Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

mich endlich. Ich wußte anfangs nicht, war ich zu Hause aus dem Bette gefallen, oder lag ich sonst wo. Endlich besann ich mich, daß ich irgendwo weit herabgestürzt sei. Ich untersuchte ängstlich meine Glieder, es war Nichts gebrochen, nur das Haupt that mir weh vom Fall. Ich raffte mich auf, sah um mich; da war ich in einem gewölbten Zimmer, der Tag schien matt durch ein Kellerloch herab, auf dem Tische sprühte ein Licht in seinem letzten Leben, umher standen Gläser und Flaschen, und rings um die Tafel vor jedem Stuhl ein kleines Fläschchen mit langem Zettel am Halse; -- ha; jetzt fiel mir nach und nach Alles wieder ein; ich war zu Bremen im Rathskeller; gestern Nacht war ich herein gegangen, hatte getrunken, hatte mich einschließen lassen, da war -- Voll Grauen schaute ich um mich, denn alle, alle Erinnerungen erwachten mit einem Mal. Wenn der gespenstige Balthasar noch in der Ecke säße, wenn die Weingeister noch um mich schwebten! Ich wagte verstohlene Blicke in die Ecken des düstern Zimmers, es war leer. Oder wie? hätte dies Alles mir nur geträumt?

Sinnend ging ich um die lange Tafel; die Probefläschchen standen, wie Jeder gesessen hatte; obenan die Rose, dann Judas, Jacobus, Johannes, -- sie Alle an der Stelle, wo ich sie leiblich geschaut hatte diese Nacht. Nein, so lebhaft träumt man nicht, sprach ich zu mir, dies Alles, was ich gehört, geschaut, ist wirklich geschehen! Doch nicht lange hatte ich Zeit zu

mich endlich. Ich wußte anfangs nicht, war ich zu Hause aus dem Bette gefallen, oder lag ich sonst wo. Endlich besann ich mich, daß ich irgendwo weit herabgestürzt sei. Ich untersuchte ängstlich meine Glieder, es war Nichts gebrochen, nur das Haupt that mir weh vom Fall. Ich raffte mich auf, sah um mich; da war ich in einem gewölbten Zimmer, der Tag schien matt durch ein Kellerloch herab, auf dem Tische sprühte ein Licht in seinem letzten Leben, umher standen Gläser und Flaschen, und rings um die Tafel vor jedem Stuhl ein kleines Fläschchen mit langem Zettel am Halse; — ha; jetzt fiel mir nach und nach Alles wieder ein; ich war zu Bremen im Rathskeller; gestern Nacht war ich herein gegangen, hatte getrunken, hatte mich einschließen lassen, da war — Voll Grauen schaute ich um mich, denn alle, alle Erinnerungen erwachten mit einem Mal. Wenn der gespenstige Balthasar noch in der Ecke säße, wenn die Weingeister noch um mich schwebten! Ich wagte verstohlene Blicke in die Ecken des düstern Zimmers, es war leer. Oder wie? hätte dies Alles mir nur geträumt?

Sinnend ging ich um die lange Tafel; die Probefläschchen standen, wie Jeder gesessen hatte; obenan die Rose, dann Judas, Jacobus, Johannes, — sie Alle an der Stelle, wo ich sie leiblich geschaut hatte diese Nacht. Nein, so lebhaft träumt man nicht, sprach ich zu mir, dies Alles, was ich gehört, geschaut, ist wirklich geschehen! Doch nicht lange hatte ich Zeit zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0080"/>
mich endlich. Ich wußte anfangs nicht, war ich zu Hause aus dem Bette                gefallen, oder lag ich sonst wo. Endlich besann ich mich, daß ich irgendwo weit                herabgestürzt sei. Ich untersuchte ängstlich meine Glieder, es war Nichts gebrochen,                nur das Haupt that mir weh vom Fall. Ich raffte mich auf, sah um mich; da war ich in                einem gewölbten Zimmer, der Tag schien matt durch ein Kellerloch herab, auf dem                Tische sprühte ein Licht in seinem letzten Leben, umher standen Gläser und Flaschen,                und rings um die Tafel vor jedem Stuhl ein kleines Fläschchen mit langem Zettel am                Halse; &#x2014; ha; jetzt fiel mir nach und nach Alles wieder ein; ich war zu Bremen im                Rathskeller; gestern Nacht war ich herein gegangen, hatte getrunken, hatte mich                einschließen lassen, da war &#x2014; Voll Grauen schaute ich um mich, denn alle, alle                Erinnerungen erwachten mit einem Mal. Wenn der gespenstige Balthasar noch in der Ecke                säße, wenn die Weingeister noch um mich schwebten! Ich wagte verstohlene Blicke in                die Ecken des düstern Zimmers, es war leer. Oder wie? hätte dies Alles mir nur                geträumt?</p><lb/>
        <p>Sinnend ging ich um die lange Tafel; die Probefläschchen standen, wie Jeder gesessen                hatte; obenan die Rose, dann Judas, Jacobus, Johannes, &#x2014; sie Alle an der Stelle, wo                ich sie leiblich geschaut hatte diese Nacht. Nein, so lebhaft träumt man nicht,                sprach ich zu mir, dies Alles, was ich gehört, geschaut, ist wirklich geschehen! Doch                nicht lange hatte ich Zeit zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0080] mich endlich. Ich wußte anfangs nicht, war ich zu Hause aus dem Bette gefallen, oder lag ich sonst wo. Endlich besann ich mich, daß ich irgendwo weit herabgestürzt sei. Ich untersuchte ängstlich meine Glieder, es war Nichts gebrochen, nur das Haupt that mir weh vom Fall. Ich raffte mich auf, sah um mich; da war ich in einem gewölbten Zimmer, der Tag schien matt durch ein Kellerloch herab, auf dem Tische sprühte ein Licht in seinem letzten Leben, umher standen Gläser und Flaschen, und rings um die Tafel vor jedem Stuhl ein kleines Fläschchen mit langem Zettel am Halse; — ha; jetzt fiel mir nach und nach Alles wieder ein; ich war zu Bremen im Rathskeller; gestern Nacht war ich herein gegangen, hatte getrunken, hatte mich einschließen lassen, da war — Voll Grauen schaute ich um mich, denn alle, alle Erinnerungen erwachten mit einem Mal. Wenn der gespenstige Balthasar noch in der Ecke säße, wenn die Weingeister noch um mich schwebten! Ich wagte verstohlene Blicke in die Ecken des düstern Zimmers, es war leer. Oder wie? hätte dies Alles mir nur geträumt? Sinnend ging ich um die lange Tafel; die Probefläschchen standen, wie Jeder gesessen hatte; obenan die Rose, dann Judas, Jacobus, Johannes, — sie Alle an der Stelle, wo ich sie leiblich geschaut hatte diese Nacht. Nein, so lebhaft träumt man nicht, sprach ich zu mir, dies Alles, was ich gehört, geschaut, ist wirklich geschehen! Doch nicht lange hatte ich Zeit zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/80
Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/80>, abgerufen am 21.11.2024.