Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 94, 15. Juni 1746.[Spaltenumbruch]
wieder nach Versailles abreisen wolle. Zufolge Von gelehrten Sachen. Genauere Bestimmung der Sittlichkeit in dem Gebrauch der Künste. Wir haben vor einiger Zeit eine allgemeine Erin- * S. d. 32 Stück. 1746.
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wieder nach Verſailles abreiſen wolle. Zufolge Von gelehrten Sachen. Genauere Beſtimmung der Sittlichkeit in dem Gebrauch der Kuͤnſte. Wir haben vor einiger Zeit eine allgemeine Erin- * S. d. 32 Stuͤck. 1746.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jPoliticalNews"> <div type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="[3]"/><cb/> wieder nach Verſailles abreiſen wolle. Zufolge<lb/> Briefen von Namur vom 3ten dieſes waͤre ein Corps<lb/> Franzoͤſiſcher Truppen von 30000 Mann mit ihrer<lb/> ſchweren Artillerie bey Genappe angekom̃en. Man<lb/> hat allda befuͤrchtet, daß es Namur gelten wuͤrde.<lb/> Doch mit Abgang der Poſt hat man allda die Zeitung<lb/> gehabt, daß die Franzoſen vor Charleroy waͤren.<lb/> Mons iſt ſeit den 5ten dieſes von den Franzoſen be-<lb/> rennet, und die Feinde hoffen in wenig Tagen damit<lb/> fertig zu werden. Die Alliirte Armee bleibet in ih-<lb/> rem alten Lager in der bisherigen Stellung, und es<lb/> heißt, daß ſie vor ihren Linien ſogenannte Wolfshoͤ-<lb/> len graben wollen. Den 5ten iſt die Beſatzung des<lb/> Caſteels von Antwerpen im Lager zu Breda ange-<lb/> langet. Sie iſt mit vieler Hoͤflichkeit von den Fran-<lb/> zoſen bis vor die Linien eſcortiret worden. Der Ge-<lb/> neral-Major, Graf von Wied, und der Obriſt-Lieu-<lb/> tenant von Pizza, welche in der Citadelle commandi-<lb/> ret, haben ihre Capitulation dem Feld-Marſchall<lb/> Bathyani uͤbergeben, aus welcher erhellet, daß ſie<lb/> vollkommen frey iſt, und von der Alliirten Armee<lb/> kann genutzet werden, wo ſie will. Die Grenzen<lb/> der Republick werden von den Franzoſen nicht auf<lb/> das mindeſte beleidiget. Den 8ten iſt der Landgraf<lb/> Friedrich Jacob von Heſſen-Homburg, General der<lb/> Cavallerie, Gouverneur von dieſem Staate, Gou-<lb/> verneur zu Herzogenbuſch und der dazu gehoͤrigen<lb/> Forts, ꝛc. im 73 Jahre ſeines Alters, nach einge-<lb/> nom̃en Mittags mahl verſtorben, und geſtern Mittag<lb/> haben die General-Staaten den General, Baron<lb/> von Ginkel, unſerm Miniſter an dem Hofe zu Ber-<lb/> lin, wieder an deſſen Stelle ernannt. Briefe von<lb/> Bourdeaux melden, daß verſchiedene Hollaͤndiſche<lb/> Schiffe in Weſtindien genommen worden; da von<lb/> den letzten Schiffen von Martinique, auſſer den 5<lb/> verungluͤckten, und andern genommenen, noch 10<lb/> vermiſſet werden, fuͤr welche man ſehr beſorget iſt.<lb/> Ferner wird gemeldet, daß die mehreſten Guͤter von<lb/> den angekommenen Schiffen beſchaͤdigt ſind.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFeuilleton"> <head> <hi rendition="#c #fr">Von gelehrten Sachen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle"> <head> <hi rendition="#c">Genauere Beſtimmung der Sittlichkeit in dem<lb/> Gebrauch der Kuͤnſte.</hi> </head><lb/> <p>Wir haben vor einiger Zeit eine allgemeine Erin-<lb/> nerung von dem rechten Gebrauch und Mißbrauch<lb/> der Kuͤnſte gegeben;<note place="foot" n="*">S. d. 32 Stuͤck. 1746.</note> wir nehmen uns die Freyheit,<lb/><cb/> ein wenig genauer zu beſtimmen, worinnen der<lb/> rechte Gebrauch und Mißbrauch vorerwehnter<lb/> Kuͤnſte beſtehe. Daß die Muſic, Mahlerey und<lb/> Dichtkunſt, den Mitteln nach, deren ſie ſich in der<lb/> Nachahmung bedienen, unterſchieden ſind. Daß<lb/> ſich die Mahlerey der Zeichnungen und Farben, die<lb/> Muſic des Klanges und der Bewegungen, und folg-<lb/> lich natuͤrlicher Mittel, die Dichtkunſt aber ſich der<lb/> kuͤnſtlichen Mittel bediene. Dieſes wird ſehr wohl<lb/> und umſtaͤndlich gezeiget in einem Buch, welches<lb/> 1744 in Londen unter folgenden Titul zum Vor-<lb/> ſchein kam: <hi rendition="#aq">Three Treatiſes. The firſt, con-<lb/> cerning Art. The ſecond Muſic, Painting, and<lb/> Poetry. The Third concerning Happineß.</hi> Es<lb/> wird ferner gezeigt, wie man ſich dieſer Mittel ſo<lb/> wohl bey jeder Kunſt ins beſondre zur Nachahmung<lb/> bedienen muͤſſe, als auch, wie man ſich deren in Zu-<lb/> ſammenſetzung zweyer Kuͤnſte, z. E. der Muſic und<lb/> Dichtkunſt bedienen koͤnne. Weil die Kunſt in der<lb/> Nachahmung des Guten und Boͤſen, der Laſter und<lb/> Tugenden, ſich gleichguͤltig verhaͤlt, ſo wuͤrde der<lb/> Verfaſſer wohl gethan haben, wenn er noch gezeigt<lb/> haͤtte, wie man ſich in jeder Kunſt der Nachahmung<lb/> zu Befoͤrderung guter Sitten bedienen koͤnne. Doch<lb/> dieſes iſt vielleicht ſeiner Abſicht zuwider geweſen.<lb/> Es beruhet die Sittlichkeit bey den Gebrauch, und<lb/> die Schaͤdlichkeit bey den Mißbrauch der Kuͤnſte,<lb/> auf der Art der Zuſammenſetzung einzelner Bilder,<lb/> Umſtaͤnde und ſinnlichen Empfindungen. Es iſt<lb/> leichter bey einem, oder wenigen Perſonen, durch<lb/> Kuͤnſte etwas gutes zu ſtiften, als bey vielen zu-<lb/> gleich. Alſo wird nach unſern Europaͤiſchen Ge-<lb/> wohnheiten, ein nackend gemahltes Frauenzimmer<lb/> ſehr vielen aͤrgerlich ſcheinen, dahingegen wann es<lb/> die Wahrheit vorſtellt, und neben ihr eine andre<lb/> Perſon gemahlt wird, die ihr ein Kleid zuwirſt, ſo<lb/> iſt es wenigen, die keine verderbte Einbildungskraft<lb/> haben, ein Sittlich Bild. Wenn man in der Muſic<lb/> einerley Affect erregende Thoͤne ſich bedient, Tu-<lb/> genden und Laſter vorzuſtellen, ſo befoͤrdert im er-<lb/> ſten Fall die Kunſt bey einigen gute Sitten, wenn<lb/> die Tugend reitzend, und das Laſter abſcheulich vor-<lb/> geſtellt wird, im andern Fall, befoͤrdert die Kunſt<lb/> die Sclaverey der Affecten, wenn naͤmlich das La-<lb/> ſter angenehm, und die Tugend widrig vorgeſtellt<lb/> wird. Die Zuſammenſetzung der Thoͤne iſt biswei-<lb/> len ſo beſchaffen, daß man auf eine Melodey ein<lb/> gutes, und ein Buhlerlied dichten kann. Daher ge-<lb/> ſchiehet es, daß ein ſolches geiſtliches Lied denjeni-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[3]/0003]
wieder nach Verſailles abreiſen wolle. Zufolge
Briefen von Namur vom 3ten dieſes waͤre ein Corps
Franzoͤſiſcher Truppen von 30000 Mann mit ihrer
ſchweren Artillerie bey Genappe angekom̃en. Man
hat allda befuͤrchtet, daß es Namur gelten wuͤrde.
Doch mit Abgang der Poſt hat man allda die Zeitung
gehabt, daß die Franzoſen vor Charleroy waͤren.
Mons iſt ſeit den 5ten dieſes von den Franzoſen be-
rennet, und die Feinde hoffen in wenig Tagen damit
fertig zu werden. Die Alliirte Armee bleibet in ih-
rem alten Lager in der bisherigen Stellung, und es
heißt, daß ſie vor ihren Linien ſogenannte Wolfshoͤ-
len graben wollen. Den 5ten iſt die Beſatzung des
Caſteels von Antwerpen im Lager zu Breda ange-
langet. Sie iſt mit vieler Hoͤflichkeit von den Fran-
zoſen bis vor die Linien eſcortiret worden. Der Ge-
neral-Major, Graf von Wied, und der Obriſt-Lieu-
tenant von Pizza, welche in der Citadelle commandi-
ret, haben ihre Capitulation dem Feld-Marſchall
Bathyani uͤbergeben, aus welcher erhellet, daß ſie
vollkommen frey iſt, und von der Alliirten Armee
kann genutzet werden, wo ſie will. Die Grenzen
der Republick werden von den Franzoſen nicht auf
das mindeſte beleidiget. Den 8ten iſt der Landgraf
Friedrich Jacob von Heſſen-Homburg, General der
Cavallerie, Gouverneur von dieſem Staate, Gou-
verneur zu Herzogenbuſch und der dazu gehoͤrigen
Forts, ꝛc. im 73 Jahre ſeines Alters, nach einge-
nom̃en Mittags mahl verſtorben, und geſtern Mittag
haben die General-Staaten den General, Baron
von Ginkel, unſerm Miniſter an dem Hofe zu Ber-
lin, wieder an deſſen Stelle ernannt. Briefe von
Bourdeaux melden, daß verſchiedene Hollaͤndiſche
Schiffe in Weſtindien genommen worden; da von
den letzten Schiffen von Martinique, auſſer den 5
verungluͤckten, und andern genommenen, noch 10
vermiſſet werden, fuͤr welche man ſehr beſorget iſt.
Ferner wird gemeldet, daß die mehreſten Guͤter von
den angekommenen Schiffen beſchaͤdigt ſind.
Von gelehrten Sachen.
Genauere Beſtimmung der Sittlichkeit in dem
Gebrauch der Kuͤnſte.
Wir haben vor einiger Zeit eine allgemeine Erin-
nerung von dem rechten Gebrauch und Mißbrauch
der Kuͤnſte gegeben; * wir nehmen uns die Freyheit,
ein wenig genauer zu beſtimmen, worinnen der
rechte Gebrauch und Mißbrauch vorerwehnter
Kuͤnſte beſtehe. Daß die Muſic, Mahlerey und
Dichtkunſt, den Mitteln nach, deren ſie ſich in der
Nachahmung bedienen, unterſchieden ſind. Daß
ſich die Mahlerey der Zeichnungen und Farben, die
Muſic des Klanges und der Bewegungen, und folg-
lich natuͤrlicher Mittel, die Dichtkunſt aber ſich der
kuͤnſtlichen Mittel bediene. Dieſes wird ſehr wohl
und umſtaͤndlich gezeiget in einem Buch, welches
1744 in Londen unter folgenden Titul zum Vor-
ſchein kam: Three Treatiſes. The firſt, con-
cerning Art. The ſecond Muſic, Painting, and
Poetry. The Third concerning Happineß. Es
wird ferner gezeigt, wie man ſich dieſer Mittel ſo
wohl bey jeder Kunſt ins beſondre zur Nachahmung
bedienen muͤſſe, als auch, wie man ſich deren in Zu-
ſammenſetzung zweyer Kuͤnſte, z. E. der Muſic und
Dichtkunſt bedienen koͤnne. Weil die Kunſt in der
Nachahmung des Guten und Boͤſen, der Laſter und
Tugenden, ſich gleichguͤltig verhaͤlt, ſo wuͤrde der
Verfaſſer wohl gethan haben, wenn er noch gezeigt
haͤtte, wie man ſich in jeder Kunſt der Nachahmung
zu Befoͤrderung guter Sitten bedienen koͤnne. Doch
dieſes iſt vielleicht ſeiner Abſicht zuwider geweſen.
Es beruhet die Sittlichkeit bey den Gebrauch, und
die Schaͤdlichkeit bey den Mißbrauch der Kuͤnſte,
auf der Art der Zuſammenſetzung einzelner Bilder,
Umſtaͤnde und ſinnlichen Empfindungen. Es iſt
leichter bey einem, oder wenigen Perſonen, durch
Kuͤnſte etwas gutes zu ſtiften, als bey vielen zu-
gleich. Alſo wird nach unſern Europaͤiſchen Ge-
wohnheiten, ein nackend gemahltes Frauenzimmer
ſehr vielen aͤrgerlich ſcheinen, dahingegen wann es
die Wahrheit vorſtellt, und neben ihr eine andre
Perſon gemahlt wird, die ihr ein Kleid zuwirſt, ſo
iſt es wenigen, die keine verderbte Einbildungskraft
haben, ein Sittlich Bild. Wenn man in der Muſic
einerley Affect erregende Thoͤne ſich bedient, Tu-
genden und Laſter vorzuſtellen, ſo befoͤrdert im er-
ſten Fall die Kunſt bey einigen gute Sitten, wenn
die Tugend reitzend, und das Laſter abſcheulich vor-
geſtellt wird, im andern Fall, befoͤrdert die Kunſt
die Sclaverey der Affecten, wenn naͤmlich das La-
ſter angenehm, und die Tugend widrig vorgeſtellt
wird. Die Zuſammenſetzung der Thoͤne iſt biswei-
len ſo beſchaffen, daß man auf eine Melodey ein
gutes, und ein Buhlerlied dichten kann. Daher ge-
ſchiehet es, daß ein ſolches geiſtliches Lied denjeni-
* S. d. 32 Stuͤck. 1746.
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