Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 94, 15. Juni 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] wieder nach Versailles abreisen wolle. Zufolge
Briefen von Namur vom 3ten dieses wäre ein Corps
Französischer Truppen von 30000 Mann mit ihrer
schweren Artillerie bey Genappe angekommen. Man
hat allda befürchtet, daß es Namur gelten würde.
Doch mit Abgang der Post hat man allda die Zeitung
gehabt, daß die Franzosen vor Charleroy wären.
Mons ist seit den 5ten dieses von den Franzosen be-
rennet, und die Feinde hoffen in wenig Tagen damit
fertig zu werden. Die Alliirte Armee bleibet in ih-
rem alten Lager in der bisherigen Stellung, und es
heißt, daß sie vor ihren Linien sogenannte Wolfshö-
len graben wollen. Den 5ten ist die Besatzung des
Casteels von Antwerpen im Lager zu Breda ange-
langet. Sie ist mit vieler Höflichkeit von den Fran-
zosen bis vor die Linien escortiret worden. Der Ge-
neral-Major, Graf von Wied, und der Obrist-Lieu-
tenant von Pizza, welche in der Citadelle commandi-
ret, haben ihre Capitulation dem Feld-Marschall
Bathyani übergeben, aus welcher erhellet, daß sie
vollkommen frey ist, und von der Alliirten Armee
kann genutzet werden, wo sie will. Die Grenzen
der Republick werden von den Franzosen nicht auf
das mindeste beleidiget. Den 8ten ist der Landgraf
Friedrich Jacob von Hessen-Homburg, General der
Cavallerie, Gouverneur von diesem Staate, Gou-
verneur zu Herzogenbusch und der dazu gehörigen
Forts, etc. im 73 Jahre seines Alters, nach einge-
nommen Mittags mahl verstorben, und gestern Mittag
haben die General-Staaten den General, Baron
von Ginkel, unserm Minister an dem Hofe zu Ber-
lin, wieder an dessen Stelle ernannt. Briefe von
Bourdeaux melden, daß verschiedene Holländische
Schiffe in Westindien genommen worden; da von
den letzten Schiffen von Martinique, ausser den 5
verunglückten, und andern genommenen, noch 10
vermisset werden, für welche man sehr besorget ist.
Ferner wird gemeldet, daß die mehresten Güter von
den angekommenen Schiffen beschädigt sind.




Von gelehrten Sachen.
Genauere Bestimmung der Sittlichkeit in dem
Gebrauch der Künste.

Wir haben vor einiger Zeit eine allgemeine Erin-
nerung von dem rechten Gebrauch und Mißbrauch
der Künste gegeben;* wir nehmen uns die Freyheit,
[Spaltenumbruch] ein wenig genauer zu bestimmen, worinnen der
rechte Gebrauch und Mißbrauch vorerwehnter
Künste bestehe. Daß die Music, Mahlerey und
Dichtkunst, den Mitteln nach, deren sie sich in der
Nachahmung bedienen, unterschieden sind. Daß
sich die Mahlerey der Zeichnungen und Farben, die
Music des Klanges und der Bewegungen, und folg-
lich natürlicher Mittel, die Dichtkunst aber sich der
künstlichen Mittel bediene. Dieses wird sehr wohl
und umständlich gezeiget in einem Buch, welches
1744 in Londen unter folgenden Titul zum Vor-
schein kam: Three Treatises. The first, con-
cerning Art. The second Music, Painting, and
Poetry. The Third concerning Happineß.
Es
wird ferner gezeigt, wie man sich dieser Mittel so
wohl bey jeder Kunst ins besondre zur Nachahmung
bedienen müsse, als auch, wie man sich deren in Zu-
sammensetzung zweyer Künste, z. E. der Music und
Dichtkunst bedienen könne. Weil die Kunst in der
Nachahmung des Guten und Bösen, der Laster und
Tugenden, sich gleichgültig verhält, so würde der
Verfasser wohl gethan haben, wenn er noch gezeigt
hätte, wie man sich in jeder Kunst der Nachahmung
zu Beförderung guter Sitten bedienen könne. Doch
dieses ist vielleicht seiner Absicht zuwider gewesen.
Es beruhet die Sittlichkeit bey den Gebrauch, und
die Schädlichkeit bey den Mißbrauch der Künste,
auf der Art der Zusammensetzung einzelner Bilder,
Umstände und sinnlichen Empfindungen. Es ist
leichter bey einem, oder wenigen Personen, durch
Künste etwas gutes zu stiften, als bey vielen zu-
gleich. Also wird nach unsern Europäischen Ge-
wohnheiten, ein nackend gemahltes Frauenzimmer
sehr vielen ärgerlich scheinen, dahingegen wann es
die Wahrheit vorstellt, und neben ihr eine andre
Person gemahlt wird, die ihr ein Kleid zuwirst, so
ist es wenigen, die keine verderbte Einbildungskraft
haben, ein Sittlich Bild. Wenn man in der Music
einerley Affect erregende Thöne sich bedient, Tu-
genden und Laster vorzustellen, so befördert im er-
sten Fall die Kunst bey einigen gute Sitten, wenn
die Tugend reitzend, und das Laster abscheulich vor-
gestellt wird, im andern Fall, befördert die Kunst
die Sclaverey der Affecten, wenn nämlich das La-
ster angenehm, und die Tugend widrig vorgestellt
wird. Die Zusammensetzung der Thöne ist biswei-
len so beschaffen, daß man auf eine Melodey ein
gutes, und ein Buhlerlied dichten kann. Daher ge-
schiehet es, daß ein solches geistliches Lied denjeni-

* S. d. 32 Stück. 1746.

[Spaltenumbruch] wieder nach Verſailles abreiſen wolle. Zufolge
Briefen von Namur vom 3ten dieſes waͤre ein Corps
Franzoͤſiſcher Truppen von 30000 Mann mit ihrer
ſchweren Artillerie bey Genappe angekom̃en. Man
hat allda befuͤrchtet, daß es Namur gelten wuͤrde.
Doch mit Abgang der Poſt hat man allda die Zeitung
gehabt, daß die Franzoſen vor Charleroy waͤren.
Mons iſt ſeit den 5ten dieſes von den Franzoſen be-
rennet, und die Feinde hoffen in wenig Tagen damit
fertig zu werden. Die Alliirte Armee bleibet in ih-
rem alten Lager in der bisherigen Stellung, und es
heißt, daß ſie vor ihren Linien ſogenannte Wolfshoͤ-
len graben wollen. Den 5ten iſt die Beſatzung des
Caſteels von Antwerpen im Lager zu Breda ange-
langet. Sie iſt mit vieler Hoͤflichkeit von den Fran-
zoſen bis vor die Linien eſcortiret worden. Der Ge-
neral-Major, Graf von Wied, und der Obriſt-Lieu-
tenant von Pizza, welche in der Citadelle commandi-
ret, haben ihre Capitulation dem Feld-Marſchall
Bathyani uͤbergeben, aus welcher erhellet, daß ſie
vollkommen frey iſt, und von der Alliirten Armee
kann genutzet werden, wo ſie will. Die Grenzen
der Republick werden von den Franzoſen nicht auf
das mindeſte beleidiget. Den 8ten iſt der Landgraf
Friedrich Jacob von Heſſen-Homburg, General der
Cavallerie, Gouverneur von dieſem Staate, Gou-
verneur zu Herzogenbuſch und der dazu gehoͤrigen
Forts, ꝛc. im 73 Jahre ſeines Alters, nach einge-
nom̃en Mittags mahl verſtorben, und geſtern Mittag
haben die General-Staaten den General, Baron
von Ginkel, unſerm Miniſter an dem Hofe zu Ber-
lin, wieder an deſſen Stelle ernannt. Briefe von
Bourdeaux melden, daß verſchiedene Hollaͤndiſche
Schiffe in Weſtindien genommen worden; da von
den letzten Schiffen von Martinique, auſſer den 5
verungluͤckten, und andern genommenen, noch 10
vermiſſet werden, fuͤr welche man ſehr beſorget iſt.
Ferner wird gemeldet, daß die mehreſten Guͤter von
den angekommenen Schiffen beſchaͤdigt ſind.




Von gelehrten Sachen.
Genauere Beſtimmung der Sittlichkeit in dem
Gebrauch der Kuͤnſte.

Wir haben vor einiger Zeit eine allgemeine Erin-
nerung von dem rechten Gebrauch und Mißbrauch
der Kuͤnſte gegeben;* wir nehmen uns die Freyheit,
[Spaltenumbruch] ein wenig genauer zu beſtimmen, worinnen der
rechte Gebrauch und Mißbrauch vorerwehnter
Kuͤnſte beſtehe. Daß die Muſic, Mahlerey und
Dichtkunſt, den Mitteln nach, deren ſie ſich in der
Nachahmung bedienen, unterſchieden ſind. Daß
ſich die Mahlerey der Zeichnungen und Farben, die
Muſic des Klanges und der Bewegungen, und folg-
lich natuͤrlicher Mittel, die Dichtkunſt aber ſich der
kuͤnſtlichen Mittel bediene. Dieſes wird ſehr wohl
und umſtaͤndlich gezeiget in einem Buch, welches
1744 in Londen unter folgenden Titul zum Vor-
ſchein kam: Three Treatiſes. The firſt, con-
cerning Art. The ſecond Muſic, Painting, and
Poetry. The Third concerning Happineß.
Es
wird ferner gezeigt, wie man ſich dieſer Mittel ſo
wohl bey jeder Kunſt ins beſondre zur Nachahmung
bedienen muͤſſe, als auch, wie man ſich deren in Zu-
ſammenſetzung zweyer Kuͤnſte, z. E. der Muſic und
Dichtkunſt bedienen koͤnne. Weil die Kunſt in der
Nachahmung des Guten und Boͤſen, der Laſter und
Tugenden, ſich gleichguͤltig verhaͤlt, ſo wuͤrde der
Verfaſſer wohl gethan haben, wenn er noch gezeigt
haͤtte, wie man ſich in jeder Kunſt der Nachahmung
zu Befoͤrderung guter Sitten bedienen koͤnne. Doch
dieſes iſt vielleicht ſeiner Abſicht zuwider geweſen.
Es beruhet die Sittlichkeit bey den Gebrauch, und
die Schaͤdlichkeit bey den Mißbrauch der Kuͤnſte,
auf der Art der Zuſammenſetzung einzelner Bilder,
Umſtaͤnde und ſinnlichen Empfindungen. Es iſt
leichter bey einem, oder wenigen Perſonen, durch
Kuͤnſte etwas gutes zu ſtiften, als bey vielen zu-
gleich. Alſo wird nach unſern Europaͤiſchen Ge-
wohnheiten, ein nackend gemahltes Frauenzimmer
ſehr vielen aͤrgerlich ſcheinen, dahingegen wann es
die Wahrheit vorſtellt, und neben ihr eine andre
Perſon gemahlt wird, die ihr ein Kleid zuwirſt, ſo
iſt es wenigen, die keine verderbte Einbildungskraft
haben, ein Sittlich Bild. Wenn man in der Muſic
einerley Affect erregende Thoͤne ſich bedient, Tu-
genden und Laſter vorzuſtellen, ſo befoͤrdert im er-
ſten Fall die Kunſt bey einigen gute Sitten, wenn
die Tugend reitzend, und das Laſter abſcheulich vor-
geſtellt wird, im andern Fall, befoͤrdert die Kunſt
die Sclaverey der Affecten, wenn naͤmlich das La-
ſter angenehm, und die Tugend widrig vorgeſtellt
wird. Die Zuſammenſetzung der Thoͤne iſt biswei-
len ſo beſchaffen, daß man auf eine Melodey ein
gutes, und ein Buhlerlied dichten kann. Daher ge-
ſchiehet es, daß ein ſolches geiſtliches Lied denjeni-

* S. d. 32 Stuͤck. 1746.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jPoliticalNews">
          <div type="jArticle">
            <p><pb facs="#f0003" n="[3]"/><cb/>
wieder nach Ver&#x017F;ailles abrei&#x017F;en wolle.                         Zufolge<lb/>
Briefen von Namur vom 3ten die&#x017F;es wa&#x0364;re ein                         Corps<lb/>
Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher Truppen von 30000 Mann mit                         ihrer<lb/>
&#x017F;chweren Artillerie bey Genappe angekom&#x0303;en.                         Man<lb/>
hat allda befu&#x0364;rchtet, daß es Namur gelten                         wu&#x0364;rde.<lb/>
Doch mit Abgang der Po&#x017F;t hat man allda die                         Zeitung<lb/>
gehabt, daß die Franzo&#x017F;en vor Charleroy                         wa&#x0364;ren.<lb/>
Mons i&#x017F;t &#x017F;eit den 5ten die&#x017F;es von                         den Franzo&#x017F;en be-<lb/>
rennet, und die Feinde hoffen in wenig Tagen                         damit<lb/>
fertig zu werden. Die Alliirte Armee bleibet in ih-<lb/>
rem alten                         Lager in der bisherigen Stellung, und es<lb/>
heißt, daß &#x017F;ie vor ihren                         Linien &#x017F;ogenannte Wolfsho&#x0364;-<lb/>
len graben wollen. Den 5ten                         i&#x017F;t die Be&#x017F;atzung des<lb/>
Ca&#x017F;teels von Antwerpen im                         Lager zu Breda ange-<lb/>
langet. Sie i&#x017F;t mit vieler                         Ho&#x0364;flichkeit von den Fran-<lb/>
zo&#x017F;en bis vor die Linien                         e&#x017F;cortiret worden. Der Ge-<lb/>
neral-Major, Graf von Wied, und der                         Obri&#x017F;t-Lieu-<lb/>
tenant von Pizza, welche in der Citadelle                         commandi-<lb/>
ret, haben ihre Capitulation dem                         Feld-Mar&#x017F;chall<lb/>
Bathyani u&#x0364;bergeben, aus welcher erhellet,                         daß &#x017F;ie<lb/>
vollkommen frey i&#x017F;t, und von der Alliirten                         Armee<lb/>
kann genutzet werden, wo &#x017F;ie will. Die Grenzen<lb/>
der                         Republick werden von den Franzo&#x017F;en nicht auf<lb/>
das minde&#x017F;te                         beleidiget. Den 8ten i&#x017F;t der Landgraf<lb/>
Friedrich Jacob von                         He&#x017F;&#x017F;en-Homburg, General der<lb/>
Cavallerie, Gouverneur von                         die&#x017F;em Staate, Gou-<lb/>
verneur zu Herzogenbu&#x017F;ch und der dazu                         geho&#x0364;rigen<lb/>
Forts, &#xA75B;c. im 73 Jahre &#x017F;eines Alters,                         nach einge-<lb/>
nom&#x0303;en Mittags mahl ver&#x017F;torben, und                         ge&#x017F;tern Mittag<lb/>
haben die General-Staaten den General,                         Baron<lb/>
von Ginkel, un&#x017F;erm Mini&#x017F;ter an dem Hofe zu                         Ber-<lb/>
lin, wieder an de&#x017F;&#x017F;en Stelle ernannt. Briefe                         von<lb/>
Bourdeaux melden, daß ver&#x017F;chiedene                         Holla&#x0364;ndi&#x017F;che<lb/>
Schiffe in We&#x017F;tindien genommen                         worden; da von<lb/>
den letzten Schiffen von Martinique, au&#x017F;&#x017F;er                         den 5<lb/>
verunglu&#x0364;ckten, und andern genommenen, noch                         10<lb/>
vermi&#x017F;&#x017F;et werden, fu&#x0364;r welche man &#x017F;ehr                         be&#x017F;orget i&#x017F;t.<lb/>
Ferner wird gemeldet, daß die                         mehre&#x017F;ten Gu&#x0364;ter von<lb/>
den angekommenen Schiffen                         be&#x017F;cha&#x0364;digt &#x017F;ind.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jFeuilleton">
          <head> <hi rendition="#c #fr">Von gelehrten Sachen.</hi> </head><lb/>
          <div type="jArticle">
            <head> <hi rendition="#c">Genauere Be&#x017F;timmung der Sittlichkeit in dem<lb/>
Gebrauch der                         Ku&#x0364;n&#x017F;te.</hi> </head><lb/>
            <p>Wir haben vor einiger Zeit eine allgemeine Erin-<lb/>
nerung von dem rechten                         Gebrauch und Mißbrauch<lb/>
der Ku&#x0364;n&#x017F;te gegeben;<note place="foot" n="*">S. d. 32 Stu&#x0364;ck. 1746.</note> wir nehmen uns                         die Freyheit,<lb/><cb/>
ein wenig genauer zu be&#x017F;timmen, worinnen                         der<lb/>
rechte Gebrauch und Mißbrauch vorerwehnter<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te                         be&#x017F;tehe. Daß die Mu&#x017F;ic, Mahlerey und<lb/>
Dichtkun&#x017F;t,                         den Mitteln nach, deren &#x017F;ie &#x017F;ich in der<lb/>
Nachahmung                         bedienen, unter&#x017F;chieden &#x017F;ind. Daß<lb/>
&#x017F;ich die Mahlerey                         der Zeichnungen und Farben, die<lb/>
Mu&#x017F;ic des Klanges und der                         Bewegungen, und folg-<lb/>
lich natu&#x0364;rlicher Mittel, die                         Dichtkun&#x017F;t aber &#x017F;ich der<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Mittel                         bediene. Die&#x017F;es wird &#x017F;ehr wohl<lb/>
und                         um&#x017F;ta&#x0364;ndlich gezeiget in einem Buch, welches<lb/>
1744 in                         Londen unter folgenden Titul zum Vor-<lb/>
&#x017F;chein kam: <hi rendition="#aq">Three Treati&#x017F;es. The fir&#x017F;t,                             con-<lb/>
cerning Art. The &#x017F;econd Mu&#x017F;ic, Painting,                             and<lb/>
Poetry. The Third concerning Happineß.</hi> Es<lb/>
wird ferner                         gezeigt, wie man &#x017F;ich die&#x017F;er Mittel &#x017F;o<lb/>
wohl bey                         jeder Kun&#x017F;t ins be&#x017F;ondre zur Nachahmung<lb/>
bedienen                         mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, als auch, wie man &#x017F;ich deren in                         Zu-<lb/>
&#x017F;ammen&#x017F;etzung zweyer Ku&#x0364;n&#x017F;te, z. E. der                         Mu&#x017F;ic und<lb/>
Dichtkun&#x017F;t bedienen ko&#x0364;nne. Weil die                         Kun&#x017F;t in der<lb/>
Nachahmung des Guten und Bo&#x0364;&#x017F;en, der                         La&#x017F;ter und<lb/>
Tugenden, &#x017F;ich gleichgu&#x0364;ltig                         verha&#x0364;lt, &#x017F;o wu&#x0364;rde der<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;er                         wohl gethan haben, wenn er noch gezeigt<lb/>
ha&#x0364;tte, wie man                         &#x017F;ich in jeder Kun&#x017F;t der Nachahmung<lb/>
zu Befo&#x0364;rderung                         guter Sitten bedienen ko&#x0364;nne. Doch<lb/>
die&#x017F;es i&#x017F;t                         vielleicht &#x017F;einer Ab&#x017F;icht zuwider gewe&#x017F;en.<lb/>
Es                         beruhet die Sittlichkeit bey den Gebrauch, und<lb/>
die Scha&#x0364;dlichkeit                         bey den Mißbrauch der Ku&#x0364;n&#x017F;te,<lb/>
auf der Art der                         Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung einzelner Bilder,<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde                         und &#x017F;innlichen Empfindungen. Es i&#x017F;t<lb/>
leichter bey einem,                         oder wenigen Per&#x017F;onen, durch<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te etwas gutes zu                         &#x017F;tiften, als bey vielen zu-<lb/>
gleich. Al&#x017F;o wird nach                         un&#x017F;ern Europa&#x0364;i&#x017F;chen Ge-<lb/>
wohnheiten, ein nackend                         gemahltes Frauenzimmer<lb/>
&#x017F;ehr vielen a&#x0364;rgerlich                         &#x017F;cheinen, dahingegen wann es<lb/>
die Wahrheit vor&#x017F;tellt, und                         neben ihr eine andre<lb/>
Per&#x017F;on gemahlt wird, die ihr ein Kleid                         zuwir&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t es wenigen, die keine verderbte                         Einbildungskraft<lb/>
haben, ein Sittlich Bild. Wenn man in der                         Mu&#x017F;ic<lb/>
einerley Affect erregende Tho&#x0364;ne &#x017F;ich                         bedient, Tu-<lb/>
genden und La&#x017F;ter vorzu&#x017F;tellen, &#x017F;o                         befo&#x0364;rdert im er-<lb/>
&#x017F;ten Fall die Kun&#x017F;t bey einigen                         gute Sitten, wenn<lb/>
die Tugend reitzend, und das La&#x017F;ter                         ab&#x017F;cheulich vor-<lb/>
ge&#x017F;tellt wird, im andern Fall,                         befo&#x0364;rdert die Kun&#x017F;t<lb/>
die Sclaverey der Affecten, wenn                         na&#x0364;mlich das La-<lb/>
&#x017F;ter angenehm, und die Tugend widrig                         vorge&#x017F;tellt<lb/>
wird. Die Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung der                         Tho&#x0364;ne i&#x017F;t biswei-<lb/>
len &#x017F;o be&#x017F;chaffen, daß                         man auf eine Melodey ein<lb/>
gutes, und ein Buhlerlied dichten kann. Daher                         ge-<lb/>
&#x017F;chiehet es, daß ein &#x017F;olches gei&#x017F;tliches Lied                             denjeni-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0003] wieder nach Verſailles abreiſen wolle. Zufolge Briefen von Namur vom 3ten dieſes waͤre ein Corps Franzoͤſiſcher Truppen von 30000 Mann mit ihrer ſchweren Artillerie bey Genappe angekom̃en. Man hat allda befuͤrchtet, daß es Namur gelten wuͤrde. Doch mit Abgang der Poſt hat man allda die Zeitung gehabt, daß die Franzoſen vor Charleroy waͤren. Mons iſt ſeit den 5ten dieſes von den Franzoſen be- rennet, und die Feinde hoffen in wenig Tagen damit fertig zu werden. Die Alliirte Armee bleibet in ih- rem alten Lager in der bisherigen Stellung, und es heißt, daß ſie vor ihren Linien ſogenannte Wolfshoͤ- len graben wollen. Den 5ten iſt die Beſatzung des Caſteels von Antwerpen im Lager zu Breda ange- langet. Sie iſt mit vieler Hoͤflichkeit von den Fran- zoſen bis vor die Linien eſcortiret worden. Der Ge- neral-Major, Graf von Wied, und der Obriſt-Lieu- tenant von Pizza, welche in der Citadelle commandi- ret, haben ihre Capitulation dem Feld-Marſchall Bathyani uͤbergeben, aus welcher erhellet, daß ſie vollkommen frey iſt, und von der Alliirten Armee kann genutzet werden, wo ſie will. Die Grenzen der Republick werden von den Franzoſen nicht auf das mindeſte beleidiget. Den 8ten iſt der Landgraf Friedrich Jacob von Heſſen-Homburg, General der Cavallerie, Gouverneur von dieſem Staate, Gou- verneur zu Herzogenbuſch und der dazu gehoͤrigen Forts, ꝛc. im 73 Jahre ſeines Alters, nach einge- nom̃en Mittags mahl verſtorben, und geſtern Mittag haben die General-Staaten den General, Baron von Ginkel, unſerm Miniſter an dem Hofe zu Ber- lin, wieder an deſſen Stelle ernannt. Briefe von Bourdeaux melden, daß verſchiedene Hollaͤndiſche Schiffe in Weſtindien genommen worden; da von den letzten Schiffen von Martinique, auſſer den 5 verungluͤckten, und andern genommenen, noch 10 vermiſſet werden, fuͤr welche man ſehr beſorget iſt. Ferner wird gemeldet, daß die mehreſten Guͤter von den angekommenen Schiffen beſchaͤdigt ſind. Von gelehrten Sachen. Genauere Beſtimmung der Sittlichkeit in dem Gebrauch der Kuͤnſte. Wir haben vor einiger Zeit eine allgemeine Erin- nerung von dem rechten Gebrauch und Mißbrauch der Kuͤnſte gegeben; * wir nehmen uns die Freyheit, ein wenig genauer zu beſtimmen, worinnen der rechte Gebrauch und Mißbrauch vorerwehnter Kuͤnſte beſtehe. Daß die Muſic, Mahlerey und Dichtkunſt, den Mitteln nach, deren ſie ſich in der Nachahmung bedienen, unterſchieden ſind. Daß ſich die Mahlerey der Zeichnungen und Farben, die Muſic des Klanges und der Bewegungen, und folg- lich natuͤrlicher Mittel, die Dichtkunſt aber ſich der kuͤnſtlichen Mittel bediene. Dieſes wird ſehr wohl und umſtaͤndlich gezeiget in einem Buch, welches 1744 in Londen unter folgenden Titul zum Vor- ſchein kam: Three Treatiſes. The firſt, con- cerning Art. The ſecond Muſic, Painting, and Poetry. The Third concerning Happineß. Es wird ferner gezeigt, wie man ſich dieſer Mittel ſo wohl bey jeder Kunſt ins beſondre zur Nachahmung bedienen muͤſſe, als auch, wie man ſich deren in Zu- ſammenſetzung zweyer Kuͤnſte, z. E. der Muſic und Dichtkunſt bedienen koͤnne. Weil die Kunſt in der Nachahmung des Guten und Boͤſen, der Laſter und Tugenden, ſich gleichguͤltig verhaͤlt, ſo wuͤrde der Verfaſſer wohl gethan haben, wenn er noch gezeigt haͤtte, wie man ſich in jeder Kunſt der Nachahmung zu Befoͤrderung guter Sitten bedienen koͤnne. Doch dieſes iſt vielleicht ſeiner Abſicht zuwider geweſen. Es beruhet die Sittlichkeit bey den Gebrauch, und die Schaͤdlichkeit bey den Mißbrauch der Kuͤnſte, auf der Art der Zuſammenſetzung einzelner Bilder, Umſtaͤnde und ſinnlichen Empfindungen. Es iſt leichter bey einem, oder wenigen Perſonen, durch Kuͤnſte etwas gutes zu ſtiften, als bey vielen zu- gleich. Alſo wird nach unſern Europaͤiſchen Ge- wohnheiten, ein nackend gemahltes Frauenzimmer ſehr vielen aͤrgerlich ſcheinen, dahingegen wann es die Wahrheit vorſtellt, und neben ihr eine andre Perſon gemahlt wird, die ihr ein Kleid zuwirſt, ſo iſt es wenigen, die keine verderbte Einbildungskraft haben, ein Sittlich Bild. Wenn man in der Muſic einerley Affect erregende Thoͤne ſich bedient, Tu- genden und Laſter vorzuſtellen, ſo befoͤrdert im er- ſten Fall die Kunſt bey einigen gute Sitten, wenn die Tugend reitzend, und das Laſter abſcheulich vor- geſtellt wird, im andern Fall, befoͤrdert die Kunſt die Sclaverey der Affecten, wenn naͤmlich das La- ſter angenehm, und die Tugend widrig vorgeſtellt wird. Die Zuſammenſetzung der Thoͤne iſt biswei- len ſo beſchaffen, daß man auf eine Melodey ein gutes, und ein Buhlerlied dichten kann. Daher ge- ſchiehet es, daß ein ſolches geiſtliches Lied denjeni- * S. d. 32 Stuͤck. 1746.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Britt-Marie Schuster, Manuel Wille, Arnika Lutz: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-07-28T10:00:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (doppelt erfasst).

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hc_941506_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hc_941506_1746/3
Zitationshilfe: Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 94, 15. Juni 1746, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_941506_1746/3>, abgerufen am 23.11.2024.