Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892. Der alte Baumert (kauend). Vor zwee Jahren war ich's letztemal zum Abendmale. Gleich dernach verkooft ich a Gottstischrock. Da dervon kooften m'r a Stickl Schweinernes. Seit dem da hab ich kee Fleesch nimehr gessen bis heut Abend. Jäger. Mir brauchen o erscht kee Fleesch, ver uns essen's de Fabrikanten. Die waten im Fette rum bis hie her. Wer das ni gloobt, der brauch ock nunter gehn nach Bielau und nach Peterschwalde. Da kann ma sei Wunder sehn: immer e Fabrikantenschloß hintern andern. Jmmer e Palast hintern andern. Mit Spiegel- scheiben und Thürmeln und eisernen Zäunen. Nee, nee, da spürt keener nischt von schlechten Zeiten. Da langt's uf Gebratnes und Gebacknes, uf Eklipaschen und Kutschen, uf Guvernanten und wer weeß was. Die sticht d'r Haber a so sehr! die wissen gar nich, was de schnell anstelln vor Reechthum und Jbermuth. Ansorge. Jn a alten Zeiten da war das ganz a ander Ding. Da lissen de Fabrikanten a Weber mitleben. Heute da bringen se alles alleene durch. Das kommt aber daher sprech ich: d'r hohe Stand gloobt nimehr a kenn Herrgott und kenn Teiwel o nich. Da wissen se nischt von Geboten und Strafen. Da stehln se uns halt a letzten Bissen Brot und schwächen und untergraben uns das bißl Nahrung, wo se kenn'n. Von den Leuten kommt's ganze Unglicke. Wenn unsere Fabrikanten und wärn gute Menschen, da wärn ooch fer uns keene schlechten Zeiten sein. Jäger. Da paßt amal uf, da wer ich euch amal was scheenes vorlesen. (Er zieht einige Papierblättchen aus der Tasche.) Komm, August, renn in de Schelzerei und hol noch a Quart. Nu August, Du lachst ja ei en' Biegen fort. Mutter Baumert. Jch weeß nich, was mit dem Jungen is, dem geht's immer gut. Der lacht sich Der alte Baumert (kauend). Vor zwee Jahren war ich’s letztemal zum Abendmale. Gleich dernach verkooft ich a Gottstiſchrock. Da dervon kooften m’r a Stickl Schweinernes. Seit dem da hab ich kee Fleeſch nimehr geſſen bis heut Abend. Jäger. Mir brauchen o erſcht kee Fleeſch, ver uns eſſen’s de Fabrikanten. Die waten im Fette rum bis hie her. Wer das ni gloobt, der brauch ock nunter gehn nach Bielau und nach Peterſchwalde. Da kann ma ſei Wunder ſehn: immer e Fabrikantenſchloß hintern andern. Jmmer e Palaſt hintern andern. Mit Spiegel- ſcheiben und Thürmeln und eiſernen Zäunen. Nee, nee, da ſpürt keener niſcht von ſchlechten Zeiten. Da langt’s uf Gebratnes und Gebacknes, uf Eklipaſchen und Kutſchen, uf Guvernanten und wer weeß was. Die ſticht d’r Haber a ſo ſehr! die wiſſen gar nich, was de ſchnell anſtelln vor Reechthum und Jbermuth. Anſorge. Jn a alten Zeiten da war das ganz a ander Ding. Da liſſen de Fabrikanten a Weber mitleben. Heute da bringen ſe alles alleene durch. Das kommt aber daher ſprech ich: d’r hohe Stand gloobt nimehr a kenn Herrgott und kenn Teiwel o nich. Da wiſſen ſe niſcht von Geboten und Strafen. Da ſtehln ſe uns halt a letzten Biſſen Brot und ſchwächen und untergraben uns das bißl Nahrung, wo ſe kenn’n. Von den Leuten kommt’s ganze Unglicke. Wenn unſere Fabrikanten und wärn gute Menſchen, da wärn ooch fer uns keene ſchlechten Zeiten ſein. Jäger. Da paßt amal uf, da wer ich euch amal was ſcheenes vorleſen. (Er zieht einige Papierblättchen aus der Taſche.) Komm, Auguſt, renn in de Schelzerei und hol noch a Quart. Nu Auguſt, Du lachſt ja ei en’ Biegen fort. Mutter Baumert. Jch weeß nich, was mit dem Jungen is, dem geht’s immer gut. Der lacht ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0051" n="38"/> <sp who="#BAUM"> <speaker> <hi rendition="#g">Der alte Baumert</hi> </speaker> <stage>(kauend).</stage> <p>Vor zwee Jahren<lb/> war ich’s letztemal zum Abendmale. Gleich dernach<lb/> verkooft ich a Gottstiſchrock. Da dervon kooften m’r<lb/> a Stickl Schweinernes. 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Der alte Baumert (kauend). Vor zwee Jahren
war ich’s letztemal zum Abendmale. Gleich dernach
verkooft ich a Gottstiſchrock. Da dervon kooften m’r
a Stickl Schweinernes. Seit dem da hab ich kee
Fleeſch nimehr geſſen bis heut Abend.
Jäger. Mir brauchen o erſcht kee Fleeſch, ver
uns eſſen’s de Fabrikanten. Die waten im Fette rum
bis hie her. Wer das ni gloobt, der brauch ock
nunter gehn nach Bielau und nach Peterſchwalde. Da kann
ma ſei Wunder ſehn: immer e Fabrikantenſchloß hintern
andern. Jmmer e Palaſt hintern andern. Mit Spiegel-
ſcheiben und Thürmeln und eiſernen Zäunen. Nee, nee,
da ſpürt keener niſcht von ſchlechten Zeiten. Da langt’s
uf Gebratnes und Gebacknes, uf Eklipaſchen und
Kutſchen, uf Guvernanten und wer weeß was. Die
ſticht d’r Haber a ſo ſehr! die wiſſen gar nich, was de
ſchnell anſtelln vor Reechthum und Jbermuth.
Anſorge. Jn a alten Zeiten da war das ganz
a ander Ding. Da liſſen de Fabrikanten a Weber
mitleben. Heute da bringen ſe alles alleene durch.
Das kommt aber daher ſprech ich: d’r hohe Stand
gloobt nimehr a kenn Herrgott und kenn Teiwel o nich.
Da wiſſen ſe niſcht von Geboten und Strafen. Da
ſtehln ſe uns halt a letzten Biſſen Brot und ſchwächen
und untergraben uns das bißl Nahrung, wo ſe
kenn’n. Von den Leuten kommt’s ganze Unglicke. Wenn
unſere Fabrikanten und wärn gute Menſchen, da wärn
ooch fer uns keene ſchlechten Zeiten ſein.
Jäger. Da paßt amal uf, da wer ich euch
amal was ſcheenes vorleſen. (Er zieht einige Papierblättchen aus
der Taſche.) Komm, Auguſt, renn in de Schelzerei und
hol noch a Quart. Nu Auguſt, Du lachſt ja ei en’
Biegen fort.
Mutter Baumert. Jch weeß nich, was mit dem
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