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Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.

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seiner Rede in seltsamstem Gegensatz zu dem
kreischenden Gekeif seiner Frau. Die Außenwelt
schien ihm wenig anhaben zu können, es war,
als trüge er etwas in sich, wodurch er alles
Böse, was sie ihm anthat, reichlich mit Gutem
aufgewogen erhielt.

Trotz seines unverwüstlichen Phlegmas hatte
er doch Augenblicke, in denen er nicht mit sich
spaßen ließ. Es war dies immer anläßlich
solcher Dinge, die Tobiäschen betrafen. Sein
kindgutes, nachgiebiges Wesen gewann dann
einen Anstrich von Festigkeit, dem selbst ein so
unzähmbares Gemüt wie das Lenes nicht ent¬
gegen zu treten wagte.

Die Augenblicke indes, darin er diese Seite
seines Wesens herauskehrte, wurden mit der
Zeit immer seltener und verloren sich zuletzt
ganz. Ein gewisser leidender Widerstand, den
er der Herrschsucht Lenens während des ersten
Jahres entgegen gesetzt, verlor sich ebenfalls im
zweiten. Er ging nicht mehr mit der früheren
Gleichgültigkeit zum Dienst, nachdem er einen
Auftritt mit ihr gehabt, wenn er sie nicht vor¬
her besänftigt hatte. Er ließ sich am Ende
nicht selten herab, sie zu bitten, doch wieder
gut zu sein. -- Nicht wie sonst mehr war ihm

ſeiner Rede in ſeltſamſtem Gegenſatz zu dem
kreiſchenden Gekeif ſeiner Frau. Die Außenwelt
ſchien ihm wenig anhaben zu können, es war,
als trüge er etwas in ſich, wodurch er alles
Böſe, was ſie ihm anthat, reichlich mit Gutem
aufgewogen erhielt.

Trotz ſeines unverwüſtlichen Phlegmas hatte
er doch Augenblicke, in denen er nicht mit ſich
ſpaßen ließ. Es war dies immer anläßlich
ſolcher Dinge, die Tobiäschen betrafen. Sein
kindgutes, nachgiebiges Weſen gewann dann
einen Anſtrich von Feſtigkeit, dem ſelbſt ein ſo
unzähmbares Gemüt wie das Lenes nicht ent¬
gegen zu treten wagte.

Die Augenblicke indes, darin er dieſe Seite
ſeines Weſens herauskehrte, wurden mit der
Zeit immer ſeltener und verloren ſich zuletzt
ganz. Ein gewiſſer leidender Widerſtand, den
er der Herrſchſucht Lenens während des erſten
Jahres entgegen geſetzt, verlor ſich ebenfalls im
zweiten. Er ging nicht mehr mit der früheren
Gleichgültigkeit zum Dienſt, nachdem er einen
Auftritt mit ihr gehabt, wenn er ſie nicht vor¬
her beſänftigt hatte. Er ließ ſich am Ende
nicht ſelten herab, ſie zu bitten, doch wieder
gut zu ſein. — Nicht wie ſonſt mehr war ihm

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[6/0018] ſeiner Rede in ſeltſamſtem Gegenſatz zu dem kreiſchenden Gekeif ſeiner Frau. Die Außenwelt ſchien ihm wenig anhaben zu können, es war, als trüge er etwas in ſich, wodurch er alles Böſe, was ſie ihm anthat, reichlich mit Gutem aufgewogen erhielt. Trotz ſeines unverwüſtlichen Phlegmas hatte er doch Augenblicke, in denen er nicht mit ſich ſpaßen ließ. Es war dies immer anläßlich ſolcher Dinge, die Tobiäschen betrafen. Sein kindgutes, nachgiebiges Weſen gewann dann einen Anſtrich von Feſtigkeit, dem ſelbſt ein ſo unzähmbares Gemüt wie das Lenes nicht ent¬ gegen zu treten wagte. Die Augenblicke indes, darin er dieſe Seite ſeines Weſens herauskehrte, wurden mit der Zeit immer ſeltener und verloren ſich zuletzt ganz. Ein gewiſſer leidender Widerſtand, den er der Herrſchſucht Lenens während des erſten Jahres entgegen geſetzt, verlor ſich ebenfalls im zweiten. Er ging nicht mehr mit der früheren Gleichgültigkeit zum Dienſt, nachdem er einen Auftritt mit ihr gehabt, wenn er ſie nicht vor¬ her beſänftigt hatte. Er ließ ſich am Ende nicht ſelten herab, ſie zu bitten, doch wieder gut zu ſein. — Nicht wie ſonſt mehr war ihm

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/18>, abgerufen am 21.11.2024.