Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

werden. Doch jetzt führe mich zur Rose. -- Wir gingen weiter, wir traten ein in das Gewölbe, in das Rosengärtlein von Bremen. Da lag sie, die alte Rose, groß, ungeheuer, mit einer Art von gebietender Hoheit -- Welch ungeheures Faß! und jeder Römer ein Stück Goldes werth! Anno 1615! Wo sind die Hände, die dich pflanzten! wo die Augen, die sich an deiner Blüthe erfreuten? wo die fröhlichen Menschen alle, die dir zujauchzten, edle Traube, als man dich abschnitt auf den Höhen des Rheingaus, als man deine Hüllen abstreifte und du als goldener Born in die Kufe strömtest? Sie sind dahin, wie die Wellen des Stromes, der an deinem Nebenhügel hinabzog. Wo sind sie, jene alten Herren der Hansa, jene würdigen Senatoren dieser alten Stadt, die dich pflückten, duftende Rose, dich verpflanzten in diese kühlen Räume zum Labsal ihrer Enkel? Gehet hinaus auf Angarii Friedhof, gehet hinauf zur Kirche Unserer lieben Frauen und gießet Wein auf ihre Grabsteine! Sie sind hinunter und zwei Jahrhunderte mit ihnen!

Nun, auf euer Wohlsein, alte Herren von Anno 1615! und auf das Wohl eurer würdigen Enkel, die so gastfreundlich dem Fremdling die Hand und dieses Labsal boten!

So! Und jetzt gute Nacht, Frau Rose! setzte der alte Diener freundlicher hinzu, indem er sein Körbchen zusammenräumte; jetzt gute Nacht und Gott befohlen;

werden. Doch jetzt führe mich zur Rose. — Wir gingen weiter, wir traten ein in das Gewölbe, in das Rosengärtlein von Bremen. Da lag sie, die alte Rose, groß, ungeheuer, mit einer Art von gebietender Hoheit — Welch ungeheures Faß! und jeder Römer ein Stück Goldes werth! Anno 1615! Wo sind die Hände, die dich pflanzten! wo die Augen, die sich an deiner Blüthe erfreuten? wo die fröhlichen Menschen alle, die dir zujauchzten, edle Traube, als man dich abschnitt auf den Höhen des Rheingaus, als man deine Hüllen abstreifte und du als goldener Born in die Kufe strömtest? Sie sind dahin, wie die Wellen des Stromes, der an deinem Nebenhügel hinabzog. Wo sind sie, jene alten Herren der Hansa, jene würdigen Senatoren dieser alten Stadt, die dich pflückten, duftende Rose, dich verpflanzten in diese kühlen Räume zum Labsal ihrer Enkel? Gehet hinaus auf Angarii Friedhof, gehet hinauf zur Kirche Unserer lieben Frauen und gießet Wein auf ihre Grabsteine! Sie sind hinunter und zwei Jahrhunderte mit ihnen!

Nun, auf euer Wohlsein, alte Herren von Anno 1615! und auf das Wohl eurer würdigen Enkel, die so gastfreundlich dem Fremdling die Hand und dieses Labsal boten!

So! Und jetzt gute Nacht, Frau Rose! setzte der alte Diener freundlicher hinzu, indem er sein Körbchen zusammenräumte; jetzt gute Nacht und Gott befohlen;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0020"/>
werden. Doch jetzt führe mich zur Rose. &#x2014; Wir gingen                weiter, wir traten ein in das Gewölbe, in das Rosengärtlein von Bremen. Da lag sie,                die alte Rose, groß, ungeheuer, mit einer Art von gebietender Hoheit &#x2014; Welch                ungeheures Faß! und jeder Römer ein Stück Goldes werth! Anno 1615! Wo sind die Hände,                die dich pflanzten! wo die Augen, die sich an deiner Blüthe erfreuten? wo die                fröhlichen Menschen alle, die dir zujauchzten, edle Traube, als man dich abschnitt                auf den Höhen des Rheingaus, als man deine Hüllen abstreifte und du als goldener Born                in die Kufe strömtest? Sie sind dahin, wie die Wellen des Stromes, der an deinem                Nebenhügel hinabzog. Wo sind sie, jene alten Herren der Hansa, jene würdigen                Senatoren dieser alten Stadt, die dich pflückten, duftende Rose, dich verpflanzten in                diese kühlen Räume zum Labsal ihrer Enkel? Gehet hinaus auf Angarii Friedhof, gehet                hinauf zur Kirche Unserer lieben Frauen und gießet Wein auf ihre Grabsteine! Sie sind                hinunter und zwei Jahrhunderte mit ihnen!</p><lb/>
        <p>Nun, auf euer Wohlsein, alte Herren von Anno 1615! und auf das Wohl eurer würdigen                Enkel, die so gastfreundlich dem Fremdling die Hand und dieses Labsal boten!</p><lb/>
        <p>So! Und jetzt gute Nacht, Frau Rose! setzte der alte Diener freundlicher hinzu, indem                er sein Körbchen zusammenräumte; jetzt gute Nacht und Gott befohlen;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0020] werden. Doch jetzt führe mich zur Rose. — Wir gingen weiter, wir traten ein in das Gewölbe, in das Rosengärtlein von Bremen. Da lag sie, die alte Rose, groß, ungeheuer, mit einer Art von gebietender Hoheit — Welch ungeheures Faß! und jeder Römer ein Stück Goldes werth! Anno 1615! Wo sind die Hände, die dich pflanzten! wo die Augen, die sich an deiner Blüthe erfreuten? wo die fröhlichen Menschen alle, die dir zujauchzten, edle Traube, als man dich abschnitt auf den Höhen des Rheingaus, als man deine Hüllen abstreifte und du als goldener Born in die Kufe strömtest? Sie sind dahin, wie die Wellen des Stromes, der an deinem Nebenhügel hinabzog. Wo sind sie, jene alten Herren der Hansa, jene würdigen Senatoren dieser alten Stadt, die dich pflückten, duftende Rose, dich verpflanzten in diese kühlen Räume zum Labsal ihrer Enkel? Gehet hinaus auf Angarii Friedhof, gehet hinauf zur Kirche Unserer lieben Frauen und gießet Wein auf ihre Grabsteine! Sie sind hinunter und zwei Jahrhunderte mit ihnen! Nun, auf euer Wohlsein, alte Herren von Anno 1615! und auf das Wohl eurer würdigen Enkel, die so gastfreundlich dem Fremdling die Hand und dieses Labsal boten! So! Und jetzt gute Nacht, Frau Rose! setzte der alte Diener freundlicher hinzu, indem er sein Körbchen zusammenräumte; jetzt gute Nacht und Gott befohlen;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/20
Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/20>, abgerufen am 23.11.2024.