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Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868.

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Es ist daher sehr erklärlich, daß bei jedem Reichstag die
Postangelegenheiten von Neuem Gegenstand der Erörterung
waren.

So kam denn auch vor der Wahl Joseph I., welcher 1690
zum römischen König gewählt und 1705 nach dem Tode Kaiser
Leopolds I. den deutschen Thron bestieg, das Reichspostwesen
zur Sprache.

Zu der Abfassung der kaiserlichen Wahlcapitulation wurde
dem churfürstlichen Collegium ein Bedenken von den Reichs-
fürsten dahin vorgelegt: Der Artikel, wie solcher über das

Postanstalt nicht allein zu beaufsichtigen, sondern auch durch das Gesetz
näher und so weit zu bestimmen, als es durch die Erreichung
wesentlicher Staatszwecke
nothwendig bedingt wird. Sie ist
ein Bestandtheil des Staatspolizeirechts, ergibt sich aus der logischen
Entwicklung des Begriffs der Souveränetät von selbst und gehört dem-
nach zu den wesentlichen Staatshoheitsrechten (jura majest. essentialia).
Der Begriff des Postregals dagegen umfaßt die Befugniß zum
Betriebe der Postanstalt
. Daß der Staat diese Befugniß aus-
schließlich in Anspruch nimmt, folgt nicht aus dem Wesen der Staats-
gewalt, sondern aus zufälligen Umständen (hauptsächlich aus der Nutz-
barkeit und aus der Rücksicht für die Sicherheit der Staatscorrespondenz).
Das Postregal gehört demnach wie alle nach der gegenwärtigen staats-
wissenschaftlichen Terminologie mit dem Namen Regalien bezeichneten
Regierungsrechte zu den zufälligen (außerwesentlichen) Staatshoheits-
rechten (jura majest. accidentalia). Die Befugniß zur Ausübung des
Postregals, i. e. zum Postbetriebe, kann daher auch durch Staatsvertrag
oder landesherrliche Verleihung an eine andere physische oder moralische
Person übertragen werden, während die Posthoheit unter allen
Umständen der Staatsgewalt unveräußerlich verbleibt und sich praktisch
in der Regel durch den Erlaß der Postgesetze, durch die Ratification
der Postverträge, durch Bestrafung der Zuwiderhandelnden gegen die
Postgesetze, Ernennung und Bestätigung der Beamten und durch Führ-
ung der Oberaufsicht, mithin gesetzgebend, richtend und voll-
ziehend
äußert."

Es iſt daher ſehr erklärlich, daß bei jedem Reichstag die
Poſtangelegenheiten von Neuem Gegenſtand der Erörterung
waren.

So kam denn auch vor der Wahl Joſeph I., welcher 1690
zum römiſchen König gewählt und 1705 nach dem Tode Kaiſer
Leopolds I. den deutſchen Thron beſtieg, das Reichspoſtweſen
zur Sprache.

Zu der Abfaſſung der kaiſerlichen Wahlcapitulation wurde
dem churfürſtlichen Collegium ein Bedenken von den Reichs-
fürſten dahin vorgelegt: Der Artikel, wie ſolcher über das

Poſtanſtalt nicht allein zu beaufſichtigen, ſondern auch durch das Geſetz
näher und ſo weit zu beſtimmen, als es durch die Erreichung
weſentlicher Staatszwecke
nothwendig bedingt wird. Sie iſt
ein Beſtandtheil des Staatspolizeirechts, ergibt ſich aus der logiſchen
Entwicklung des Begriffs der Souveränetät von ſelbſt und gehört dem-
nach zu den weſentlichen Staatshoheitsrechten (jura majest. essentialia).
Der Begriff des Poſtregals dagegen umfaßt die Befugniß zum
Betriebe der Poſtanſtalt
. Daß der Staat dieſe Befugniß aus-
ſchließlich in Anſpruch nimmt, folgt nicht aus dem Weſen der Staats-
gewalt, ſondern aus zufälligen Umſtänden (hauptſächlich aus der Nutz-
barkeit und aus der Rückſicht für die Sicherheit der Staatscorreſpondenz).
Das Poſtregal gehört demnach wie alle nach der gegenwärtigen ſtaats-
wiſſenſchaftlichen Terminologie mit dem Namen Regalien bezeichneten
Regierungsrechte zu den zufälligen (außerweſentlichen) Staatshoheits-
rechten (jura majest. accidentalia). Die Befugniß zur Ausübung des
Poſtregals, i. e. zum Poſtbetriebe, kann daher auch durch Staatsvertrag
oder landesherrliche Verleihung an eine andere phyſiſche oder moraliſche
Perſon übertragen werden, während die Poſthoheit unter allen
Umſtänden der Staatsgewalt unveräußerlich verbleibt und ſich praktiſch
in der Regel durch den Erlaß der Poſtgeſetze, durch die Ratification
der Poſtverträge, durch Beſtrafung der Zuwiderhandelnden gegen die
Poſtgeſetze, Ernennung und Beſtätigung der Beamten und durch Führ-
ung der Oberaufſicht, mithin geſetzgebend, richtend und voll-
ziehend
äußert.“
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[341/0354] Es iſt daher ſehr erklärlich, daß bei jedem Reichstag die Poſtangelegenheiten von Neuem Gegenſtand der Erörterung waren. So kam denn auch vor der Wahl Joſeph I., welcher 1690 zum römiſchen König gewählt und 1705 nach dem Tode Kaiſer Leopolds I. den deutſchen Thron beſtieg, das Reichspoſtweſen zur Sprache. Zu der Abfaſſung der kaiſerlichen Wahlcapitulation wurde dem churfürſtlichen Collegium ein Bedenken von den Reichs- fürſten dahin vorgelegt: Der Artikel, wie ſolcher über das 1) 1) Poſtanſtalt nicht allein zu beaufſichtigen, ſondern auch durch das Geſetz näher und ſo weit zu beſtimmen, als es durch die Erreichung weſentlicher Staatszwecke nothwendig bedingt wird. Sie iſt ein Beſtandtheil des Staatspolizeirechts, ergibt ſich aus der logiſchen Entwicklung des Begriffs der Souveränetät von ſelbſt und gehört dem- nach zu den weſentlichen Staatshoheitsrechten (jura majest. essentialia). Der Begriff des Poſtregals dagegen umfaßt die Befugniß zum Betriebe der Poſtanſtalt. Daß der Staat dieſe Befugniß aus- ſchließlich in Anſpruch nimmt, folgt nicht aus dem Weſen der Staats- gewalt, ſondern aus zufälligen Umſtänden (hauptſächlich aus der Nutz- barkeit und aus der Rückſicht für die Sicherheit der Staatscorreſpondenz). Das Poſtregal gehört demnach wie alle nach der gegenwärtigen ſtaats- wiſſenſchaftlichen Terminologie mit dem Namen Regalien bezeichneten Regierungsrechte zu den zufälligen (außerweſentlichen) Staatshoheits- rechten (jura majest. accidentalia). Die Befugniß zur Ausübung des Poſtregals, i. e. zum Poſtbetriebe, kann daher auch durch Staatsvertrag oder landesherrliche Verleihung an eine andere phyſiſche oder moraliſche Perſon übertragen werden, während die Poſthoheit unter allen Umſtänden der Staatsgewalt unveräußerlich verbleibt und ſich praktiſch in der Regel durch den Erlaß der Poſtgeſetze, durch die Ratification der Poſtverträge, durch Beſtrafung der Zuwiderhandelnden gegen die Poſtgeſetze, Ernennung und Beſtätigung der Beamten und durch Führ- ung der Oberaufſicht, mithin geſetzgebend, richtend und voll- ziehend äußert.“

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Zitationshilfe: Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868/354>, abgerufen am 22.11.2024.