Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 94, 15. Juni 1746.[Spaltenumbruch]
gen, dem das Buhlerlied bekannt ist, ärgerlich wird. AVERTISSEMENT. Denen Herren Pränumeranten auf die neue Aus- Hamburg, den 15 Jun. 1746. Morgen wird das sechste Stück vom Schutz- [Ende Spaltensatz] [Spaltenumbruch]
gen, dem das Buhlerlied bekannt iſt, aͤrgerlich wird. AVERTISSEMENT. Denen Herren Praͤnumeranten auf die neue Aus- Hamburg, den 15 Jun. 1746. Morgen wird das ſechste Stuͤck vom Schutz- [Ende Spaltensatz] <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jFeuilleton"> <div type="jArticle"> <p><pb facs="#f0004" n="[4]"/><cb/> gen, dem das Buhlerlied bekannt iſt, aͤrgerlich wird.<lb/> Aus eben dergleichen Urſachen haͤlt <hi rendition="#aq">Riccoboni</hi> in<lb/> den <hi rendition="#aq">Tractat de la Reformation du Theatre,</hi> den<lb/> gegenwaͤrtigen Gebrauch der Schaubuͤhne, den gu-<lb/> ten Sitten fuͤr ſchaͤdlich und nachtheilig, ob er<lb/> ſchon ſelbſt 25 Jahre ſich von den Theatro hat naͤh-<lb/> ren muͤſſen. <hi rendition="#aq">Quiſtorp,</hi> in Roſtock, behauptet in<lb/> einem beſonders in dieſer Abſicht geſchriebnen Tra-<lb/> ctat, daß die Poeſie ihre Liebhaber nicht ſo wohl un-<lb/> gluͤcklich, als ungluͤckſeelig machen koͤnne. Noch<lb/> andre glauben, daß die Opern der Verbeſſerung des<lb/> gemeinen Weſens hinderlich fallen. Alles dieſes<lb/> hat ſeinen guten Grund, wenn man die Urſachen<lb/> davon in dem Mißbrauch, und nicht in der Kunſt<lb/> ſelbſt zu finden vermeynt. Man kann die Sittlich-<lb/> keit der Kuͤnſte betrachten 1) in Abſicht auf den<lb/> Kuͤnſtler, 2) in Anſehung des Kunſt-Stuͤcks, 3)<lb/> in Anſehung derer, welchen ein Kunſt-Stuͤck ſoll<lb/> vorgeleget werden. Ein Kuͤnſtler handelt wider<lb/> die Pflichten gegen ſich ſelbſt, wenn er etwas zu<lb/> verfertigen unternimmt, wobey er ſich nicht gleich-<lb/> guͤltig verhalten kann, ein Kuͤnſtler von verdorbner<lb/> Einbildungs-Kraft, muß ſich nicht unterſtehen,<lb/> auch einige Sittliche Bilder zu verfertigen, wenn<lb/> in deren Zuſammenſetzung, ihm, etwas anſtoͤßiges<lb/> vorkoͤmmt. Weil wir gewohnt ſind mit ſinnlichen<lb/> Empfindungen und Bildern moraliſche Gedanken<lb/> zu verknuͤpfen, ſo muß ſich ein Kunſt-Stuͤck nach<lb/> den gewohnten guten Verſtellungen richten laſſen,<lb/> daher geſchiehet es, daß oft ein Kunſt-Stuͤck einen<lb/> Menſchen zu guten, und einen andern zu boͤſen Vor-<lb/> ſtellungen reitzt. Es giebt Kunſt-Stuͤcke, die die<lb/> meiſten, wo nicht alle, zur Tugend reitzen. Es<lb/> giebt deren einige, welche die meiſten, wo nicht alle,<lb/> zu boͤſen Gedanken verleiten. Die erſte Art kann<lb/> man vielen vorlegen. Die andern kaum einen oder<lb/> den andern. Von der erſten Art ſind die <hi rendition="#fr">Fabeln,</hi><lb/> welche keine Vorurtheile befoͤrdern helfen. Sol-<lb/> ches ſind Sittliche Kunſt-Stuͤcke. Wie man die<lb/> Sittlichkeit in Anſehung andrer, welchen die Kunſt-<lb/> Stuͤcke vorgeleget werden, befoͤrdern muͤſſe, ſol-<lb/> ches laͤßt ſich am beſten aus den beſondern Umſtaͤn-<lb/> den beurtheilen, die naͤmlich zu der Zeit vorhanden<lb/> ſind, wenn man jemand etwas ſehen laͤßt. Alter,<lb/> Gewohnheiten, Neigungen und andere Eigenſchaf-<lb/> ten der Perſonen muͤſſen zuvor erwogen werden, ehe<lb/> man jemand etwas vorlegt. Vornehmlich muß<lb/> man dahin ſehen, daß ihnen die Vorbilder der Bil-<lb/> der nicht unbekannt ſind, wie dieſes Herr <hi rendition="#fr">Schle-<lb/><cb/> gel</hi> in der 11 Abhandlung <hi rendition="#fr">von der Nachahmung</hi><lb/> erinnert. Siehe des Buͤcher-Saales 1 Band. 5<lb/> Stuͤck. p. 419. Sind dieſe nicht bekannt, ſo muß<lb/> man ſie ihnen lieber vorenthalten. Diejenigen,<lb/> welche anſtoͤßige Kunſt-Stuͤcke durch Druck und<lb/> Kupfer gemein machen, verſuͤndigen ſich an vielen<lb/> in der menſchlichen Geſellſchaft, denn ſie haben eine<lb/> Pflicht, etwas geheim zu halten, daß ihnen ohn-<lb/> wiſſend andren Schaden kann, wer kann wiſſen,<lb/> was fuͤr Perſonen dergleichen Sachen in die Haͤnde<lb/> fallen muͤſſen? Geſetzt, daß eines Menſchen Ein-<lb/> bildungs-Kraft durch ſolches Kunſt-Stuͤck, als<lb/> durch ein boͤſes Exempel in eine unheilbare Krank-<lb/> heit verfaͤllt, wer muß es verantworten? Der<lb/> Kuͤnſtler oder der Verfuͤhrte? Es iſt eine unnuͤtze<lb/> Entſchuldigung, wenn man ſagt; Ein Kuͤnſtler<lb/> koͤnne die beſten Sachen vor den Mißbrauch nicht<lb/> verwahren, er habe ſich nicht um den Gebrauch zu<lb/> bekuͤmmern Urſach. Jſt es einerley, eine gute<lb/> Sache mißbrauchen, und durch eine boͤſe Arbeit<lb/> zum Mißbrauch Gelegenheit geben? Die gute Wuͤr-<lb/> kung der Kuͤnſte ſollte ſich im Staat, in der Kirche<lb/> und in gemeinen Leben zeigen, und bey den Kuͤnſtlern<lb/> zuerſt. Dieſes geſchiehet ſelten, oͤfters das Gegen-<lb/> theil, daher iſt das Sprichwort entſtanden: Muſici,<lb/> Mahler und Poeten ſind Luͤgner und halbe Naxren.<lb/> Wir wuͤnſchen, daß man eyfriger die guten Sitten<lb/> durch die Kuͤnſte, die Kuͤnſte ſelbſt zu befoͤrdern ſeyn<lb/> moͤchte. Wir wuͤnſchen auch, daß man bemuͤht<lb/> ſeyn moͤchte, die Sittlichkeit jedes Kunſt-Stuͤcks<lb/> ins beſondre zu zeigen, wobey man gar wohl den<lb/> Mißbrauch oft verſchweigen koͤnnte.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAnnouncements"> <div type="jAn"> <head> <hi rendition="#aq #c"> <hi rendition="#g">AVERTISSEMENT.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Denen Herren Praͤnumeranten auf die neue Aus-<lb/> gabe derer Reichs-Abſchiede, wird hiedurch wiſſend<lb/> gemacht, daß dieſelben in Joh. Carl Bohns Buch-<lb/> handlung in der Johanns-Kirche, unter der Orgel,<lb/> angekommen, und koͤnnen ſolche, gegen Erlegung<lb/> des Scheins, und ruͤckſtaͤndigen Praͤnumeration,<lb/> welche betraͤgt auf Druck-Papier 3 Rthlr. 16 Gr.<lb/> auf Poſt-Papier 6 Rthlr. nebſt 1 Mark 4 ß. Fracht,<lb/> beliebigſt abgelanget werden. Der Reſt von erwehn-<lb/> tem Werke wird <hi rendition="#aq">franco,</hi> auſſer der wenigen Fracht,<lb/> kommende Herbſt-Meſſe, nachgeliefert.</p> <closer> <dateline> Hamburg,<lb/> den 15 Jun. 1746.</dateline> </closer> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAn"> <p>Morgen wird das ſechste Stuͤck vom <hi rendition="#fr">Schutz-<lb/> geiſt</hi> ausgegeben.</p> </div> </div><lb/> <cb type="end"/> </div> </body> </text> </TEI> [[4]/0004]
gen, dem das Buhlerlied bekannt iſt, aͤrgerlich wird.
Aus eben dergleichen Urſachen haͤlt Riccoboni in
den Tractat de la Reformation du Theatre, den
gegenwaͤrtigen Gebrauch der Schaubuͤhne, den gu-
ten Sitten fuͤr ſchaͤdlich und nachtheilig, ob er
ſchon ſelbſt 25 Jahre ſich von den Theatro hat naͤh-
ren muͤſſen. Quiſtorp, in Roſtock, behauptet in
einem beſonders in dieſer Abſicht geſchriebnen Tra-
ctat, daß die Poeſie ihre Liebhaber nicht ſo wohl un-
gluͤcklich, als ungluͤckſeelig machen koͤnne. Noch
andre glauben, daß die Opern der Verbeſſerung des
gemeinen Weſens hinderlich fallen. Alles dieſes
hat ſeinen guten Grund, wenn man die Urſachen
davon in dem Mißbrauch, und nicht in der Kunſt
ſelbſt zu finden vermeynt. Man kann die Sittlich-
keit der Kuͤnſte betrachten 1) in Abſicht auf den
Kuͤnſtler, 2) in Anſehung des Kunſt-Stuͤcks, 3)
in Anſehung derer, welchen ein Kunſt-Stuͤck ſoll
vorgeleget werden. Ein Kuͤnſtler handelt wider
die Pflichten gegen ſich ſelbſt, wenn er etwas zu
verfertigen unternimmt, wobey er ſich nicht gleich-
guͤltig verhalten kann, ein Kuͤnſtler von verdorbner
Einbildungs-Kraft, muß ſich nicht unterſtehen,
auch einige Sittliche Bilder zu verfertigen, wenn
in deren Zuſammenſetzung, ihm, etwas anſtoͤßiges
vorkoͤmmt. Weil wir gewohnt ſind mit ſinnlichen
Empfindungen und Bildern moraliſche Gedanken
zu verknuͤpfen, ſo muß ſich ein Kunſt-Stuͤck nach
den gewohnten guten Verſtellungen richten laſſen,
daher geſchiehet es, daß oft ein Kunſt-Stuͤck einen
Menſchen zu guten, und einen andern zu boͤſen Vor-
ſtellungen reitzt. Es giebt Kunſt-Stuͤcke, die die
meiſten, wo nicht alle, zur Tugend reitzen. Es
giebt deren einige, welche die meiſten, wo nicht alle,
zu boͤſen Gedanken verleiten. Die erſte Art kann
man vielen vorlegen. Die andern kaum einen oder
den andern. Von der erſten Art ſind die Fabeln,
welche keine Vorurtheile befoͤrdern helfen. Sol-
ches ſind Sittliche Kunſt-Stuͤcke. Wie man die
Sittlichkeit in Anſehung andrer, welchen die Kunſt-
Stuͤcke vorgeleget werden, befoͤrdern muͤſſe, ſol-
ches laͤßt ſich am beſten aus den beſondern Umſtaͤn-
den beurtheilen, die naͤmlich zu der Zeit vorhanden
ſind, wenn man jemand etwas ſehen laͤßt. Alter,
Gewohnheiten, Neigungen und andere Eigenſchaf-
ten der Perſonen muͤſſen zuvor erwogen werden, ehe
man jemand etwas vorlegt. Vornehmlich muß
man dahin ſehen, daß ihnen die Vorbilder der Bil-
der nicht unbekannt ſind, wie dieſes Herr Schle-
gel in der 11 Abhandlung von der Nachahmung
erinnert. Siehe des Buͤcher-Saales 1 Band. 5
Stuͤck. p. 419. Sind dieſe nicht bekannt, ſo muß
man ſie ihnen lieber vorenthalten. Diejenigen,
welche anſtoͤßige Kunſt-Stuͤcke durch Druck und
Kupfer gemein machen, verſuͤndigen ſich an vielen
in der menſchlichen Geſellſchaft, denn ſie haben eine
Pflicht, etwas geheim zu halten, daß ihnen ohn-
wiſſend andren Schaden kann, wer kann wiſſen,
was fuͤr Perſonen dergleichen Sachen in die Haͤnde
fallen muͤſſen? Geſetzt, daß eines Menſchen Ein-
bildungs-Kraft durch ſolches Kunſt-Stuͤck, als
durch ein boͤſes Exempel in eine unheilbare Krank-
heit verfaͤllt, wer muß es verantworten? Der
Kuͤnſtler oder der Verfuͤhrte? Es iſt eine unnuͤtze
Entſchuldigung, wenn man ſagt; Ein Kuͤnſtler
koͤnne die beſten Sachen vor den Mißbrauch nicht
verwahren, er habe ſich nicht um den Gebrauch zu
bekuͤmmern Urſach. Jſt es einerley, eine gute
Sache mißbrauchen, und durch eine boͤſe Arbeit
zum Mißbrauch Gelegenheit geben? Die gute Wuͤr-
kung der Kuͤnſte ſollte ſich im Staat, in der Kirche
und in gemeinen Leben zeigen, und bey den Kuͤnſtlern
zuerſt. Dieſes geſchiehet ſelten, oͤfters das Gegen-
theil, daher iſt das Sprichwort entſtanden: Muſici,
Mahler und Poeten ſind Luͤgner und halbe Naxren.
Wir wuͤnſchen, daß man eyfriger die guten Sitten
durch die Kuͤnſte, die Kuͤnſte ſelbſt zu befoͤrdern ſeyn
moͤchte. Wir wuͤnſchen auch, daß man bemuͤht
ſeyn moͤchte, die Sittlichkeit jedes Kunſt-Stuͤcks
ins beſondre zu zeigen, wobey man gar wohl den
Mißbrauch oft verſchweigen koͤnnte.
AVERTISSEMENT.
Denen Herren Praͤnumeranten auf die neue Aus-
gabe derer Reichs-Abſchiede, wird hiedurch wiſſend
gemacht, daß dieſelben in Joh. Carl Bohns Buch-
handlung in der Johanns-Kirche, unter der Orgel,
angekommen, und koͤnnen ſolche, gegen Erlegung
des Scheins, und ruͤckſtaͤndigen Praͤnumeration,
welche betraͤgt auf Druck-Papier 3 Rthlr. 16 Gr.
auf Poſt-Papier 6 Rthlr. nebſt 1 Mark 4 ß. Fracht,
beliebigſt abgelanget werden. Der Reſt von erwehn-
tem Werke wird franco, auſſer der wenigen Fracht,
kommende Herbſt-Meſſe, nachgeliefert.
Hamburg,
den 15 Jun. 1746.
Morgen wird das ſechste Stuͤck vom Schutz-
geiſt ausgegeben.
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