelthier. Man hatte damals Angst, nach Paris zu gehen, denn es war die Zeit, da die Guillotine so gewaltig arbeitete. So ging ich denn nach Genf, als mein Vater starb. Aber dort war auch nicht viel zu holen; ich hungerte in Genf und wohnte in einem hohlen Baum auf dem Wege nach Sacconex. Möcht' wissen, ob er noch steht. Eines Morgens, als ich erwachte, war mein Murmelthier fort, das verbitterte mir den Aufenthalt, und ich sein! wiederholte der Marquis, der sich ebenfalls erhob und verneigte, mit einer schwachen und zitternden Stimme, die wie ein meckerndes Echo der gesunden und kräftigen des Herrn Laurens klang. Es war, wie ich später merkte, seine Gewohnheit, kurze Sätze des Herrn Laurens zu wiederholen; längere schienen ihm zu viel Mühe zu machen, und er begleitete sie nur mit einem: Ja, ja! oder einem bestätigenden Kopfnicken. Ich will selbst Ihren Führer machen, sagte Herr Laurens, und schon auf dem Wege zum Schloß wurde er sehr beredt, wie Einer, der froh ist, nach langem einsamem Leben sich ein wenig aussprechen zu können. Woher kommen Sie? fragte er unter Anderem. Aus Genf! Aus Genf! das kenne ich auch, aber es muß sich, seit ich es gesehen, sehr verändert haben. Ich war acht Jahre alt, als ich dahin kam, nur mit meiner Vielle und meinem Murmelthier. Man hatte damals Angst, nach Paris zu gehen, denn es war die Zeit, da die Guillotine so gewaltig arbeitete. So ging ich denn nach Genf, als mein Vater starb. Aber dort war auch nicht viel zu holen; ich hungerte in Genf und wohnte in einem hohlen Baum auf dem Wege nach Sacconex. Möcht' wissen, ob er noch steht. Eines Morgens, als ich erwachte, war mein Murmelthier fort, das verbitterte mir den Aufenthalt, und ich <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0015"/> sein! wiederholte der Marquis, der sich ebenfalls erhob und verneigte, mit einer schwachen und zitternden Stimme, die wie ein meckerndes Echo der gesunden und kräftigen des Herrn Laurens klang. Es war, wie ich später merkte, seine Gewohnheit, kurze Sätze des Herrn Laurens zu wiederholen; längere schienen ihm zu viel Mühe zu machen, und er begleitete sie nur mit einem: Ja, ja! oder einem bestätigenden Kopfnicken.</p><lb/> <p>Ich will selbst Ihren Führer machen, sagte Herr Laurens, und schon auf dem Wege zum Schloß wurde er sehr beredt, wie Einer, der froh ist, nach langem einsamem Leben sich ein wenig aussprechen zu können.</p><lb/> <p>Woher kommen Sie? fragte er unter Anderem.</p><lb/> <p>Aus Genf!</p><lb/> <p>Aus Genf! das kenne ich auch, aber es muß sich, seit ich es gesehen, sehr verändert haben. Ich war acht Jahre alt, als ich dahin kam, nur mit meiner Vielle und meinem Murmelthier. Man hatte damals Angst, nach Paris zu gehen, denn es war die Zeit, da die Guillotine so gewaltig arbeitete. So ging ich denn nach Genf, als mein Vater starb. Aber dort war auch nicht viel zu holen; ich hungerte in Genf und wohnte in einem hohlen Baum auf dem Wege nach Sacconex. Möcht' wissen, ob er noch steht. Eines Morgens, als ich erwachte, war mein Murmelthier fort, das verbitterte mir den Aufenthalt, und ich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
sein! wiederholte der Marquis, der sich ebenfalls erhob und verneigte, mit einer schwachen und zitternden Stimme, die wie ein meckerndes Echo der gesunden und kräftigen des Herrn Laurens klang. Es war, wie ich später merkte, seine Gewohnheit, kurze Sätze des Herrn Laurens zu wiederholen; längere schienen ihm zu viel Mühe zu machen, und er begleitete sie nur mit einem: Ja, ja! oder einem bestätigenden Kopfnicken.
Ich will selbst Ihren Führer machen, sagte Herr Laurens, und schon auf dem Wege zum Schloß wurde er sehr beredt, wie Einer, der froh ist, nach langem einsamem Leben sich ein wenig aussprechen zu können.
Woher kommen Sie? fragte er unter Anderem.
Aus Genf!
Aus Genf! das kenne ich auch, aber es muß sich, seit ich es gesehen, sehr verändert haben. Ich war acht Jahre alt, als ich dahin kam, nur mit meiner Vielle und meinem Murmelthier. Man hatte damals Angst, nach Paris zu gehen, denn es war die Zeit, da die Guillotine so gewaltig arbeitete. So ging ich denn nach Genf, als mein Vater starb. Aber dort war auch nicht viel zu holen; ich hungerte in Genf und wohnte in einem hohlen Baum auf dem Wege nach Sacconex. Möcht' wissen, ob er noch steht. Eines Morgens, als ich erwachte, war mein Murmelthier fort, das verbitterte mir den Aufenthalt, und ich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T10:58:35Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T10:58:35Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |