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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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So oft der Senator Walther ein Paßglas getrunken, fuhr er mit der Hand unter den Hut, und dem Reitknecht kam es vor, als sähe er ein bläuliches Wölkchen, ganz fein wie Nebel, aus seinem rabenschwarzen Haar hervorsteigen. Er trank wacker drauf los, bis der Hauptmann Gutekunst selig einschlief und sein Haupt ganz weich auf des Bürgermeisters Bauch legte.

Da sprach der Senator Walther mit sonderbarem Lächeln zu dem Schreiber des Gesandten: Lieber Geselle, du führst einen mächtigen Zug, ich vermeine aber, daß du mit dem Roßstriegel besser fortkommst als mit der Feder. Da erschrak der Schreiber und sprach: Wie meinet Ihr dies, Herr? Ich will nicht hoffen, daß Ihr mir Hohn sprechen wollt; bedenket, daß ich Seiner Majestät Gesandtschaftsschreiber bin.

Hoho! rief der Andere mit schrecklichem Lachen, seit wann haben denn ordentliche Gesandtschaftsschreiber solche Kittel an und führen solche Federn bei der Sitzung? Da sah der Reitknecht auf sein Kleid und bemerkte mit großem Schrecken, daß er seinen gewöhnlichen Stallkittel anhabe, er sah auf seine Hand, und siehe da, statt der Feder hielt er eine ganz gemeine Kratzbürste. Da entsetzte er sich und sah sich verrathen und wußte nicht, wie ihm geschah. Herr Walther aber lächelte seltsam und höhnisch und trank ihm einen Humpen von anderthalb Maß zu auf einen Zug, fuhr dann mit der Hand hinter die Ohren, und der Reitknecht sah ganz deutlich, wie ein feiner Nebel aus sei-

So oft der Senator Walther ein Paßglas getrunken, fuhr er mit der Hand unter den Hut, und dem Reitknecht kam es vor, als sähe er ein bläuliches Wölkchen, ganz fein wie Nebel, aus seinem rabenschwarzen Haar hervorsteigen. Er trank wacker drauf los, bis der Hauptmann Gutekunst selig einschlief und sein Haupt ganz weich auf des Bürgermeisters Bauch legte.

Da sprach der Senator Walther mit sonderbarem Lächeln zu dem Schreiber des Gesandten: Lieber Geselle, du führst einen mächtigen Zug, ich vermeine aber, daß du mit dem Roßstriegel besser fortkommst als mit der Feder. Da erschrak der Schreiber und sprach: Wie meinet Ihr dies, Herr? Ich will nicht hoffen, daß Ihr mir Hohn sprechen wollt; bedenket, daß ich Seiner Majestät Gesandtschaftsschreiber bin.

Hoho! rief der Andere mit schrecklichem Lachen, seit wann haben denn ordentliche Gesandtschaftsschreiber solche Kittel an und führen solche Federn bei der Sitzung? Da sah der Reitknecht auf sein Kleid und bemerkte mit großem Schrecken, daß er seinen gewöhnlichen Stallkittel anhabe, er sah auf seine Hand, und siehe da, statt der Feder hielt er eine ganz gemeine Kratzbürste. Da entsetzte er sich und sah sich verrathen und wußte nicht, wie ihm geschah. Herr Walther aber lächelte seltsam und höhnisch und trank ihm einen Humpen von anderthalb Maß zu auf einen Zug, fuhr dann mit der Hand hinter die Ohren, und der Reitknecht sah ganz deutlich, wie ein feiner Nebel aus sei-

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[0054] So oft der Senator Walther ein Paßglas getrunken, fuhr er mit der Hand unter den Hut, und dem Reitknecht kam es vor, als sähe er ein bläuliches Wölkchen, ganz fein wie Nebel, aus seinem rabenschwarzen Haar hervorsteigen. Er trank wacker drauf los, bis der Hauptmann Gutekunst selig einschlief und sein Haupt ganz weich auf des Bürgermeisters Bauch legte. Da sprach der Senator Walther mit sonderbarem Lächeln zu dem Schreiber des Gesandten: Lieber Geselle, du führst einen mächtigen Zug, ich vermeine aber, daß du mit dem Roßstriegel besser fortkommst als mit der Feder. Da erschrak der Schreiber und sprach: Wie meinet Ihr dies, Herr? Ich will nicht hoffen, daß Ihr mir Hohn sprechen wollt; bedenket, daß ich Seiner Majestät Gesandtschaftsschreiber bin. Hoho! rief der Andere mit schrecklichem Lachen, seit wann haben denn ordentliche Gesandtschaftsschreiber solche Kittel an und führen solche Federn bei der Sitzung? Da sah der Reitknecht auf sein Kleid und bemerkte mit großem Schrecken, daß er seinen gewöhnlichen Stallkittel anhabe, er sah auf seine Hand, und siehe da, statt der Feder hielt er eine ganz gemeine Kratzbürste. Da entsetzte er sich und sah sich verrathen und wußte nicht, wie ihm geschah. Herr Walther aber lächelte seltsam und höhnisch und trank ihm einen Humpen von anderthalb Maß zu auf einen Zug, fuhr dann mit der Hand hinter die Ohren, und der Reitknecht sah ganz deutlich, wie ein feiner Nebel aus sei-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/54>, abgerufen am 21.11.2024.