Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.Peterswaldau. -- Privatzimmer des Parchent-Fabrikanten Dreißiger. Ein im frostigen Geschmack der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts luxuriös ausgestatteter Raum. Die Decke, der Ofen, die Thüren sind weiß; die Tapete gradlinig klein- gcblümt und von einem kalten, bleigrauen Ton. Dazu kommen rothüberzogene Polstermöbel aus Mahagoniholz, reich geziert und geschnitzt, Schränke und Stühle von gleichem Material und wie folgt vertheilt: Rechts, zwischen zwei Fenstern mit kirschrothen Damastgardinen steht der Schreibsekretär, ein Schrank, dessen vordere Wand sich herabklappen läßt, -- ihm gerade gegenüber das Sofa, unweit davon ein eiserner Geld- schrank, vor dem Sofa der Tisch, Sessel und Stühle, -- an der Hinterwand ein Gewehrschrank. Diese, sowie die anderen Wände sind durch schlechte Bilder in Goldrahmen theilweise verdeckt. Ueber dem Sofa hängt ein Spiegel mit stark vergoldetem Roccoccorahmen, Eine einfache Thür links führt in den Flur, eine offene Flügelthür der Hinterwand in einen mit dem gleichen ungemüthlichen Prunk überladenen Salon. Jm Salon bemerkt man zwei Damen, Frau Dreißiger und Frau Pastor Kittelhaus damit beschäftigt, Bilder zu besehen, -- ferner den Pastor Kittelhaus im Gespräch mit dem Kandidaten und Hauslehrer Weinhold.) Kittelhaus (ein kleines, freundliches Männchen tritt gemüthlich plaudernd und rauchend mit dem ebenfalls rauchenden Kandidaten in das Vorderzimmer; dort sieht er sich um und schüttelt, da er Niemand bemerkt, ver- wundert den Kopf). Es ist ja durchaus nicht zu verwundern, Herr Kandidat: Sie sind jung. Jn Jhrem Alter hatten wir Alten -- ich will nicht sagen dieselben Ansichten, aber doch ähnliche. Aehnliche jedenfalls. Und es ist ja auch was schönes um die Jugend -- um alle die schönen Jdeale, Herr Kandidat. Leider Peterswaldau. — Privatzimmer des Parchent-Fabrikanten Dreißiger. Ein im froſtigen Geſchmack der erſten Hälfte unſeres Jahrhunderts luxuriös ausgeſtatteter Raum. Die Decke, der Ofen, die Thüren ſind weiß; die Tapete gradlinig klein- gcblümt und von einem kalten, bleigrauen Ton. Dazu kommen rothüberzogene Polſtermöbel aus Mahagoniholz, reich geziert und geſchnitzt, Schränke und Stühle von gleichem Material und wie folgt vertheilt: Rechts, zwiſchen zwei Fenſtern mit kirſchrothen Damaſtgardinen ſteht der Schreibſekretär, ein Schrank, deſſen vordere Wand ſich herabklappen läßt, — ihm gerade gegenüber das Sofa, unweit davon ein eiſerner Geld- ſchrank, vor dem Sofa der Tiſch, Seſſel und Stühle, — an der Hinterwand ein Gewehrſchrank. Dieſe, ſowie die anderen Wände ſind durch ſchlechte Bilder in Goldrahmen theilweiſe verdeckt. Ueber dem Sofa hängt ein Spiegel mit ſtark vergoldetem Roccoccorahmen, Eine einfache Thür links führt in den Flur, eine offene Flügelthür der Hinterwand in einen mit dem gleichen ungemüthlichen Prunk überladenen Salon. Jm Salon bemerkt man zwei Damen, Frau Dreißiger und Frau Paſtor Kittelhaus damit beſchäftigt, Bilder zu beſehen, — ferner den Paſtor Kittelhaus im Geſpräch mit dem Kandidaten und Hauslehrer Weinhold.) Kittelhaus (ein kleines, freundliches Männchen tritt gemüthlich plaudernd und rauchend mit dem ebenfalls rauchenden Kandidaten in das Vorderzimmer; dort ſieht er ſich um und ſchüttelt, da er Niemand bemerkt, ver- wundert den Kopf). Es iſt ja durchaus nicht zu verwundern, Herr Kandidat: Sie ſind jung. Jn Jhrem Alter hatten wir Alten — ich will nicht ſagen dieſelben Anſichten, aber doch ähnliche. Aehnliche jedenfalls. Und es iſt ja auch was ſchönes um die Jugend — um alle die ſchönen Jdeale, Herr Kandidat. 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Peterswaldau. — Privatzimmer des Parchent-Fabrikanten
Dreißiger. Ein im froſtigen Geſchmack der erſten Hälfte
unſeres Jahrhunderts luxuriös ausgeſtatteter Raum. Die
Decke, der Ofen, die Thüren ſind weiß; die Tapete gradlinig klein-
gcblümt und von einem kalten, bleigrauen Ton. Dazu kommen
rothüberzogene Polſtermöbel aus Mahagoniholz, reich geziert
und geſchnitzt, Schränke und Stühle von gleichem Material
und wie folgt vertheilt: Rechts, zwiſchen zwei Fenſtern mit
kirſchrothen Damaſtgardinen ſteht der Schreibſekretär, ein
Schrank, deſſen vordere Wand ſich herabklappen läßt, — ihm
gerade gegenüber das Sofa, unweit davon ein eiſerner Geld-
ſchrank, vor dem Sofa der Tiſch, Seſſel und Stühle, — an der
Hinterwand ein Gewehrſchrank. Dieſe, ſowie die anderen
Wände ſind durch ſchlechte Bilder in Goldrahmen theilweiſe
verdeckt. Ueber dem Sofa hängt ein Spiegel mit ſtark vergoldetem
Roccoccorahmen, Eine einfache Thür links führt in den Flur,
eine offene Flügelthür der Hinterwand in einen mit dem
gleichen ungemüthlichen Prunk überladenen Salon. Jm Salon
bemerkt man zwei Damen, Frau Dreißiger und Frau Paſtor
Kittelhaus damit beſchäftigt, Bilder zu beſehen, — ferner den
Paſtor Kittelhaus im Geſpräch mit dem Kandidaten und
Hauslehrer Weinhold.)
Kittelhaus (ein kleines, freundliches Männchen tritt gemüthlich
plaudernd und rauchend mit dem ebenfalls rauchenden Kandidaten in das
Vorderzimmer; dort ſieht er ſich um und ſchüttelt, da er Niemand bemerkt, ver-
wundert den Kopf). Es iſt ja durchaus nicht zu verwundern,
Herr Kandidat: Sie ſind jung. Jn Jhrem Alter
hatten wir Alten — ich will nicht ſagen dieſelben
Anſichten, aber doch ähnliche. Aehnliche jedenfalls.
Und es iſt ja auch was ſchönes um die Jugend —
um alle die ſchönen Jdeale, Herr Kandidat. Leider
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Zitationshilfe: | Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. [73]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/86>, abgerufen am 16.02.2025. |