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Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.

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Bis an den Limmatquai war er inzwischen
gelangt und noch immer folgten ihm die Kleinen.
Einige trabten, die Größeren machten unmäßig
lange Schritte, um ihm nachzukommen. In ab¬
gebrochenen Worten, mit dem feierlichen Flüster¬
ton der Kirche vorgebracht, bestand ihre Unter¬
haltung. Es war ihm bisher nicht gelungen
etwas von dem, was sie sprachen zu verstehen.
Plötzlich aber -- er hatte es ganz deutlich
gehört -- wurden die Worte: "Herr Jesus"
ausgesprochen.

Die Wirkung eines Zaubers lag in diesen
Worten. Er fühlte sich aufgehoben durch sie,
gestärkt, wieder hergestellt.

Jesus war verhöhnt worden: man hatte
ihn geschlagen, angespieen und an's Kreuz ge¬
nagelt. In Verachtung und Spott bestand der
Lohn aller Propheten. Sein eigenes bischen
Leiden kam nicht in Betracht. Kleine feige
Nadelstiche hatte man ihm versetzt. Ein Zärt¬
ling, der daran zu Grunde ging!

Zum Kampf war man da. Wunden bewiesen
den Krieger. Spott und Hohn der Menge . . .
wo gab es höhere Ehrenzeichen?! Die Brust
damit geschmückt, durfte man stolz und frei
blicken. Und überdies: aus dem Munde der

Bis an den Limmatquai war er inzwiſchen
gelangt und noch immer folgten ihm die Kleinen.
Einige trabten, die Größeren machten unmäßig
lange Schritte, um ihm nachzukommen. In ab¬
gebrochenen Worten, mit dem feierlichen Flüſter¬
ton der Kirche vorgebracht, beſtand ihre Unter¬
haltung. Es war ihm bisher nicht gelungen
etwas von dem, was ſie ſprachen zu verſtehen.
Plötzlich aber — er hatte es ganz deutlich
gehört — wurden die Worte: „Herr Jeſus“
ausgeſprochen.

Die Wirkung eines Zaubers lag in dieſen
Worten. Er fühlte ſich aufgehoben durch ſie,
geſtärkt, wieder hergeſtellt.

Jeſus war verhöhnt worden: man hatte
ihn geſchlagen, angeſpieen und an's Kreuz ge¬
nagelt. In Verachtung und Spott beſtand der
Lohn aller Propheten. Sein eigenes bischen
Leiden kam nicht in Betracht. Kleine feige
Nadelſtiche hatte man ihm verſetzt. Ein Zärt¬
ling, der daran zu Grunde ging!

Zum Kampf war man da. Wunden bewieſen
den Krieger. Spott und Hohn der Menge . . .
wo gab es höhere Ehrenzeichen?! Die Bruſt
damit geſchmückt, durfte man ſtolz und frei
blicken. Und überdies: aus dem Munde der

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[84/0098] Bis an den Limmatquai war er inzwiſchen gelangt und noch immer folgten ihm die Kleinen. Einige trabten, die Größeren machten unmäßig lange Schritte, um ihm nachzukommen. In ab¬ gebrochenen Worten, mit dem feierlichen Flüſter¬ ton der Kirche vorgebracht, beſtand ihre Unter¬ haltung. Es war ihm bisher nicht gelungen etwas von dem, was ſie ſprachen zu verſtehen. Plötzlich aber — er hatte es ganz deutlich gehört — wurden die Worte: „Herr Jeſus“ ausgeſprochen. Die Wirkung eines Zaubers lag in dieſen Worten. Er fühlte ſich aufgehoben durch ſie, geſtärkt, wieder hergeſtellt. Jeſus war verhöhnt worden: man hatte ihn geſchlagen, angeſpieen und an's Kreuz ge¬ nagelt. In Verachtung und Spott beſtand der Lohn aller Propheten. Sein eigenes bischen Leiden kam nicht in Betracht. Kleine feige Nadelſtiche hatte man ihm verſetzt. Ein Zärt¬ ling, der daran zu Grunde ging! Zum Kampf war man da. Wunden bewieſen den Krieger. Spott und Hohn der Menge . . . wo gab es höhere Ehrenzeichen?! Die Bruſt damit geſchmückt, durfte man ſtolz und frei blicken. Und überdies: aus dem Munde der

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/98>, abgerufen am 11.12.2024.