Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.zahn, die alte eingekapselte Uhr in die Taschen Die Wanduhr mit dem langen Pendel und 2
zahn, die alte eingekapſelte Uhr in die Taſchen Die Wanduhr mit dem langen Pendel und 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0029" n="17"/> zahn, die alte eingekapſelte Uhr in die Taſchen<lb/> ſeiner Kleider. Ein kleines, in rotes Papier<lb/> eingeſchlagenes Büchelchen wurde mit beſonderer<lb/> Sorgfalt behandelt, es lag während der Nacht<lb/> unter dem Kopfkiſſen dem Wärters und wurde<lb/> am Tage von ihm ſtets in der Bruſttaſche des<lb/> Dienſtrockes herum getragen. Auf der Etiquette<lb/> unter dem Umſchlag ſtand in unbeholfenen, aber<lb/> verſchnörkelten Schriftzügen, von Thiels Hand<lb/> geſchrieben, Sparkaſſenbuch des Tobias Thiel.</p><lb/> <p>Die Wanduhr mit dem langen Pendel und<lb/> dem gelbſüchtigen Zifferblatt zeigte dreiviertel<lb/> fünf, als Thiel fortging. Ein kleiner Kahn,<lb/> ſein Eigentum, brachte ihn über den Fluß. Am<lb/> jenſeitigen Spreeufer blieb er einige Male ſtehen<lb/> und lauſchte nach dem Ort zurück. Endlich bog<lb/> er in einen breiten Waldweg und befand ſich<lb/> nach wenigen Minuten inmitten des tiefauf¬<lb/> rauſchenden Kiefernforſtes, deſſen Nadelmaſſen<lb/> einem ſchwarzgrünen, wellenwerfenden Meere<lb/> glichen. Unhörbar wie auf Filz ſchritt er über<lb/> die feuchte Moos- und Nadelſchicht des Wald¬<lb/> bodens. Er fand ſeinen Weg ohne aufzublicken,<lb/> hier durch die roſtbraunen Säulen des Hoch¬<lb/> waldes, dort weiterhin durch dicht verſchlungenes<lb/> Jungholz, noch weiter über ausgedehnte Echo¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">2<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0029]
zahn, die alte eingekapſelte Uhr in die Taſchen
ſeiner Kleider. Ein kleines, in rotes Papier
eingeſchlagenes Büchelchen wurde mit beſonderer
Sorgfalt behandelt, es lag während der Nacht
unter dem Kopfkiſſen dem Wärters und wurde
am Tage von ihm ſtets in der Bruſttaſche des
Dienſtrockes herum getragen. Auf der Etiquette
unter dem Umſchlag ſtand in unbeholfenen, aber
verſchnörkelten Schriftzügen, von Thiels Hand
geſchrieben, Sparkaſſenbuch des Tobias Thiel.
Die Wanduhr mit dem langen Pendel und
dem gelbſüchtigen Zifferblatt zeigte dreiviertel
fünf, als Thiel fortging. Ein kleiner Kahn,
ſein Eigentum, brachte ihn über den Fluß. Am
jenſeitigen Spreeufer blieb er einige Male ſtehen
und lauſchte nach dem Ort zurück. Endlich bog
er in einen breiten Waldweg und befand ſich
nach wenigen Minuten inmitten des tiefauf¬
rauſchenden Kiefernforſtes, deſſen Nadelmaſſen
einem ſchwarzgrünen, wellenwerfenden Meere
glichen. Unhörbar wie auf Filz ſchritt er über
die feuchte Moos- und Nadelſchicht des Wald¬
bodens. Er fand ſeinen Weg ohne aufzublicken,
hier durch die roſtbraunen Säulen des Hoch¬
waldes, dort weiterhin durch dicht verſchlungenes
Jungholz, noch weiter über ausgedehnte Echo¬
2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/29 |
Zitationshilfe: | Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/29>, abgerufen am 16.07.2024. |