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Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868.

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Die Reformation aber stürzte den stolzen Bau der
Hierarchie und baute einen festen Wall gegen die Macht des
zuletzt alle weltliche wie alle kirchliche Hoheit überragenden
päpstlichen Thrones. Der Kampf ward vollbracht durch die
unsichtbare Gewalt der Jdeen und der Wahrheit, unter der
Begünstigung einiger von der Vorsehung vorbereiteten Umstände
und durch die geniale Kraft einiger weniger, jener Jdeen und
Umstände sich bemeisternden Menschen.

Die Reformation ward zur Retterin der politischen und
bürgerlichen nicht minder als der kirchlichen Freiheit.

Ohne Reformation hätte die Wissenschaft niemals mehr die
Früchte höherer Erkenntniß gebrochen; die Freiheit der Wissen-
schaft siegte trotz Büchercensur, trotz Jnquisition!

Der einmal in einer Richtung bewegte und freiheitliche
Geist erfüllte bald alle Bahnen mit gleich regsamer und freier
Thätigkeit.

Der Reformation ist es gelungen, die Wissenschaft zum
Gemeingut des Volkes zu machen; die Wissenschaft, bisher
nur in den Zungen verstorbener Völker redend, und darum
nur einer Klasse von Eingeweihten zugänglich, öffnete jetzt
ihren Tempel für jeden Freund, sie ward Sache der Nation.

Mit der Freiheit und mit dem Gedeihen der Wissenschaft
in engerer Verbindung steht der Flor der Staaten, das bür-
gerliche Wohlsein
, die Nationalkraft und die mo-
ralische Würde
.

Es liegt in der Natur sich so gestaltender Verhältnisse, daß
mit dem Erwachen alles gesellschaftlichen und politischen Lebens,
mit dem Aufblühen von Handel, Verkehr, von Wissenschaft ein
unendlich regeres Leben sich entfaltete. Mit dem wachsenden

Die Reformation aber ſtürzte den ſtolzen Bau der
Hierarchie und baute einen feſten Wall gegen die Macht des
zuletzt alle weltliche wie alle kirchliche Hoheit überragenden
päpſtlichen Thrones. Der Kampf ward vollbracht durch die
unſichtbare Gewalt der Jdeen und der Wahrheit, unter der
Begünſtigung einiger von der Vorſehung vorbereiteten Umſtände
und durch die geniale Kraft einiger weniger, jener Jdeen und
Umſtände ſich bemeiſternden Menſchen.

Die Reformation ward zur Retterin der politiſchen und
bürgerlichen nicht minder als der kirchlichen Freiheit.

Ohne Reformation hätte die Wiſſenſchaft niemals mehr die
Früchte höherer Erkenntniß gebrochen; die Freiheit der Wiſſen-
ſchaft ſiegte trotz Büchercenſur, trotz Jnquiſition!

Der einmal in einer Richtung bewegte und freiheitliche
Geiſt erfüllte bald alle Bahnen mit gleich regſamer und freier
Thätigkeit.

Der Reformation iſt es gelungen, die Wiſſenſchaft zum
Gemeingut des Volkes zu machen; die Wiſſenſchaft, bisher
nur in den Zungen verſtorbener Völker redend, und darum
nur einer Klaſſe von Eingeweihten zugänglich, öffnete jetzt
ihren Tempel für jeden Freund, ſie ward Sache der Nation.

Mit der Freiheit und mit dem Gedeihen der Wiſſenſchaft
in engerer Verbindung ſteht der Flor der Staaten, das bür-
gerliche Wohlſein
, die Nationalkraft und die mo-
raliſche Würde
.

Es liegt in der Natur ſich ſo geſtaltender Verhältniſſe, daß
mit dem Erwachen alles geſellſchaftlichen und politiſchen Lebens,
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[220/0233] Die Reformation aber ſtürzte den ſtolzen Bau der Hierarchie und baute einen feſten Wall gegen die Macht des zuletzt alle weltliche wie alle kirchliche Hoheit überragenden päpſtlichen Thrones. Der Kampf ward vollbracht durch die unſichtbare Gewalt der Jdeen und der Wahrheit, unter der Begünſtigung einiger von der Vorſehung vorbereiteten Umſtände und durch die geniale Kraft einiger weniger, jener Jdeen und Umſtände ſich bemeiſternden Menſchen. Die Reformation ward zur Retterin der politiſchen und bürgerlichen nicht minder als der kirchlichen Freiheit. Ohne Reformation hätte die Wiſſenſchaft niemals mehr die Früchte höherer Erkenntniß gebrochen; die Freiheit der Wiſſen- ſchaft ſiegte trotz Büchercenſur, trotz Jnquiſition! Der einmal in einer Richtung bewegte und freiheitliche Geiſt erfüllte bald alle Bahnen mit gleich regſamer und freier Thätigkeit. Der Reformation iſt es gelungen, die Wiſſenſchaft zum Gemeingut des Volkes zu machen; die Wiſſenſchaft, bisher nur in den Zungen verſtorbener Völker redend, und darum nur einer Klaſſe von Eingeweihten zugänglich, öffnete jetzt ihren Tempel für jeden Freund, ſie ward Sache der Nation. Mit der Freiheit und mit dem Gedeihen der Wiſſenſchaft in engerer Verbindung ſteht der Flor der Staaten, das bür- gerliche Wohlſein, die Nationalkraft und die mo- raliſche Würde. Es liegt in der Natur ſich ſo geſtaltender Verhältniſſe, daß mit dem Erwachen alles geſellſchaftlichen und politiſchen Lebens, mit dem Aufblühen von Handel, Verkehr, von Wiſſenſchaft ein unendlich regeres Leben ſich entfaltete. Mit dem wachſenden

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Zitationshilfe: Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868/233>, abgerufen am 24.11.2024.