Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.sein einsamer Posten inmitten des märkischen Er, der mit seinem ersten Weibe durch eine Er hoffte es auch fernerhin thun zu können. ſein einſamer Poſten inmitten des märkiſchen Er, der mit ſeinem erſten Weibe durch eine Er hoffte es auch fernerhin thun zu können. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0019" n="7"/> ſein einſamer Poſten inmitten des märkiſchen<lb/> Kiefernhorſtes ſein liebſter Aufenthalt. Die<lb/> ſtillen, hingebenden Gedanken an ſein verſtorbenes<lb/> Weib wurden von denen an die Lebende durch¬<lb/> kreuzt. Nicht widerwillig, wie die erſte Zeit,<lb/> trat er den Heimweg an, ſondern mit leiden¬<lb/> ſchaftlicher Haft, nachdem er vorher oft Stunden<lb/> und Minuten bis zur Zeit der Ablöſung ge¬<lb/> zählt hatte.</p><lb/> <p>Er, der mit ſeinem erſten Weibe durch eine<lb/> mehr vergeiſtigte Liebe verbunden geweſen war,<lb/> geriet durch die Macht roher Triebe in die<lb/> Gewalt ſeiner zweiten Frau und wurde zuletzt<lb/> in Allem faſt unbedingt von ihr abhängig. —<lb/> Zu Zeiten empfand er Gewiſſensbiſſe über<lb/> dieſen Umſchwung der Dinge, und er bedurfte<lb/> einer Anzahl außergewöhnlicher Hilfsmittel, um<lb/> ſich darüber hinweg zu helfen. So erklärte er<lb/> ſein Wärterhäuschen und die Bahnſtrecke, die er<lb/> zu beſorgen hatte, insgeheim gleichſam für ge¬<lb/> heiligtes Land, welches ausſchließlich den Manen<lb/> der Toten gewidmet ſein ſollte. Mit Hülfe von<lb/> allerhand Vorwänden war es ihm in der That<lb/> bisher gelungen, ſeine Frau davon abzuhalten,<lb/> ihn dahin zu begleiten.</p><lb/> <p>Er hoffte es auch fernerhin thun zu können.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0019]
ſein einſamer Poſten inmitten des märkiſchen
Kiefernhorſtes ſein liebſter Aufenthalt. Die
ſtillen, hingebenden Gedanken an ſein verſtorbenes
Weib wurden von denen an die Lebende durch¬
kreuzt. Nicht widerwillig, wie die erſte Zeit,
trat er den Heimweg an, ſondern mit leiden¬
ſchaftlicher Haft, nachdem er vorher oft Stunden
und Minuten bis zur Zeit der Ablöſung ge¬
zählt hatte.
Er, der mit ſeinem erſten Weibe durch eine
mehr vergeiſtigte Liebe verbunden geweſen war,
geriet durch die Macht roher Triebe in die
Gewalt ſeiner zweiten Frau und wurde zuletzt
in Allem faſt unbedingt von ihr abhängig. —
Zu Zeiten empfand er Gewiſſensbiſſe über
dieſen Umſchwung der Dinge, und er bedurfte
einer Anzahl außergewöhnlicher Hilfsmittel, um
ſich darüber hinweg zu helfen. So erklärte er
ſein Wärterhäuschen und die Bahnſtrecke, die er
zu beſorgen hatte, insgeheim gleichſam für ge¬
heiligtes Land, welches ausſchließlich den Manen
der Toten gewidmet ſein ſollte. Mit Hülfe von
allerhand Vorwänden war es ihm in der That
bisher gelungen, ſeine Frau davon abzuhalten,
ihn dahin zu begleiten.
Er hoffte es auch fernerhin thun zu können.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/19 |
Zitationshilfe: | Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/19>, abgerufen am 16.07.2024. |