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Staats- und Gelehrte Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 107, Hamburg, 5. Julii 1771.

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[Spaltenumbruch] eingelaufen ist, daß allda noch immer mit Aushebung
der zum Kriegsstande tauglichen Mannschaft fortgefah-
ren werde. Gleiche Aushebung soll nun auch hier ehe-
stens den Anfang nehmen, weswegen von Seiten der
Kreiß-Aemter schon der vorläufige Befehl ergangen
ist, daß alle Herrschaften und Eltern ihre abwesende
Unterthanen und Söhne, auch die, so hier in Wien be-
findlich sind, zu bestimmter Zeit nach Hause rufen sollen.

Der Kayserl. Königl. Hof befindet sich noch immer
zu Laxenburg, und wohnt den Kriegsübungen der dort
campirenden Truppen bey. Statt der ausgerückten
Truppen sind nun die aus Italien und den Niederlan-
den kommende, in gedachtes Lager eingerückt.

Man hört von großen Schäden, welche durch die Ueber-
schwemmung der Wasser überall verursachet worden. An
der hiesigen großen Taborbrücke hat das reißende Wasser
letzthin 3 Joche mit sich fortgeführt, daher die Ueberfahrt
zu Nußdorf geschehen müssen. Eben eine dergleichen
Ergießung hat sich auch in Böhmen geäußert, und mel-
den die Berichte von Prag, daß das wüthende Wasser
mehr als 10000 Klaftern weggeschwemmet habe.

Die Opera Armide wird mit größtem Beyfall hier
aufgeführet; aber die übrigen Schauspiele werden nicht
stark besucht. Die Französische Schaubühne wird gar
aufgehoben werden, weil die Kosten die Einnahme weit
übersteigen.

Se. Excellenz, der Graf von Hatzfeld ist zum Böh-
mischen Hofkanzler, an die Stelle des Herrn Grafen
von Choteck, ernannt worden.


Am 27sten dieses verstarb hier nach einer langwieri-
gen Krankheit der Graf Brahe, einziger Sohn des Gra-
fen dieses Namens erster Ehe. Die ansehnlichen Güter
des Verstorbenen fallen nun auf den jüngeren Bruder
letzter Ehe, und letzten Grafen dieses Namens.


Während der Regierung der verstorbenen verwitt-
weten Prinzeßinn von Oranien, da der jetztregierende
Erbstatthalter noch minderjährig war, hatte man oft
den Vorschlag gethan, den großen Kriegsrath aufzuhe-
ben, und das Regiment Schweizergarde auf den Fuß
der andern Schweizer Regimenter, die in Diensten der
Republik sind, zu setzen. Die Stadt Amsterdam hatte
besonders diese Sache sehr lebhaft getrieben, welche
aber dennoch nicht statt fand. Jetzt sagt man, daß der
letzte Punkt von neuem aufs Tapet gebracht worden,
seit der Zeit der Capitain von der Holländischen Garde
verwundet ist, welches man den Schweizern zuschreibet.
Da dies eine sehr bedenkliche Sache ist, so kann man
noch nichts Gewisses davon berichten. Man glaubt aber
nicht ohne Grund, daß sie wol zu Stande kommen
dürfte.

Vor einigen Tagen ist ein Rußischer Oberster durch
den Haag als Courier nach London gegangen, dessen
Depeschen von äußerster Wichtigkeit gewesen seyn sollen.
Auch hat sich daselbst ein reicher Kaufmann, der mit
Englischen und Französischen Fabrikwaaren handelt, an
seinem 61sten Geburtstage in seinem Gartenhause an
die Fenster-Gardinschnur wohlbedächtlich aufgehenkt.



Von gelehrten Sachen.
"Romanzen.

Ob sich gleich der Dichter dieser
Romanzen nicht genannt hat, so wird man doch unsern
Herrn Doctor Schiebeler als Verfasser derselben nicht
[Spaltenumbruch] verkennen, wenn man auch nur eine davon gelesen hat.
Sie verdienen, denjenigen, welche in seinen musikalischen
Gedichten stehen, und mit allgemeinem Beyfall aufge-
nommen worden, an die Seite gesetzt zu werden, und
den Liebhabern der Tonkunst können wir die angenehme
Hoffnung machen, daß diese sowol, als die übrigen noch
nicht in Musik gesetzte Romanzen des Herrn Doctors
bald mit Melodien, so wie die 6 ersten, erscheinen wer-
den. Die Reise nach dem Parnassus ist in dieser
Sammlung die erste, die der Bescheidenheit des Dich-
ters Ehre macht. Es folgen Ariadne und Theseus;
der Fall des Vulkanus, deren Moral alle eifersüchtige
Ehemänner wohl zu beherzigen haben:

Ihr Männer, die Geschichte
Dient euch zum Unterrichte,
Gebt treuem Rath Gehör,
Folgt ihr dem eiteln Scheine,
So brech euch Zeus die Beine,
Und noch ein Bischen mehr.

Die Platonische Liebe, Rübenzal, und Lied eines
Nachtwächters an ein allerliebstes Mädchen von
vier Jahren
, welches wir ganz mittheilen wollen:

Die Glock' ist neun, neun ist die Glocke!
Weg mit den Bildern und der Docke!
Zu Bette, liebstes Kind!
Hör' an, was Mädchen wiederfähret,
Die, wenn mein Ruf sie schlafen lehret,
Nicht fein gehorsam sind.
Es war vor langen langen Zeiten
Ein Mädchen reich an Lieblichkeiten,
Und innig, mein Kind, wie du!
Ein einziger Fehler war ihr eigen;
Nie wollte sie sich folgsam zeigen
Zur Zeit der Abendruh.
Einst, als es eben neun geschlagen,
Und sie mit Weinen und mit Klagen
Der Amme widerstand,
Erschien die strenge Karabosse,
Und führte sie nach ihrem Schlosse,
In ein entferntes Land.
Sie trug sie in ein düseres Zimmer,
Und rief: Du, Mädchen, wachse nimmer,
Weil du nicht artig bist.
Nie sollst du, bey vermehrten Jahren,
Das angenehme Glück erfahren,
Wie sanft ein Jüngling küßt.
Vollzogen ward ihr hartes Drohen;
Es waren sechszehn Jahr entflohen,
Und dennoch wuchs sie nie.
Man gab ihr trocknes Brodt zur Speise,
Statt Torten gab man ihr Verweise,
Ach, ach wie weinte sie!
Darum, du reizende Fikette,
Sey hübsch gehorsam, geh zu Bette,
Geschwinde, geh hinein!
Sonst kommt die Fee, dich wegzuführen,
Kein Ach, kein Weinen wird sie rühren,
Und du bleibst immer klein.
Ihr lacht, ihr lieben Herrn und Frauen,
Ach habt, ich warn' euch im Vertrauen,
Habt auf euch selbst nur Acht,
Ihr seyd nicht minder zu bestrafen,
Das Mädchen will vor neun nicht schlafen,
Ihr nicht vor Mitternacht.

[Spaltenumbruch] eingelaufen ist, daß allda noch immer mit Aushebung
der zum Kriegsſtande tauglichen Mannſchaft fortgefah-
ren werde. Gleiche Aushebung ſoll nun auch hier ehe-
ſtens den Anfang nehmen, weswegen von Seiten der
Kreiß-Aemter ſchon der vorlaͤufige Befehl ergangen
iſt, daß alle Herrſchaften und Eltern ihre abweſende
Unterthanen und Soͤhne, auch die, ſo hier in Wien be-
findlich ſind, zu beſtimmter Zeit nach Hauſe rufen ſollen.

Der Kayſerl. Koͤnigl. Hof befindet ſich noch immer
zu Laxenburg, und wohnt den Kriegsuͤbungen der dort
campirenden Truppen bey. Statt der ausgeruͤckten
Truppen ſind nun die aus Italien und den Niederlan-
den kommende, in gedachtes Lager eingeruͤckt.

Man hoͤrt von großen Schaͤden, welche durch die Ueber-
ſchwemmung der Waſſer uͤberall verurſachet worden. An
der hieſigen großen Taborbruͤcke hat das reißende Waſſer
letzthin 3 Joche mit ſich fortgefuͤhrt, daher die Ueberfahrt
zu Nußdorf geſchehen muͤſſen. Eben eine dergleichen
Ergießung hat ſich auch in Boͤhmen geaͤußert, und mel-
den die Berichte von Prag, daß das wuͤthende Waſſer
mehr als 10000 Klaftern weggeſchwemmet habe.

Die Opera Armide wird mit groͤßtem Beyfall hier
aufgefuͤhret; aber die uͤbrigen Schauſpiele werden nicht
ſtark beſucht. Die Franzoͤſiſche Schaubuͤhne wird gar
aufgehoben werden, weil die Koſten die Einnahme weit
uͤberſteigen.

Se. Excellenz, der Graf von Hatzfeld iſt zum Boͤh-
miſchen Hofkanzler, an die Stelle des Herrn Grafen
von Choteck, ernannt worden.


Am 27ſten dieſes verſtarb hier nach einer langwieri-
gen Krankheit der Graf Brahe, einziger Sohn des Gra-
fen dieſes Namens erſter Ehe. Die anſehnlichen Guͤter
des Verſtorbenen fallen nun auf den juͤngeren Bruder
letzter Ehe, und letzten Grafen dieſes Namens.


Waͤhrend der Regierung der verſtorbenen verwitt-
weten Prinzeßinn von Oranien, da der jetztregierende
Erbſtatthalter noch minderjaͤhrig war, hatte man oft
den Vorſchlag gethan, den großen Kriegsrath aufzuhe-
ben, und das Regiment Schweizergarde auf den Fuß
der andern Schweizer Regimenter, die in Dienſten der
Republik ſind, zu ſetzen. Die Stadt Amſterdam hatte
beſonders dieſe Sache ſehr lebhaft getrieben, welche
aber dennoch nicht ſtatt fand. Jetzt ſagt man, daß der
letzte Punkt von neuem aufs Tapet gebracht worden,
ſeit der Zeit der Capitain von der Hollaͤndiſchen Garde
verwundet iſt, welches man den Schweizern zuſchreibet.
Da dies eine ſehr bedenkliche Sache iſt, ſo kann man
noch nichts Gewiſſes davon berichten. Man glaubt aber
nicht ohne Grund, daß ſie wol zu Stande kommen
duͤrfte.

Vor einigen Tagen iſt ein Rußiſcher Oberſter durch
den Haag als Courier nach London gegangen, deſſen
Depeſchen von aͤußerſter Wichtigkeit geweſen ſeyn ſollen.
Auch hat ſich daſelbſt ein reicher Kaufmann, der mit
Engliſchen und Franzoͤſiſchen Fabrikwaaren handelt, an
ſeinem 61ſten Geburtstage in ſeinem Gartenhauſe an
die Fenſter-Gardinſchnur wohlbedaͤchtlich aufgehenkt.



Von gelehrten Sachen.
Romanzen.

Ob ſich gleich der Dichter dieſer
Romanzen nicht genannt hat, ſo wird man doch unſern
Herrn Doctor Schiebeler als Verfaſſer derſelben nicht
[Spaltenumbruch] verkennen, wenn man auch nur eine davon geleſen hat.
Sie verdienen, denjenigen, welche in ſeinen muſikaliſchen
Gedichten ſtehen, und mit allgemeinem Beyfall aufge-
nommen worden, an die Seite geſetzt zu werden, und
den Liebhabern der Tonkunſt koͤnnen wir die angenehme
Hoffnung machen, daß dieſe ſowol, als die uͤbrigen noch
nicht in Muſik geſetzte Romanzen des Herrn Doctors
bald mit Melodien, ſo wie die 6 erſten, erſcheinen wer-
den. Die Reiſe nach dem Parnaſſus iſt in dieſer
Sammlung die erſte, die der Beſcheidenheit des Dich-
ters Ehre macht. Es folgen Ariadne und Theſeus;
der Fall des Vulkanus, deren Moral alle eiferſuͤchtige
Ehemaͤnner wohl zu beherzigen haben:

Ihr Maͤnner, die Geſchichte
Dient euch zum Unterrichte,
Gebt treuem Rath Gehoͤr,
Folgt ihr dem eiteln Scheine,
So brech euch Zeus die Beine,
Und noch ein Bischen mehr.

Die Platoniſche Liebe, Ruͤbenzal, und Lied eines
Nachtwaͤchters an ein allerliebſtes Maͤdchen von
vier Jahren
, welches wir ganz mittheilen wollen:

Die Glock’ iſt neun, neun iſt die Glocke!
Weg mit den Bildern und der Docke!
Zu Bette, liebſtes Kind!
Hoͤr’ an, was Maͤdchen wiederfaͤhret,
Die, wenn mein Ruf ſie ſchlafen lehret,
Nicht fein gehorſam ſind.
Es war vor langen langen Zeiten
Ein Maͤdchen reich an Lieblichkeiten,
Und innig, mein Kind, wie du!
Ein einziger Fehler war ihr eigen;
Nie wollte ſie ſich folgſam zeigen
Zur Zeit der Abendruh.
Einſt, als es eben neun geſchlagen,
Und ſie mit Weinen und mit Klagen
Der Amme widerſtand,
Erſchien die ſtrenge Karaboſſe,
Und fuͤhrte ſie nach ihrem Schloſſe,
In ein entferntes Land.
Sie trug ſie in ein duͤſeres Zimmer,
Und rief: Du, Maͤdchen, wachſe nimmer,
Weil du nicht artig biſt.
Nie ſollſt du, bey vermehrten Jahren,
Das angenehme Gluͤck erfahren,
Wie ſanft ein Juͤngling kuͤßt.
Vollzogen ward ihr hartes Drohen;
Es waren ſechszehn Jahr entflohen,
Und dennoch wuchs ſie nie.
Man gab ihr trocknes Brodt zur Speiſe,
Statt Torten gab man ihr Verweiſe,
Ach, ach wie weinte ſie!
Darum, du reizende Fikette,
Sey huͤbſch gehorſam, geh zu Bette,
Geſchwinde, geh hinein!
Sonſt kommt die Fee, dich wegzufuͤhren,
Kein Ach, kein Weinen wird ſie ruͤhren,
Und du bleibſt immer klein.
Ihr lacht, ihr lieben Herrn und Frauen,
Ach habt, ich warn’ euch im Vertrauen,
Habt auf euch ſelbſt nur Acht,
Ihr ſeyd nicht minder zu beſtrafen,
Das Maͤdchen will vor neun nicht ſchlafen,
Ihr nicht vor Mitternacht.
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                <l>Er&#x017F;chien die &#x017F;trenge Karabo&#x017F;&#x017F;e,<lb/></l>
                <l>Und fu&#x0364;hrte &#x017F;ie nach ihrem Schlo&#x017F;&#x017F;e,<lb/></l>
                <l>In ein entferntes Land.<lb/></l>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Sie trug &#x017F;ie in ein du&#x0364;&#x017F;eres Zimmer,<lb/></l>
                <l>Und rief: Du, Ma&#x0364;dchen, wach&#x017F;e nimmer,<lb/></l>
                <l>Weil du nicht artig bi&#x017F;t.<lb/></l>
                <l>Nie &#x017F;oll&#x017F;t du, bey vermehrten Jahren,<lb/></l>
                <l>Das angenehme Glu&#x0364;ck erfahren,<lb/></l>
                <l>Wie &#x017F;anft ein Ju&#x0364;ngling ku&#x0364;ßt.<lb/></l>
              </lg>
              <lg n="5">
                <l>Vollzogen ward ihr hartes Drohen;<lb/></l>
                <l>Es waren &#x017F;echszehn Jahr entflohen,<lb/></l>
                <l>Und dennoch wuchs &#x017F;ie nie.<lb/></l>
                <l>Man gab ihr trocknes Brodt zur Spei&#x017F;e,<lb/></l>
                <l>Statt Torten gab man ihr Verwei&#x017F;e,<lb/></l>
                <l>Ach, ach wie weinte &#x017F;ie!<lb/></l>
              </lg>
              <lg n="6">
                <l>Darum, du reizende Fikette,<lb/></l>
                <l>Sey hu&#x0364;b&#x017F;ch gehor&#x017F;am, geh zu Bette,<lb/></l>
                <l>Ge&#x017F;chwinde, geh hinein!<lb/></l>
                <l>Son&#x017F;t kommt die Fee, dich wegzufu&#x0364;hren,<lb/></l>
                <l>Kein Ach, kein Weinen wird &#x017F;ie ru&#x0364;hren,<lb/></l>
                <l>Und du bleib&#x017F;t immer klein.<lb/></l>
              </lg>
              <lg n="7">
                <l>Ihr lacht, ihr lieben Herrn und Frauen,<lb/></l>
                <l>Ach habt, ich warn&#x2019; euch im Vertrauen,<lb/></l>
                <l>Habt auf euch &#x017F;elb&#x017F;t nur Acht,<lb/></l>
                <l>Ihr &#x017F;eyd nicht minder zu be&#x017F;trafen,<lb/></l>
                <l>Das Ma&#x0364;dchen will vor neun nicht &#x017F;chlafen,<lb/></l>
                <l>Ihr nicht vor Mitternacht.<lb/></l>
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            </lg>
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[[3]/0003] eingelaufen ist, daß allda noch immer mit Aushebung der zum Kriegsſtande tauglichen Mannſchaft fortgefah- ren werde. Gleiche Aushebung ſoll nun auch hier ehe- ſtens den Anfang nehmen, weswegen von Seiten der Kreiß-Aemter ſchon der vorlaͤufige Befehl ergangen iſt, daß alle Herrſchaften und Eltern ihre abweſende Unterthanen und Soͤhne, auch die, ſo hier in Wien be- findlich ſind, zu beſtimmter Zeit nach Hauſe rufen ſollen. Der Kayſerl. Koͤnigl. Hof befindet ſich noch immer zu Laxenburg, und wohnt den Kriegsuͤbungen der dort campirenden Truppen bey. Statt der ausgeruͤckten Truppen ſind nun die aus Italien und den Niederlan- den kommende, in gedachtes Lager eingeruͤckt. Man hoͤrt von großen Schaͤden, welche durch die Ueber- ſchwemmung der Waſſer uͤberall verurſachet worden. An der hieſigen großen Taborbruͤcke hat das reißende Waſſer letzthin 3 Joche mit ſich fortgefuͤhrt, daher die Ueberfahrt zu Nußdorf geſchehen muͤſſen. Eben eine dergleichen Ergießung hat ſich auch in Boͤhmen geaͤußert, und mel- den die Berichte von Prag, daß das wuͤthende Waſſer mehr als 10000 Klaftern weggeſchwemmet habe. Die Opera Armide wird mit groͤßtem Beyfall hier aufgefuͤhret; aber die uͤbrigen Schauſpiele werden nicht ſtark beſucht. Die Franzoͤſiſche Schaubuͤhne wird gar aufgehoben werden, weil die Koſten die Einnahme weit uͤberſteigen. Se. Excellenz, der Graf von Hatzfeld iſt zum Boͤh- miſchen Hofkanzler, an die Stelle des Herrn Grafen von Choteck, ernannt worden. Stralſund, den 29 Junii. Am 27ſten dieſes verſtarb hier nach einer langwieri- gen Krankheit der Graf Brahe, einziger Sohn des Gra- fen dieſes Namens erſter Ehe. Die anſehnlichen Guͤter des Verſtorbenen fallen nun auf den juͤngeren Bruder letzter Ehe, und letzten Grafen dieſes Namens. Niederrheinſtrom, vom 29 Junii. Waͤhrend der Regierung der verſtorbenen verwitt- weten Prinzeßinn von Oranien, da der jetztregierende Erbſtatthalter noch minderjaͤhrig war, hatte man oft den Vorſchlag gethan, den großen Kriegsrath aufzuhe- ben, und das Regiment Schweizergarde auf den Fuß der andern Schweizer Regimenter, die in Dienſten der Republik ſind, zu ſetzen. Die Stadt Amſterdam hatte beſonders dieſe Sache ſehr lebhaft getrieben, welche aber dennoch nicht ſtatt fand. Jetzt ſagt man, daß der letzte Punkt von neuem aufs Tapet gebracht worden, ſeit der Zeit der Capitain von der Hollaͤndiſchen Garde verwundet iſt, welches man den Schweizern zuſchreibet. Da dies eine ſehr bedenkliche Sache iſt, ſo kann man noch nichts Gewiſſes davon berichten. Man glaubt aber nicht ohne Grund, daß ſie wol zu Stande kommen duͤrfte. Vor einigen Tagen iſt ein Rußiſcher Oberſter durch den Haag als Courier nach London gegangen, deſſen Depeſchen von aͤußerſter Wichtigkeit geweſen ſeyn ſollen. Auch hat ſich daſelbſt ein reicher Kaufmann, der mit Engliſchen und Franzoͤſiſchen Fabrikwaaren handelt, an ſeinem 61ſten Geburtstage in ſeinem Gartenhauſe an die Fenſter-Gardinſchnur wohlbedaͤchtlich aufgehenkt. Von gelehrten Sachen. “Romanzen.Hamburg, gedruckt und verlegt von “M. C. Bock. 1771.” Ob ſich gleich der Dichter dieſer Romanzen nicht genannt hat, ſo wird man doch unſern Herrn Doctor Schiebeler als Verfaſſer derſelben nicht verkennen, wenn man auch nur eine davon geleſen hat. Sie verdienen, denjenigen, welche in ſeinen muſikaliſchen Gedichten ſtehen, und mit allgemeinem Beyfall aufge- nommen worden, an die Seite geſetzt zu werden, und den Liebhabern der Tonkunſt koͤnnen wir die angenehme Hoffnung machen, daß dieſe ſowol, als die uͤbrigen noch nicht in Muſik geſetzte Romanzen des Herrn Doctors bald mit Melodien, ſo wie die 6 erſten, erſcheinen wer- den. Die Reiſe nach dem Parnaſſus iſt in dieſer Sammlung die erſte, die der Beſcheidenheit des Dich- ters Ehre macht. Es folgen Ariadne und Theſeus; der Fall des Vulkanus, deren Moral alle eiferſuͤchtige Ehemaͤnner wohl zu beherzigen haben: Ihr Maͤnner, die Geſchichte Dient euch zum Unterrichte, Gebt treuem Rath Gehoͤr, Folgt ihr dem eiteln Scheine, So brech euch Zeus die Beine, Und noch ein Bischen mehr. Die Platoniſche Liebe, Ruͤbenzal, und Lied eines Nachtwaͤchters an ein allerliebſtes Maͤdchen von vier Jahren, welches wir ganz mittheilen wollen: Die Glock’ iſt neun, neun iſt die Glocke! Weg mit den Bildern und der Docke! Zu Bette, liebſtes Kind! Hoͤr’ an, was Maͤdchen wiederfaͤhret, Die, wenn mein Ruf ſie ſchlafen lehret, Nicht fein gehorſam ſind. Es war vor langen langen Zeiten Ein Maͤdchen reich an Lieblichkeiten, Und innig, mein Kind, wie du! Ein einziger Fehler war ihr eigen; Nie wollte ſie ſich folgſam zeigen Zur Zeit der Abendruh. Einſt, als es eben neun geſchlagen, Und ſie mit Weinen und mit Klagen Der Amme widerſtand, Erſchien die ſtrenge Karaboſſe, Und fuͤhrte ſie nach ihrem Schloſſe, In ein entferntes Land. Sie trug ſie in ein duͤſeres Zimmer, Und rief: Du, Maͤdchen, wachſe nimmer, Weil du nicht artig biſt. Nie ſollſt du, bey vermehrten Jahren, Das angenehme Gluͤck erfahren, Wie ſanft ein Juͤngling kuͤßt. Vollzogen ward ihr hartes Drohen; Es waren ſechszehn Jahr entflohen, Und dennoch wuchs ſie nie. Man gab ihr trocknes Brodt zur Speiſe, Statt Torten gab man ihr Verweiſe, Ach, ach wie weinte ſie! Darum, du reizende Fikette, Sey huͤbſch gehorſam, geh zu Bette, Geſchwinde, geh hinein! Sonſt kommt die Fee, dich wegzufuͤhren, Kein Ach, kein Weinen wird ſie ruͤhren, Und du bleibſt immer klein. Ihr lacht, ihr lieben Herrn und Frauen, Ach habt, ich warn’ euch im Vertrauen, Habt auf euch ſelbſt nur Acht, Ihr ſeyd nicht minder zu beſtrafen, Das Maͤdchen will vor neun nicht ſchlafen, Ihr nicht vor Mitternacht.

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Britt-Marie Schuster, Manuel Wille, Arnika Lutz, Fabienne Wollny: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-07-07T12:30:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

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Zitationshilfe: Staats- und Gelehrte Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 107, Hamburg, 5. Julii 1771, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1070507_1771/3>, abgerufen am 09.11.2024.