Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
Wiegand. Kannst's glooben, Welzel, a so a klee
numpern Särgl, a so a rasnich klee, winzich Dingel,
das hab ich doch noch kee mal ni zusammengeleimt. Das
war d'r a Leichel, das wog noch nich neunzig Fund.
Der Reisende, (kauend). Jch verstehe blos nich ...
wo man hinblickt, in irgend 'ne Zeitung, da liest man
die schauerlichsten Geschichten von der Webernot, da
kriegt man einen Begriff von der Sache, als wenn
hier die Leute alle schon dreiviertel verhungert wären.
Und wenn man dann so'n Begräbniß sieht. Jch kam
grade im Dorfe rein. Blechmusik, Schullehrer, Schul-
kinder, der Pastor und ein Zopp Menschen hinter-
drein, Herrgott, als wenn der Kaiser von China
begraben würde. Ja, wenn die Leute das noch
bezahlen können ...!
(Er trinkt Bier. Nachdem er das Glas wieder
hingestellt, plötzlich mit frivoler Leichtigkeit.)
Nich wahr, Fräulein?
Hab' ich nich Recht?
Anna (lächelt verlegen und stickt eifrig weiter).
Der Reisende. Gewiß 'n Paar Morgenschuhe
für 'n Herrn Papa.
Welzel. O ich mag solche Dinger erscht nich
an a Fuß ziehn.
Der Reisende. Na, hör'n Sie mal an! Mein
halbes Vermögen gäb' ich, wenn die Pantoffeln für
mich wär'n.
Frau Welzel. Fer sowas, da hat er eemal kee
Verständnis nich.
Wiegand, (nachdem er mehrmals gehüstelt, mit dem Stuhle ge-
rückt und einen Anlauf zum Reden genommen hat).
Der Herr haben
sich iber das Begräbnis wunderlich ausgedrückt. Nu
sagen sie mal, junge Frau, das is doch 'n kleines
Leichenbegängnis?
Der Reisende. Ja, da frag ich mich aber...
Das muß doch barbarisch Geld kosten. Wo kriegen
die Leute das Geld nu her?
Wiegand. Se werden ergebenst entschuldigen,
Die Weber. 4
Wiegand. Kannſt’s glooben, Welzel, a ſo a klee
numpern Särgl, a ſo a rasnich klee, winzich Dingel,
das hab ich doch noch kee mal ni zuſammengeleimt. Das
war d’r a Leichel, das wog noch nich neunzig Fund.
Der Reiſende, (kauend). Jch verſtehe blos nich …
wo man hinblickt, in irgend ’ne Zeitung, da lieſt man
die ſchauerlichſten Geſchichten von der Webernot, da
kriegt man einen Begriff von der Sache, als wenn
hier die Leute alle ſchon dreiviertel verhungert wären.
Und wenn man dann ſo’n Begräbniß ſieht. Jch kam
grade im Dorfe rein. Blechmuſik, Schullehrer, Schul-
kinder, der Paſtor und ein Zopp Menſchen hinter-
drein, Herrgott, als wenn der Kaiſer von China
begraben würde. Ja, wenn die Leute das noch
bezahlen können …!
(Er trinkt Bier. Nachdem er das Glas wieder
hingeſtellt, plötzlich mit frivoler Leichtigkeit.)
Nich wahr, Fräulein?
Hab’ ich nich Recht?
Anna (lächelt verlegen und ſtickt eifrig weiter).
Der Reiſende. Gewiß ’n Paar Morgenſchuhe
für ’n Herrn Papa.
Welzel. O ich mag ſolche Dinger erſcht nich
an a Fuß ziehn.
Der Reiſende. Na, hör’n Sie mal an! Mein
halbes Vermögen gäb’ ich, wenn die Pantoffeln für
mich wär’n.
Frau Welzel. Fer ſowas, da hat er eemal kee
Verſtändnis nich.
Wiegand, (nachdem er mehrmals gehüſtelt, mit dem Stuhle ge-
rückt und einen Anlauf zum Reden genommen hat).
Der Herr haben
ſich iber das Begräbnis wunderlich ausgedrückt. Nu
ſagen ſie mal, junge Frau, das is doch ’n kleines
Leichenbegängnis?
Der Reiſende. Ja, da frag ich mich aber…
Das muß doch barbariſch Geld koſten. Wo kriegen
die Leute das Geld nu her?
Wiegand. Se werden ergebenſt entſchuldigen,
Die Weber. 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0062" n="49"/>
        <sp who="#WIE">
          <speaker><hi rendition="#g">Wiegand</hi>.</speaker>
          <p>Kann&#x017F;t&#x2019;s glooben, Welzel, a &#x017F;o a klee<lb/>
numpern Särgl, a &#x017F;o a rasnich klee, winzich Dingel,<lb/>
das hab ich doch noch kee mal ni zu&#x017F;ammengeleimt. Das<lb/>
war d&#x2019;r a Leichel, das wog noch nich neunzig Fund.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#REIS">
          <speaker><hi rendition="#g">Der Rei&#x017F;ende</hi>,</speaker>
          <stage>(kauend).</stage>
          <p>Jch ver&#x017F;tehe blos nich &#x2026;<lb/>
wo man hinblickt, in irgend &#x2019;ne Zeitung, da lie&#x017F;t man<lb/>
die &#x017F;chauerlich&#x017F;ten Ge&#x017F;chichten von der Webernot, da<lb/>
kriegt man einen Begriff von der Sache, als wenn<lb/>
hier die Leute alle &#x017F;chon dreiviertel verhungert wären.<lb/>
Und wenn man dann &#x017F;o&#x2019;n Begräbniß &#x017F;ieht. Jch kam<lb/>
grade im Dorfe rein. Blechmu&#x017F;ik, Schullehrer, Schul-<lb/>
kinder, der Pa&#x017F;tor und ein Zopp Men&#x017F;chen hinter-<lb/>
drein, Herrgott, als wenn der Kai&#x017F;er von China<lb/>
begraben würde. Ja, wenn die Leute das noch<lb/>
bezahlen können &#x2026;!</p>
          <stage>(Er trinkt Bier. Nachdem er das Glas wieder<lb/>
hinge&#x017F;tellt, plötzlich mit frivoler Leichtigkeit.)</stage>
          <p>Nich wahr, Fräulein?<lb/>
Hab&#x2019; ich nich Recht?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#ANN">
          <speaker> <hi rendition="#g">Anna</hi> </speaker>
          <stage>(lächelt verlegen und &#x017F;tickt eifrig weiter).</stage>
        </sp><lb/>
        <sp who="#REIS">
          <speaker><hi rendition="#g">Der Rei&#x017F;ende</hi>.</speaker>
          <p>Gewiß &#x2019;n Paar Morgen&#x017F;chuhe<lb/>
für &#x2019;n Herrn Papa.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WEL">
          <speaker><hi rendition="#g">Welzel</hi>.</speaker>
          <p>O ich mag &#x017F;olche Dinger er&#x017F;cht nich<lb/>
an a Fuß ziehn.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#REIS">
          <speaker><hi rendition="#g">Der Rei&#x017F;ende</hi>.</speaker>
          <p>Na, hör&#x2019;n Sie mal an! Mein<lb/>
halbes Vermögen gäb&#x2019; ich, wenn die Pantoffeln für<lb/>
mich wär&#x2019;n.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FRWELZ">
          <speaker><hi rendition="#g">Frau Welzel</hi>.</speaker>
          <p>Fer &#x017F;owas, da hat er eemal kee<lb/>
Ver&#x017F;tändnis nich.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WIE">
          <speaker><hi rendition="#g">Wiegand</hi>,</speaker>
          <stage>(nachdem er mehrmals gehü&#x017F;telt, mit dem Stuhle ge-<lb/>
rückt und einen Anlauf zum Reden genommen hat).</stage>
          <p>Der Herr haben<lb/>
&#x017F;ich iber das Begräbnis wunderlich ausgedrückt. Nu<lb/>
&#x017F;agen &#x017F;ie mal, junge Frau, das is doch &#x2019;n kleines<lb/>
Leichenbegängnis?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#REIS">
          <speaker><hi rendition="#g">Der Rei&#x017F;ende</hi>.</speaker>
          <p>Ja, da frag ich mich aber&#x2026;<lb/>
Das muß doch barbari&#x017F;ch Geld ko&#x017F;ten. Wo kriegen<lb/>
die Leute das Geld nu her?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WIE">
          <speaker><hi rendition="#g">Wiegand</hi>.</speaker>
          <p>Se werden ergeben&#x017F;t ent&#x017F;chuldigen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Die Weber. 4</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0062] Wiegand. Kannſt’s glooben, Welzel, a ſo a klee numpern Särgl, a ſo a rasnich klee, winzich Dingel, das hab ich doch noch kee mal ni zuſammengeleimt. Das war d’r a Leichel, das wog noch nich neunzig Fund. Der Reiſende, (kauend). Jch verſtehe blos nich … wo man hinblickt, in irgend ’ne Zeitung, da lieſt man die ſchauerlichſten Geſchichten von der Webernot, da kriegt man einen Begriff von der Sache, als wenn hier die Leute alle ſchon dreiviertel verhungert wären. Und wenn man dann ſo’n Begräbniß ſieht. Jch kam grade im Dorfe rein. Blechmuſik, Schullehrer, Schul- kinder, der Paſtor und ein Zopp Menſchen hinter- drein, Herrgott, als wenn der Kaiſer von China begraben würde. Ja, wenn die Leute das noch bezahlen können …! (Er trinkt Bier. Nachdem er das Glas wieder hingeſtellt, plötzlich mit frivoler Leichtigkeit.) Nich wahr, Fräulein? Hab’ ich nich Recht? Anna (lächelt verlegen und ſtickt eifrig weiter). Der Reiſende. Gewiß ’n Paar Morgenſchuhe für ’n Herrn Papa. Welzel. O ich mag ſolche Dinger erſcht nich an a Fuß ziehn. Der Reiſende. Na, hör’n Sie mal an! Mein halbes Vermögen gäb’ ich, wenn die Pantoffeln für mich wär’n. Frau Welzel. Fer ſowas, da hat er eemal kee Verſtändnis nich. Wiegand, (nachdem er mehrmals gehüſtelt, mit dem Stuhle ge- rückt und einen Anlauf zum Reden genommen hat). Der Herr haben ſich iber das Begräbnis wunderlich ausgedrückt. Nu ſagen ſie mal, junge Frau, das is doch ’n kleines Leichenbegängnis? Der Reiſende. Ja, da frag ich mich aber… Das muß doch barbariſch Geld koſten. Wo kriegen die Leute das Geld nu her? Wiegand. Se werden ergebenſt entſchuldigen, Die Weber. 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Weber sind zu Beginn auf schlesisch erschiene… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/62
Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/62>, abgerufen am 21.11.2024.