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Staats- und Gelehrte Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 118, Hamburg, 24. Julii 1771.

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Mit allergnädigster Kayserlichen Freyheit.
Staats- und [Abbildung] Gelehrte
Zei- [Abbildung] tung

Des Hamburgischen unpartheyischen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1771.     (Am Mittewochen, den 24 Julii.)    
Num. 118.



[Beginn Spaltensatz]

Der General-Quartiermeister, Graf Gregorius Gre-
goriewitz Orlow, macht sich zu einer Reise nach Stock-
holm fertig, um an dem dortigen Hofe eine wichtige
Commißion auszurichten.

Es liegen 2 neuerbaute Kriegsschiffe fertig, die vom
Stapel ablaufen können, und nach der Levante bestimmt
waren. Für die beyden Herrn Grafen von Orlow, die
bey der Flotte sind, werden hier, auf Befehl der Kayse-
rinn, wie man sagt, zween große Palläste erbauet.

Fortsetzung der Wünsche der Griechen an das
christliche Europa.

Eben diese Ursache, die Ausübung der christlichen
Religion von der Verfolgung zu befreyen, und das Ver-
langen, nach abgeworfenem Joche solcher unbändigen
Herren, nach den Gesetzen zu leben, weshalb wir ehe-
mals mit den Venetianern und dem Hause Oesterreich
die Waffen ergriffen haben; eben diese Ursache, sagen
wir, hat endlich unsern Muth angefeuert, daß wir uns
entschlossen haben, die Waffen der unüberwindlichen
Heldinn zu begünstigen, welche über Rußland herrschet,
welche durch ihre weise Vorsorge, durch ihre leutseligste
und kluge Gesetzgebung die beständige Glückseligkeit so
vieler ihr unterworfenen Völker bevestiget, welche, ge-
zwungen, den Türken zu bekriegen, der sie zuerst ange-
griffen hatte, nur deshalb den Lauf ihrer Siege weiter
fortzusetzen scheinet, um einen gemeinschaftlichen Feind
zu vertilgen, und andern auch diejenige Glückseligkeit
zufließen zu lassen, welche ihre Unterthanen Derselben
zu danken haben. Die Geschwindigkeit und Größe
ihrer Siege, und die Demüthigung unsers Tyrannen
ließ uns schon den Augenblick unserer Befreyung als ge-
genwärtig glauben. Wir schmeichelten uns mit Grunde,
daß wir unter dem Schutze einer so großmüthigen Be-
freyerinn, nach unsern eigenen Gesetzen hätten leben
können, und daß Griechenland durch eine gute Anwen-
dung der erlangten Freyheit in wenig Jahren zu seinem
vorigen Glanze wieder gelangen würde. Die Hoffnung
[Spaltenumbruch] eines so großen Gutes entfernt sich nun wieder plötzlich
von uns, und die sehr gegründete Vorstellung der schreck-
lichsten Martern, welche der Tyrann aus Rache und
Staatsursachen uns zubereitet, erfüllt uns mit dem
äußersten Kummer. Wir haben Grund zu befürchten,
daß die siegreichen Rußischen Waffen nicht des Feindes,
sondern anderer Ursachen wegen aufgehalten werden.
Gott bewahre uns vor dieser unglücklichen Prophezei-
hung. Unser völliger Untergang ist das kleinste Uebel,
welches uns dabey zustoßen kann. Wir zittern viel-
mehr vor der Kleinmüthigkeit der Schwachen, welche
die grausamen Zubereitungen zu ihrer Marter nicht
werden ertragen können, sondern Christum verlassen, und
vielleicht das gegenwärtige Leben ihrem ewigen Heil vor-
ziehen werden.

Dasjenige, was jetzt bey uns vorgegangen ist, da die
Türken, noch ihres Schicksals ungewiß, die Ahndung
und die gerechte Bestrafung ihrer Ueberwinder befürch-
ten müssen, lehret uns zur Genüge, was erfolgen werde,
wenn sie, von aller Unterwürfigkeit frey, der Rache und
der Wuth werden den Zügel schießen lassen können.
In Morea haben Männer und Weiber, Alte und Junge,
Schuldige und Unschuldige einerley Marter leiden müs-
sen. Die Jungfrauen sind ermordet, nachdem sie den
viehischen Begierden der Soldaten ein Genüge leisten
müssen, und diese Abscheulichkeit kommt denen, welche
von der Gewohnheit einer solchen barbarischen Rache
keine völlige Nachricht haben, unglaublich vor. Die
Tempel sind verschlossen, alle Priester umgebracht, alle
Religionsübung bey Todesstrafe verboten. Die Auf-
tritte zu Smirna und Thessalonich nach dem Seetreffen
von Chesme sind in ganz Europa bekannt. Der letzte
von Larissa ist von den in Morea nicht verschieden gewe-
sen, in so fern eine falsche Voraussetzung den Vorwand
dazu hergegeben.

Vielleicht aber werden Verträge, Mediationen, Garan-
tien die Ottomannische Regierung zwingen, die Ausschwei-
fungen der Soldaten im Zaume zu halten? Dasjenige,
[Spaltenumbruch]

Mit allergnaͤdigſter Kayſerlichen Freyheit.
Staats- und [Abbildung] Gelehrte
Zei- [Abbildung] tung

Des Hamburgiſchen unpartheyiſchen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1771.     (Am Mittewochen, den 24 Julii.)    
Num. 118.



[Beginn Spaltensatz]

Der General-Quartiermeiſter, Graf Gregorius Gre-
goriewitz Orlow, macht ſich zu einer Reiſe nach Stock-
holm fertig, um an dem dortigen Hofe eine wichtige
Commißion auszurichten.

Es liegen 2 neuerbaute Kriegsſchiffe fertig, die vom
Stapel ablaufen koͤnnen, und nach der Levante beſtimmt
waren. Fuͤr die beyden Herrn Grafen von Orlow, die
bey der Flotte ſind, werden hier, auf Befehl der Kayſe-
rinn, wie man ſagt, zween große Pallaͤſte erbauet.

Fortſetzung der Wuͤnſche der Griechen an das
chriſtliche Europa.

Eben dieſe Urſache, die Ausuͤbung der chriſtlichen
Religion von der Verfolgung zu befreyen, und das Ver-
langen, nach abgeworfenem Joche ſolcher unbaͤndigen
Herren, nach den Geſetzen zu leben, weshalb wir ehe-
mals mit den Venetianern und dem Hauſe Oeſterreich
die Waffen ergriffen haben; eben dieſe Urſache, ſagen
wir, hat endlich unſern Muth angefeuert, daß wir uns
entſchloſſen haben, die Waffen der unuͤberwindlichen
Heldinn zu beguͤnſtigen, welche uͤber Rußland herrſchet,
welche durch ihre weiſe Vorſorge, durch ihre leutſeligſte
und kluge Geſetzgebung die beſtaͤndige Gluͤckſeligkeit ſo
vieler ihr unterworfenen Voͤlker beveſtiget, welche, ge-
zwungen, den Tuͤrken zu bekriegen, der ſie zuerſt ange-
griffen hatte, nur deshalb den Lauf ihrer Siege weiter
fortzuſetzen ſcheinet, um einen gemeinſchaftlichen Feind
zu vertilgen, und andern auch diejenige Gluͤckſeligkeit
zufließen zu laſſen, welche ihre Unterthanen Derſelben
zu danken haben. Die Geſchwindigkeit und Groͤße
ihrer Siege, und die Demuͤthigung unſers Tyrannen
ließ uns ſchon den Augenblick unſerer Befreyung als ge-
genwaͤrtig glauben. Wir ſchmeichelten uns mit Grunde,
daß wir unter dem Schutze einer ſo großmuͤthigen Be-
freyerinn, nach unſern eigenen Geſetzen haͤtten leben
koͤnnen, und daß Griechenland durch eine gute Anwen-
dung der erlangten Freyheit in wenig Jahren zu ſeinem
vorigen Glanze wieder gelangen wuͤrde. Die Hoffnung
[Spaltenumbruch] eines ſo großen Gutes entfernt ſich nun wieder ploͤtzlich
von uns, und die ſehr gegruͤndete Vorſtellung der ſchreck-
lichſten Martern, welche der Tyrann aus Rache und
Staatsurſachen uns zubereitet, erfuͤllt uns mit dem
aͤußerſten Kummer. Wir haben Grund zu befuͤrchten,
daß die ſiegreichen Rußiſchen Waffen nicht des Feindes,
ſondern anderer Urſachen wegen aufgehalten werden.
Gott bewahre uns vor dieſer ungluͤcklichen Prophezei-
hung. Unſer voͤlliger Untergang iſt das kleinſte Uebel,
welches uns dabey zuſtoßen kann. Wir zittern viel-
mehr vor der Kleinmuͤthigkeit der Schwachen, welche
die grauſamen Zubereitungen zu ihrer Marter nicht
werden ertragen koͤnnen, ſondern Chriſtum verlaſſen, und
vielleicht das gegenwaͤrtige Leben ihrem ewigen Heil vor-
ziehen werden.

Dasjenige, was jetzt bey uns vorgegangen iſt, da die
Tuͤrken, noch ihres Schickſals ungewiß, die Ahndung
und die gerechte Beſtrafung ihrer Ueberwinder befuͤrch-
ten muͤſſen, lehret uns zur Genuͤge, was erfolgen werde,
wenn ſie, von aller Unterwuͤrfigkeit frey, der Rache und
der Wuth werden den Zuͤgel ſchießen laſſen koͤnnen.
In Morea haben Maͤnner und Weiber, Alte und Junge,
Schuldige und Unſchuldige einerley Marter leiden muͤſ-
ſen. Die Jungfrauen ſind ermordet, nachdem ſie den
viehiſchen Begierden der Soldaten ein Genuͤge leiſten
muͤſſen, und dieſe Abſcheulichkeit kommt denen, welche
von der Gewohnheit einer ſolchen barbariſchen Rache
keine voͤllige Nachricht haben, unglaublich vor. Die
Tempel ſind verſchloſſen, alle Prieſter umgebracht, alle
Religionsuͤbung bey Todesſtrafe verboten. Die Auf-
tritte zu Smirna und Theſſalonich nach dem Seetreffen
von Chesme ſind in ganz Europa bekannt. Der letzte
von Lariſſa iſt von den in Morea nicht verſchieden gewe-
ſen, in ſo fern eine falſche Vorausſetzung den Vorwand
dazu hergegeben.

Vielleicht aber werden Vertraͤge, Mediationen, Garan-
tien die Ottomanniſche Regierung zwingen, die Ausſchwei-
fungen der Soldaten im Zaume zu halten? Dasjenige,
[Spaltenumbruch]

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[[1]/0001] Mit allergnaͤdigſter Kayſerlichen Freyheit. Staats- und [Abbildung] Gelehrte Zei- [Abbildung] tung Des Hamburgiſchen unpartheyiſchen CORRESPONDENTEN. Anno 1771. (Am Mittewochen, den 24 Julii.) Num. 118. Petersburg, den 5 Julii. Der General-Quartiermeiſter, Graf Gregorius Gre- goriewitz Orlow, macht ſich zu einer Reiſe nach Stock- holm fertig, um an dem dortigen Hofe eine wichtige Commißion auszurichten. Es liegen 2 neuerbaute Kriegsſchiffe fertig, die vom Stapel ablaufen koͤnnen, und nach der Levante beſtimmt waren. Fuͤr die beyden Herrn Grafen von Orlow, die bey der Flotte ſind, werden hier, auf Befehl der Kayſe- rinn, wie man ſagt, zween große Pallaͤſte erbauet. Fortſetzung der Wuͤnſche der Griechen an das chriſtliche Europa. Eben dieſe Urſache, die Ausuͤbung der chriſtlichen Religion von der Verfolgung zu befreyen, und das Ver- langen, nach abgeworfenem Joche ſolcher unbaͤndigen Herren, nach den Geſetzen zu leben, weshalb wir ehe- mals mit den Venetianern und dem Hauſe Oeſterreich die Waffen ergriffen haben; eben dieſe Urſache, ſagen wir, hat endlich unſern Muth angefeuert, daß wir uns entſchloſſen haben, die Waffen der unuͤberwindlichen Heldinn zu beguͤnſtigen, welche uͤber Rußland herrſchet, welche durch ihre weiſe Vorſorge, durch ihre leutſeligſte und kluge Geſetzgebung die beſtaͤndige Gluͤckſeligkeit ſo vieler ihr unterworfenen Voͤlker beveſtiget, welche, ge- zwungen, den Tuͤrken zu bekriegen, der ſie zuerſt ange- griffen hatte, nur deshalb den Lauf ihrer Siege weiter fortzuſetzen ſcheinet, um einen gemeinſchaftlichen Feind zu vertilgen, und andern auch diejenige Gluͤckſeligkeit zufließen zu laſſen, welche ihre Unterthanen Derſelben zu danken haben. Die Geſchwindigkeit und Groͤße ihrer Siege, und die Demuͤthigung unſers Tyrannen ließ uns ſchon den Augenblick unſerer Befreyung als ge- genwaͤrtig glauben. Wir ſchmeichelten uns mit Grunde, daß wir unter dem Schutze einer ſo großmuͤthigen Be- freyerinn, nach unſern eigenen Geſetzen haͤtten leben koͤnnen, und daß Griechenland durch eine gute Anwen- dung der erlangten Freyheit in wenig Jahren zu ſeinem vorigen Glanze wieder gelangen wuͤrde. Die Hoffnung eines ſo großen Gutes entfernt ſich nun wieder ploͤtzlich von uns, und die ſehr gegruͤndete Vorſtellung der ſchreck- lichſten Martern, welche der Tyrann aus Rache und Staatsurſachen uns zubereitet, erfuͤllt uns mit dem aͤußerſten Kummer. Wir haben Grund zu befuͤrchten, daß die ſiegreichen Rußiſchen Waffen nicht des Feindes, ſondern anderer Urſachen wegen aufgehalten werden. Gott bewahre uns vor dieſer ungluͤcklichen Prophezei- hung. Unſer voͤlliger Untergang iſt das kleinſte Uebel, welches uns dabey zuſtoßen kann. Wir zittern viel- mehr vor der Kleinmuͤthigkeit der Schwachen, welche die grauſamen Zubereitungen zu ihrer Marter nicht werden ertragen koͤnnen, ſondern Chriſtum verlaſſen, und vielleicht das gegenwaͤrtige Leben ihrem ewigen Heil vor- ziehen werden. Dasjenige, was jetzt bey uns vorgegangen iſt, da die Tuͤrken, noch ihres Schickſals ungewiß, die Ahndung und die gerechte Beſtrafung ihrer Ueberwinder befuͤrch- ten muͤſſen, lehret uns zur Genuͤge, was erfolgen werde, wenn ſie, von aller Unterwuͤrfigkeit frey, der Rache und der Wuth werden den Zuͤgel ſchießen laſſen koͤnnen. In Morea haben Maͤnner und Weiber, Alte und Junge, Schuldige und Unſchuldige einerley Marter leiden muͤſ- ſen. Die Jungfrauen ſind ermordet, nachdem ſie den viehiſchen Begierden der Soldaten ein Genuͤge leiſten muͤſſen, und dieſe Abſcheulichkeit kommt denen, welche von der Gewohnheit einer ſolchen barbariſchen Rache keine voͤllige Nachricht haben, unglaublich vor. Die Tempel ſind verſchloſſen, alle Prieſter umgebracht, alle Religionsuͤbung bey Todesſtrafe verboten. Die Auf- tritte zu Smirna und Theſſalonich nach dem Seetreffen von Chesme ſind in ganz Europa bekannt. Der letzte von Lariſſa iſt von den in Morea nicht verſchieden gewe- ſen, in ſo fern eine falſche Vorausſetzung den Vorwand dazu hergegeben. Vielleicht aber werden Vertraͤge, Mediationen, Garan- tien die Ottomanniſche Regierung zwingen, die Ausſchwei- fungen der Soldaten im Zaume zu halten? Dasjenige,

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Britt-Marie Schuster, Manuel Wille, Arnika Lutz, Fabienne Wollny: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-07-07T12:30:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

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Zitationshilfe: Staats- und Gelehrte Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 118, Hamburg, 24. Julii 1771, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1182407_1771/1>, abgerufen am 21.11.2024.