Complex man den scrophulösen oder lymphatischen Habitus nennt. Dieser zeigt sich unter zwei verschie- denen Formen, der irritablen und der torpiden, je nach dem Vorherrschen des sanguinischen oder phlegmati- schen Temperaments, wobei aber zu bemerken, daß diese beiden Extreme meistens durch unmerkliche Schattirungen in einander übergehen. Kinder mit irritablem Scrophelhabitus zeichnen sich aus durch eine äußerst feine sammetähnliche Haut. Beim Anfassen findet man dieselbe dünn und nachgiebig, während die Haut gesunder Kinder dick, fest und stark ist. Unter dieser feingebildeten Haut sieht man die Ge- fäße durchscheinen, und daher haben auch solche Kin- der gewöhnlich jene rothen Wangen, die ihnen den täuschenden Anschein einer blühenden Gesundheit ge- ben. Nicht selten bemerkt man frühzeitig große Gei- stesanlagen und oft schon im dritten Jahre auffallende Spuren von Scharfsinn und Witz. Die Knochen sind fein, die Muskeln schwach, die Finger lang und dünn, an den Extremitäten keulenförmig angeschwol- len. Je mehr das Kind sich zum phlegmatischen hin- neigt, desto mehr treten folgende Charactere hervor. Oberlippe dick und aufgeworfen, welches immer ein Zeichen der Schwäche ist; dicke angeschwollene, ver- schleimte Nase; dicke, sogenannte Krötenbäuche; mehr dünne Extremitäten; die Kinder sind langsam in ihren Bewegungen; ihre Geisteskräfte bleiben in
Complex man den ſcrophuloͤſen oder lymphatiſchen Habitus nennt. Dieſer zeigt ſich unter zwei verſchie- denen Formen, der irritablen und der torpiden, je nach dem Vorherrſchen des ſanguiniſchen oder phlegmati- ſchen Temperaments, wobei aber zu bemerken, daß dieſe beiden Extreme meiſtens durch unmerkliche Schattirungen in einander uͤbergehen. Kinder mit irritablem Scrophelhabitus zeichnen ſich aus durch eine aͤußerſt feine ſammetaͤhnliche Haut. Beim Anfaſſen findet man dieſelbe duͤnn und nachgiebig, waͤhrend die Haut geſunder Kinder dick, feſt und ſtark iſt. Unter dieſer feingebildeten Haut ſieht man die Ge- faͤße durchſcheinen, und daher haben auch ſolche Kin- der gewoͤhnlich jene rothen Wangen, die ihnen den täuſchenden Anſchein einer bluͤhenden Geſundheit ge- ben. Nicht ſelten bemerkt man fruͤhzeitig große Gei- ſtesanlagen und oft ſchon im dritten Jahre auffallende Spuren von Scharfſinn und Witz. Die Knochen ſind fein, die Muskeln ſchwach, die Finger lang und dünn, an den Extremitaͤten keulenfoͤrmig angeſchwol- len. Je mehr das Kind ſich zum phlegmatiſchen hin- neigt, deſto mehr treten folgende Charactere hervor. Oberlippe dick und aufgeworfen, welches immer ein Zeichen der Schwaͤche iſt; dicke angeſchwollene, ver- ſchleimte Naſe; dicke, ſogenannte Kroͤtenbaͤuche; mehr duͤnne Extremitaͤten; die Kinder ſind langſam in ihren Bewegungen; ihre Geiſteskraͤfte bleiben in
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0182"n="172"/>
Complex man den ſcrophuloͤſen oder lymphatiſchen<lb/>
Habitus nennt. Dieſer zeigt ſich unter zwei verſchie-<lb/>
denen Formen, der irritablen und der torpiden, je nach<lb/>
dem Vorherrſchen des ſanguiniſchen oder phlegmati-<lb/>ſchen Temperaments, wobei aber zu bemerken, daß<lb/>
dieſe beiden Extreme meiſtens durch unmerkliche<lb/>
Schattirungen in einander uͤbergehen. Kinder mit<lb/>
irritablem Scrophelhabitus zeichnen ſich aus durch eine<lb/>
aͤußerſt feine ſammetaͤhnliche Haut. Beim Anfaſſen<lb/>
findet man dieſelbe duͤnn und nachgiebig, waͤhrend<lb/>
die Haut geſunder Kinder dick, feſt und ſtark iſt.<lb/>
Unter dieſer feingebildeten Haut ſieht man die Ge-<lb/>
faͤße durchſcheinen, und daher haben auch ſolche Kin-<lb/>
der gewoͤhnlich jene rothen Wangen, die ihnen den<lb/>
täuſchenden Anſchein einer bluͤhenden Geſundheit ge-<lb/>
ben. Nicht ſelten bemerkt man fruͤhzeitig große Gei-<lb/>ſtesanlagen und oft ſchon im dritten Jahre auffallende<lb/>
Spuren von Scharfſinn und Witz. Die Knochen<lb/>ſind fein, die Muskeln ſchwach, die Finger lang und<lb/>
dünn, an den Extremitaͤten keulenfoͤrmig angeſchwol-<lb/>
len. Je mehr das Kind ſich zum phlegmatiſchen hin-<lb/>
neigt, deſto mehr treten folgende Charactere hervor.<lb/>
Oberlippe dick und aufgeworfen, welches immer ein<lb/>
Zeichen der Schwaͤche iſt; dicke angeſchwollene, ver-<lb/>ſchleimte Naſe; dicke, ſogenannte Kroͤtenbaͤuche;<lb/>
mehr duͤnne Extremitaͤten; die Kinder ſind langſam<lb/>
in ihren Bewegungen; ihre Geiſteskraͤfte bleiben in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[172/0182]
Complex man den ſcrophuloͤſen oder lymphatiſchen
Habitus nennt. Dieſer zeigt ſich unter zwei verſchie-
denen Formen, der irritablen und der torpiden, je nach
dem Vorherrſchen des ſanguiniſchen oder phlegmati-
ſchen Temperaments, wobei aber zu bemerken, daß
dieſe beiden Extreme meiſtens durch unmerkliche
Schattirungen in einander uͤbergehen. Kinder mit
irritablem Scrophelhabitus zeichnen ſich aus durch eine
aͤußerſt feine ſammetaͤhnliche Haut. Beim Anfaſſen
findet man dieſelbe duͤnn und nachgiebig, waͤhrend
die Haut geſunder Kinder dick, feſt und ſtark iſt.
Unter dieſer feingebildeten Haut ſieht man die Ge-
faͤße durchſcheinen, und daher haben auch ſolche Kin-
der gewoͤhnlich jene rothen Wangen, die ihnen den
täuſchenden Anſchein einer bluͤhenden Geſundheit ge-
ben. Nicht ſelten bemerkt man fruͤhzeitig große Gei-
ſtesanlagen und oft ſchon im dritten Jahre auffallende
Spuren von Scharfſinn und Witz. Die Knochen
ſind fein, die Muskeln ſchwach, die Finger lang und
dünn, an den Extremitaͤten keulenfoͤrmig angeſchwol-
len. Je mehr das Kind ſich zum phlegmatiſchen hin-
neigt, deſto mehr treten folgende Charactere hervor.
Oberlippe dick und aufgeworfen, welches immer ein
Zeichen der Schwaͤche iſt; dicke angeſchwollene, ver-
ſchleimte Naſe; dicke, ſogenannte Kroͤtenbaͤuche;
mehr duͤnne Extremitaͤten; die Kinder ſind langſam
in ihren Bewegungen; ihre Geiſteskraͤfte bleiben in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/182>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.