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Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.

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da der größte Teil der Milch über den Flaschen¬
hals auf den Tisch rann, halb verrichtet, griff
vollkommen fassungslos vor Erregung bald nach
diesem, bald nach jenem Gegenstand, ohne ihn
länger als einige Augenblicke festhalten zu können
und ermannte sich endlich soweit, ihren Mann
heftig anzulassen: Was es denn heißen solle,
daß er um diese ungewöhnliche Zeit nach Hause
käme, er würde sie doch nicht etwa gar belauschen
wollen, "das wäre noch das letzte," meinte sie,
und gleich darauf, sie habe ein reines Gewissen
und brauche vor niemand die Augen niederzu¬
schlagen.

Thiel hörte kaum was sie sagte; seine Blicke
streiften flüchtig das heulende Tobiäschen, einen
Augenblick schien es, als müsse er gewaltsam
etwas furchtbares zurück halten, was in ihm
aufstieg; dann legte sich über die gespannten
Mienen plötzlich das alte Phlegma, von einem
verstohlnen begehrlichen Aufblitzen der Augen
seltsam belebt. Sekundenlang spielte sein Blick
über den starken Gliedmaßen seines Weibes, das,
mit abgewandtem Gesicht herumhantierend, noch
immer nach Fassung suchte. Ihre vollen, halb¬
nackten Brüste blähten sich vor Erregung und
drohten das Mieder zu sprengen, und ihre auf¬

da der größte Teil der Milch über den Flaſchen¬
hals auf den Tiſch rann, halb verrichtet, griff
vollkommen faſſungslos vor Erregung bald nach
dieſem, bald nach jenem Gegenſtand, ohne ihn
länger als einige Augenblicke feſthalten zu können
und ermannte ſich endlich ſoweit, ihren Mann
heftig anzulaſſen: Was es denn heißen ſolle,
daß er um dieſe ungewöhnliche Zeit nach Hauſe
käme, er würde ſie doch nicht etwa gar belauſchen
wollen, „das wäre noch das letzte,“ meinte ſie,
und gleich darauf, ſie habe ein reines Gewiſſen
und brauche vor niemand die Augen niederzu¬
ſchlagen.

Thiel hörte kaum was ſie ſagte; ſeine Blicke
ſtreiften flüchtig das heulende Tobiäſchen, einen
Augenblick ſchien es, als müſſe er gewaltſam
etwas furchtbares zurück halten, was in ihm
aufſtieg; dann legte ſich über die geſpannten
Mienen plötzlich das alte Phlegma, von einem
verſtohlnen begehrlichen Aufblitzen der Augen
ſeltſam belebt. Sekundenlang ſpielte ſein Blick
über den ſtarken Gliedmaßen ſeines Weibes, das,
mit abgewandtem Geſicht herumhantierend, noch
immer nach Faſſung ſuchte. Ihre vollen, halb¬
nackten Brüſte blähten ſich vor Erregung und
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[22/0034] da der größte Teil der Milch über den Flaſchen¬ hals auf den Tiſch rann, halb verrichtet, griff vollkommen faſſungslos vor Erregung bald nach dieſem, bald nach jenem Gegenſtand, ohne ihn länger als einige Augenblicke feſthalten zu können und ermannte ſich endlich ſoweit, ihren Mann heftig anzulaſſen: Was es denn heißen ſolle, daß er um dieſe ungewöhnliche Zeit nach Hauſe käme, er würde ſie doch nicht etwa gar belauſchen wollen, „das wäre noch das letzte,“ meinte ſie, und gleich darauf, ſie habe ein reines Gewiſſen und brauche vor niemand die Augen niederzu¬ ſchlagen. Thiel hörte kaum was ſie ſagte; ſeine Blicke ſtreiften flüchtig das heulende Tobiäſchen, einen Augenblick ſchien es, als müſſe er gewaltſam etwas furchtbares zurück halten, was in ihm aufſtieg; dann legte ſich über die geſpannten Mienen plötzlich das alte Phlegma, von einem verſtohlnen begehrlichen Aufblitzen der Augen ſeltſam belebt. Sekundenlang ſpielte ſein Blick über den ſtarken Gliedmaßen ſeines Weibes, das, mit abgewandtem Geſicht herumhantierend, noch immer nach Faſſung ſuchte. Ihre vollen, halb¬ nackten Brüſte blähten ſich vor Erregung und drohten das Mieder zu ſprengen, und ihre auf¬

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/34>, abgerufen am 21.11.2024.