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Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.

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Dich nur nicht. Hättst Dich ja verändert haben können
während der langen Zeit. Warum nicht? Wär auch
gar kein Nachtheil! 'n bissel Humor könnte Dir gar
nicht schaden! Ich seh nicht ein, warum man Alles so
verflucht ernsthaft nehmen sollte.
Loth. Ernst ist es mir mehr als je. (Er erhebt sich
und geht, immer ein wenig zurück, neben Schimmelpfennig her.)
Du kannst
es ja nicht wissen, auch sagen kann ich's Dir nicht mal,
was dieses Verhältniß für mich bedeutet.
Dr. Schimmelpfennig. Hm!
Loth. Kerl, Du hast keine Idee, was das für
ein Zustand ist. Man kennt ihn nicht, wenn man sich
danach sehnt. Kennte man ihn, dann, dann müßte man
geradezu unsinnig werden vor Sehnsucht.
Dr. Schimmelpfennig. Das begreife der Teufel,
wie Ihr zu dieser unsinnigen Sehnsucht kommt.
Loth. Du bist auch noch nicht sicher davor.
Dr. Schimmelpfennig. Das möcht ich mal
sehen!
Loth. Du redst wie der Blinde von der Farbe.
Dr. Schimmelpfennig. Was ich mir für das
bischen Rausch koofe! lächerlich. Darauf eine lebens-
längliche Ehe zu bauen....da baut man noch nicht
mal so sicher, als auf 'n Sandhaufen.
Loth. Rausch -- Rausch -- wer von einem
Rausch redet -- na! der kennt die Sache eben nicht.
'n Rausch ist flüchtig. Solche Räusche hab ich schon
gehabt, ich geb's zu. Aber das ist was ganz Anderes.
Dr. Schimmelpfennig. Hm!
Loth. Ich bin dabei vollständig nüchtern. Denkst
Du, daß ich meine Liebste so -- na, wie soll ich sagen
-- so mit 'ner -- na, wie soll ich sagen, mit 'ner
großen Glorie sehe? Gar nicht! -- Sie hat Fehler,
ist auch nicht besonders schön, wenigstens -- na, häßlich
ist sie auch gerade nicht. Ganz objectiv geurtheilt, ich
-- das ist ja schließlich Geschmackssache -- ich hab so'n
hübsches Mädel noch nicht gesehen. Also, Rausch --
Dich nur nicht. Hättſt Dich ja verändert haben können
während der langen Zeit. Warum nicht? Wär auch
gar kein Nachtheil! 'n biſſel Humor könnte Dir gar
nicht ſchaden! Ich ſeh nicht ein, warum man Alles ſo
verflucht ernſthaft nehmen ſollte.
Loth. Ernſt iſt es mir mehr als je. (Er erhebt ſich
und geht, immer ein wenig zurück, neben Schimmelpfennig her.)
Du kannſt
es ja nicht wiſſen, auch ſagen kann ich's Dir nicht mal,
was dieſes Verhältniß für mich bedeutet.
Dr. Schimmelpfennig. Hm!
Loth. Kerl, Du haſt keine Idee, was das für
ein Zuſtand iſt. Man kennt ihn nicht, wenn man ſich
danach ſehnt. Kennte man ihn, dann, dann müßte man
geradezu unſinnig werden vor Sehnſucht.
Dr. Schimmelpfennig. Das begreife der Teufel,
wie Ihr zu dieſer unſinnigen Sehnſucht kommt.
Loth. Du biſt auch noch nicht ſicher davor.
Dr. Schimmelpfennig. Das möcht ich mal
ſehen!
Loth. Du redſt wie der Blinde von der Farbe.
Dr. Schimmelpfennig. Was ich mir für das
bischen Rauſch koofe! lächerlich. Darauf eine lebens-
längliche Ehe zu bauen....da baut man noch nicht
mal ſo ſicher, als auf 'n Sandhaufen.
Loth. Rauſch — Rauſch — wer von einem
Rauſch redet — na! der kennt die Sache eben nicht.
'n Rauſch iſt flüchtig. Solche Räuſche hab ich ſchon
gehabt, ich geb's zu. Aber das iſt was ganz Anderes.
Dr. Schimmelpfennig. Hm!
Loth. Ich bin dabei vollſtändig nüchtern. Denkſt
Du, daß ich meine Liebſte ſo — na, wie ſoll ich ſagen
— ſo mit 'ner — na, wie ſoll ich ſagen, mit 'ner
großen Glorie ſehe? Gar nicht! — Sie hat Fehler,
iſt auch nicht beſonders ſchön, wenigſtens — na, häßlich
iſt ſie auch gerade nicht. Ganz objectiv geurtheilt, ich
— das iſt ja ſchließlich Geſchmacksſache — ich hab ſo'n
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[98/0104] Dich nur nicht. Hättſt Dich ja verändert haben können während der langen Zeit. Warum nicht? Wär auch gar kein Nachtheil! 'n biſſel Humor könnte Dir gar nicht ſchaden! Ich ſeh nicht ein, warum man Alles ſo verflucht ernſthaft nehmen ſollte. Loth. Ernſt iſt es mir mehr als je. (Er erhebt ſich und geht, immer ein wenig zurück, neben Schimmelpfennig her.) Du kannſt es ja nicht wiſſen, auch ſagen kann ich's Dir nicht mal, was dieſes Verhältniß für mich bedeutet. Dr. Schimmelpfennig. Hm! Loth. Kerl, Du haſt keine Idee, was das für ein Zuſtand iſt. Man kennt ihn nicht, wenn man ſich danach ſehnt. Kennte man ihn, dann, dann müßte man geradezu unſinnig werden vor Sehnſucht. Dr. Schimmelpfennig. Das begreife der Teufel, wie Ihr zu dieſer unſinnigen Sehnſucht kommt. Loth. Du biſt auch noch nicht ſicher davor. Dr. Schimmelpfennig. Das möcht ich mal ſehen! Loth. Du redſt wie der Blinde von der Farbe. Dr. Schimmelpfennig. Was ich mir für das bischen Rauſch koofe! lächerlich. Darauf eine lebens- längliche Ehe zu bauen....da baut man noch nicht mal ſo ſicher, als auf 'n Sandhaufen. Loth. Rauſch — Rauſch — wer von einem Rauſch redet — na! der kennt die Sache eben nicht. 'n Rauſch iſt flüchtig. Solche Räuſche hab ich ſchon gehabt, ich geb's zu. Aber das iſt was ganz Anderes. Dr. Schimmelpfennig. Hm! Loth. Ich bin dabei vollſtändig nüchtern. Denkſt Du, daß ich meine Liebſte ſo — na, wie ſoll ich ſagen — ſo mit 'ner — na, wie ſoll ich ſagen, mit 'ner großen Glorie ſehe? Gar nicht! — Sie hat Fehler, iſt auch nicht beſonders ſchön, wenigſtens — na, häßlich iſt ſie auch gerade nicht. Ganz objectiv geurtheilt, ich — das iſt ja ſchließlich Geſchmacksſache — ich hab ſo'n hübſches Mädel noch nicht geſehen. Alſo, Rauſch —

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/104>, abgerufen am 24.11.2024.