Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 132, Hamburg, 5. Juni 1832.[Spaltenumbruch]
nationalen Erfordernissen angemessene und noth- Schreiben aus Berlin, vom 2 Juni. Wie sehr unsers Königs Maj. bei Gelegenheit der "Mit großer Theilnahme habe Jch aus Jhrer An- Berlin, den 10 Mai 1832. (Gez.) Friedrich Wilhelm." An den Staats- und Cabinets-Minister, Grafen v. Bernstorff. Da J. Maj. die Kaiserin von Rußland Jhrer Das Treiben und die Bewegung von Courieren [Spaltenumbruch]
nationalen Erforderniſſen angemeſſene und noth- Schreiben aus Berlin, vom 2 Juni. Wie ſehr unſers Königs Maj. bei Gelegenheit der “Mit großer Theilnahme habe Jch aus Jhrer An- Berlin, den 10 Mai 1832. (Gez.) Friedrich Wilhelm.” An den Staats- und Cabinets-Miniſter, Grafen v. Bernſtorff. Da J. Maj. die Kaiſerin von Rußland Jhrer Das Treiben und die Bewegung von Courieren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jPoliticalNews"> <div xml:id="ar005" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0005" n="[5]"/><cb/> nationalen Erforderniſſen angemeſſene und noth-<lb/> wendige Veränderungen gemacht worden. 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Von den-<lb/> jenigen Staaten, welche den Grundſatz der Nicht-<lb/> intervention zuerſt aufgeſtellt und ins neuere Völker-<lb/> recht eingeführt haben, würde dieſes Unternehmen<lb/> höchſt überraſchend ſeyn. Griechenland, Belgien<lb/> und der Kirchenſtaat fühlten ſich zu ohnmächtig<lb/> ihre innern Angelegenheiten ohne Jntervention, um<lb/> welche ſie ſelbſt anſuchten, ordnen zu können. Das<lb/> mit Rußland vereinigte Polen leidet an dieſer<lb/> Schwäche nicht. Sollte indeſſen jener Grundſatz<lb/> des jetzigen Völkerrechts nicht weiter gelten, ſo wür-<lb/> den die Folgen und Uebel davon unabſehbar ſeyn.<lb/> Und zu dieſem, fürwahr nicht wünſchenswerthen Zu-<lb/> ſtande des öffentlichen Lebens in Europa, hätte<lb/> Rußland nicht die entfernteſte Veranlaſſung gegeben.<lb/> Denn zur Widerlegung der Behauptung von Polens<lb/> Einverleibung mit Rußland iſt nichts nöthig, als<lb/> ohne Vorurtheil leſen zu können, weil der Buch-<lb/> ſtabe des Statuts auf das Allerbeſtimmteſte von<lb/><hi rendition="#fr">Vereinigung</hi> <hi rendition="#aq">(Réunion)</hi> und nicht von <hi rendition="#fr">Einverlei-<lb/> bung</hi> <hi rendition="#aq">(Incorporation)</hi> ſpricht. Wer daher nicht<lb/> abſichtlich Jrrlichter ſehen will, wo keine ſind, dem<lb/> wird es unmöglich ſeyn, beide ſo weſentlich verſchie-<lb/> dene Begriffe zuſammen zu verwechſeln. 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nationalen Erforderniſſen angemeſſene und noth-
wendige Veränderungen gemacht worden. Wir er-
innern hier daran: daß in ähnlichem Zuſtande der
Dinge, mit dem Beifalle von ganz Alt-England,
der charter der Provinz Maſſachuſets annullirt
wurde, obſchon derſelbe dort geſchichtlich beſtehen-
des Landrecht war, und durch die Parlaments-Acte,
welche jenen Freibrief aufhob, die Rechte der Pro-
vinz gaͤnzlich vernichtet wurden. Wenn nun fremde
Mächte ſich in die innern Angelegenheiten eines
unabhängigen Staats einmiſchen wollten, ſo würde
ſolches ein Angriff auf das beſtehende Völkerrecht
ſeyn, welcher hier nicht ſowohl Rußland als die
Freiheit und Unabhängigkeit aller Mittelſtaaten
Europa’s — die ohne alle Autonomie in Zukunft
daſtänden — empfindlich verletzen würde. Von den-
jenigen Staaten, welche den Grundſatz der Nicht-
intervention zuerſt aufgeſtellt und ins neuere Völker-
recht eingeführt haben, würde dieſes Unternehmen
höchſt überraſchend ſeyn. Griechenland, Belgien
und der Kirchenſtaat fühlten ſich zu ohnmächtig
ihre innern Angelegenheiten ohne Jntervention, um
welche ſie ſelbſt anſuchten, ordnen zu können. Das
mit Rußland vereinigte Polen leidet an dieſer
Schwäche nicht. Sollte indeſſen jener Grundſatz
des jetzigen Völkerrechts nicht weiter gelten, ſo wür-
den die Folgen und Uebel davon unabſehbar ſeyn.
Und zu dieſem, fürwahr nicht wünſchenswerthen Zu-
ſtande des öffentlichen Lebens in Europa, hätte
Rußland nicht die entfernteſte Veranlaſſung gegeben.
Denn zur Widerlegung der Behauptung von Polens
Einverleibung mit Rußland iſt nichts nöthig, als
ohne Vorurtheil leſen zu können, weil der Buch-
ſtabe des Statuts auf das Allerbeſtimmteſte von
Vereinigung (Réunion) und nicht von Einverlei-
bung (Incorporation) ſpricht. Wer daher nicht
abſichtlich Jrrlichter ſehen will, wo keine ſind, dem
wird es unmöglich ſeyn, beide ſo weſentlich verſchie-
dene Begriffe zuſammen zu verwechſeln. Nach allem
dieſen können wir mit Recht die Worte des Fürſten
Czartoryski aus erwähnter Rede wiederholen:
“Heute vereint das Schickſal durch den Mund des
Schöpfers, des Wohlthäters, des Königs, die pol-
niſche Nation mit dem verbrüderten, edlen, ruſſi-
ſchen Volke, deſſen Größe ſie nicht mehr erſchreckt,
ſondern ſichert.”
Schreiben aus Berlin, vom 2 Juni.
Wie ſehr unſers Königs Maj. bei Gelegenheit der
Veränderung in der oberen Leitung des Miniſte-
riums der auswärtigen Angelegenheiten die Ver-
dienſte des auch in dem übrigen Europa ſo allgemein
verehrten Grafen v. Bernſtorff anzuerkennen ge-
ruht haben, geht aus der nachſtehenden, an den-
ſelben unterm 10 d. M. erlaſſenen und hier bekannt
gewordenen Allerhöchſten Cabinets-Ordre hervor:
“Mit großer Theilnahme habe Jch aus Jhrer An-
zeige vom 30 v. M. erſehen, daß der immer mehr
geſchwächte Zuſtand Jhrer Geſundheit Sie in die
Nothwendigkeit verſetzt, auf eine gänzliche Entbin-
dung von den Geſchäften des mit ſo vieler Aus-
zeichnung und zu Meiner vollſten Zufriedenheit von
Jhnen geleiteten Miniſteriums der auswärtigen An-
gelegenheiten anzutragen. Aus Rückſicht auf Jhre
Erhaltung und zur Beförderung Jhrer Wiederher-
ſtellung dieſem Wunſche für jetzt nachgebend, habe
Jch den wirklichen Geheimen-Rath und Staats-
Secretär Ancillon zum Miniſter der auswärtigen An-
gelegenheiten ernannt, und überlaſſe Jhnen, dem-
ſelben auch diejenigen Geſchäfts-Branchen zu über-
weiſen, welche nach Meiner Ordre vom 25 Juli
v. J. Jhrer unmittelbaren Leitung vorbehalten wor-
den waren. Jch rechne dabei mit vollem Vertrauen
darauf, daß indem Sie als Staatsminiſter und Mitglied
des Staatsminiſteriums und des Staatsraths in
Wirkſamkeit bleiben, Sie auch ferner, wie bisher,
von dem Gange der politiſchen Verhandlungen voll-
ſtändige Kenntniß nehmen, den Miniſter Ancillon
dabei mit Jhrem Rathe und Jhrer Erfahrung un-
terſtützen, und Mir die Gelegenheit geben werden,
bei allen wichtigeren Veranlaſſungen Jhre An-
ſichten und Vorſchläge unmittelbar zu erfordern,
Jndem Jch Jhnen im Voraus Meine Genehmi-
gung zu jeder Reiſe, oder Bade-Aufenthalt, welche
Sie für den bevorſtehenden Sommer beabſichtigen
könnten, ertheile, wünſche Jch aufrichtig, daß ſolche,
ſo wie eine größere Geſchäftsruhe zur Wiederher-
ſtellung Jhrer Geſundheit beitragen möge. Wenn
dieſe Hoffnung erfüllt wird, und Sie ſich fähig
fühlen, wieder einen thätigen Antheil an den Ge-
ſchäften zu nehmen, werde Jch Jhrer Anzeige dar-
über entgegenſehen.
Berlin, den 10 Mai 1832.
(Gez.) Friedrich Wilhelm.”
An den Staats- und Cabinets-Miniſter,
Grafen v. Bernſtorff.
Da J. Maj. die Kaiſerin von Rußland Jhrer
Entbindung entgegenſehen, ſo werden Allerhöchſt-
dieſelben nicht, wie es anfänglich hieß, in dieſem
Jahre das Bad Ems beſuchen. Dagegen gedenken
zwei junge Großfürſtinnen das Bad bei Dobberan
zu gebrauchen, und man ſpricht davon, daß Se.
Maj. der König ebenfalls nach Dobberan gehen dürf-
ten, bevor Sie Jhre gewöhnliche Badereiſe nach
Töplitz antreten. Prinz Wilhelm, Sohn Sr. Maj.
des Königs, welcher ſich gegenwärtig auf einer Jn-
ſpectionsreiſe in Sachſen befindet, wird ſeiner Durch-
lauchtigſten Schweſter in St. Petersburg noch in
dieſem Sommer einen Beſuch abſtatten.
Das Treiben und die Bewegung von Courieren
und angeſehenen Militärperſonen, beſonders ruſſi-
ſchen, in unſrer Hauptſtadt iſt in den letzten Tagen
ſehr bedeutend geweſen. Die Fürſten Barclay de
Tolly und v. Wrede, beide in ruſſiſchen Dienſten,
ſind als Couriere über Berlin nach Dresden, von
wo der Letztere ſich nach Wien begiebt, gereiſt;
ebenfalls nach Dresden iſt der K. ſächſiſche General-
major v. Schreibershofen zurückgekehrt. Vorge-
ſtern traf auch der ruſſiſche Generalmajor v. Anrep,
bekannt durch ſeine Theilnahme am polniſchen
Kriege, aus St. Petersburg hier an. Der ruſſiſche
Geſandte, Hr. v. Ribeaupierre, iſt in Begleitung
des Fürſten Elin Metſchersky nach Stettin abge-
reiſt, vielleicht mit Bezug auf die Reiſe der Groß-
fürſtinnen, und der Geſandtſchafts-Attaché, Hr.
v. Gasnowski, als Courier nach St. Petersburg.
Aus letzterer Reſidenz iſt auch der ſpaniſche Cabi-
nets-Courier Uribarri hier eingetroffen, deſſen De-
peſchen ſich auf die portugieſiſchen Angelegenheiten
beziehen ſollen, an denen eine hohe Perſon, wie es heißt,
ſehr ernſtlichen Antheil nimmt. Mehrere der com-
mandirenden Generale unſrer Armee-Corps haben
ſich gleich nach Beendigung der Manöver wieder
auf ihre Poſten begeben, Freiherr v. Müffling nach
Münſter, Hr. v. Grolmann nach Poſen, Hr. v. Natz-
mer nach Königsberg, wo Letzterer die definitive Rück-
kehr der unſrem Staate noch immer zur Laſt fallen-
den Polen nach ihrem Vaterlande betreiben ſoll.
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