Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.
einem Schrank zu) Wie gehts? Du hast Dich nicht ver- ändert! -- um die wir als Kinder so oft herumgehüpft sind, werden die Köpfe zusammenstecken, und den Narren ausspotten, wenn ich nicht schnell einen anderen anschlage. Ich muß Du zu Dir sagen, wie ehemals, wenn's Dir nicht gefällt, so denke: der große Junge träumt, ich will ihn aufwecken und vor ihn hintreten und mich (mit Geberden) hoch aufrichten, damit er sieht, daß er kein kleines Kind mehr vor sich hat, -- das war Dein Maaß im elften Jahr! (er deutet auf einen Schramm strich in der Thür) -- sondern ein gehörig erwachsenes Mädchen, das den Zucker auch dann erreichen kann, wenn er auf den Schrank gestellt wird. Du weißt doch noch? Das war der Platz, die feste Burg, wo er auch unverschlossen vor uns sicher war. Wir ver- trieben uns, wenn er dort stand, die Zeit gewöhnlich mit Fliegenklatschen, weil wir den Fliegen, die lustig ab- und zuflogen, das unmöglich gönnen konnten, was wir selbst nicht zu erlangen wußten. Klara. Ich dächte, man vergäße solche Dinge, wenn man hundert und tausend Bücher durchstudiren müßte.
einem Schrank zu) Wie gehts? Du haſt Dich nicht ver- ändert! — um die wir als Kinder ſo oft herumgehüpft ſind, werden die Köpfe zuſammenſtecken, und den Narren ausſpotten, wenn ich nicht ſchnell einen anderen anſchlage. Ich muß Du zu Dir ſagen, wie ehemals, wenn’s Dir nicht gefällt, ſo denke: der große Junge träumt, ich will ihn aufwecken und vor ihn hintreten und mich (mit Geberden) hoch aufrichten, damit er ſieht, daß er kein kleines Kind mehr vor ſich hat, — das war Dein Maaß im elften Jahr! (er deutet auf einen Schramm ſtrich in der Thür) — ſondern ein gehörig erwachſenes Mädchen, das den Zucker auch dann erreichen kann, wenn er auf den Schrank geſtellt wird. Du weißt doch noch? Das war der Platz, die feſte Burg, wo er auch unverſchloſſen vor uns ſicher war. Wir ver- trieben uns, wenn er dort ſtand, die Zeit gewöhnlich mit Fliegenklatſchen, weil wir den Fliegen, die luſtig ab- und zuflogen, das unmöglich gönnen konnten, was wir ſelbſt nicht zu erlangen wußten. Klara. Ich dächte, man vergäße ſolche Dinge, wenn man hundert und tauſend Bücher durchſtudiren müßte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#SECRE"> <stage><pb facs="#f0144" n="76"/> einem Schrank zu)</stage> <p>Wie gehts? Du haſt Dich nicht ver-<lb/> ändert! — um die wir als Kinder ſo oft herumgehüpft<lb/> ſind, werden die Köpfe zuſammenſtecken, und den Narren<lb/> ausſpotten, wenn ich nicht ſchnell einen anderen anſchlage.<lb/> Ich muß Du zu Dir ſagen, wie ehemals, wenn’s<lb/> Dir nicht gefällt, ſo denke: der große Junge träumt,<lb/> ich will ihn aufwecken und vor ihn hintreten und mich</p><lb/> <stage>(mit Geberden)</stage> <p>hoch aufrichten, damit er ſieht, daß er<lb/> kein kleines Kind mehr vor ſich hat, — das war<lb/> Dein Maaß im elften Jahr!</p> <stage>(er deutet auf einen Schramm<lb/> ſtrich in der Thür)</stage> <p>— ſondern ein gehörig erwachſenes<lb/> Mädchen, das den Zucker auch dann erreichen kann,<lb/> wenn er auf den Schrank geſtellt wird. Du weißt<lb/> doch noch? Das war der Platz, die feſte Burg, wo<lb/> er auch unverſchloſſen vor uns ſicher war. Wir ver-<lb/> trieben uns, wenn er dort ſtand, die Zeit gewöhnlich mit<lb/> Fliegenklatſchen, weil wir den Fliegen, die luſtig ab-<lb/> und zuflogen, das unmöglich gönnen konnten, was wir<lb/> ſelbſt nicht zu erlangen wußten.</p> </sp><lb/> <sp who="#KLARA"> <speaker><hi rendition="#g">Klara</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich dächte, man vergäße ſolche Dinge, wenn man<lb/> hundert und tauſend Bücher durchſtudiren müßte.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0144]
einem Schrank zu) Wie gehts? Du haſt Dich nicht ver-
ändert! — um die wir als Kinder ſo oft herumgehüpft
ſind, werden die Köpfe zuſammenſtecken, und den Narren
ausſpotten, wenn ich nicht ſchnell einen anderen anſchlage.
Ich muß Du zu Dir ſagen, wie ehemals, wenn’s
Dir nicht gefällt, ſo denke: der große Junge träumt,
ich will ihn aufwecken und vor ihn hintreten und mich
(mit Geberden) hoch aufrichten, damit er ſieht, daß er
kein kleines Kind mehr vor ſich hat, — das war
Dein Maaß im elften Jahr! (er deutet auf einen Schramm
ſtrich in der Thür) — ſondern ein gehörig erwachſenes
Mädchen, das den Zucker auch dann erreichen kann,
wenn er auf den Schrank geſtellt wird. Du weißt
doch noch? Das war der Platz, die feſte Burg, wo
er auch unverſchloſſen vor uns ſicher war. Wir ver-
trieben uns, wenn er dort ſtand, die Zeit gewöhnlich mit
Fliegenklatſchen, weil wir den Fliegen, die luſtig ab-
und zuflogen, das unmöglich gönnen konnten, was wir
ſelbſt nicht zu erlangen wußten.
Klara.
Ich dächte, man vergäße ſolche Dinge, wenn man
hundert und tauſend Bücher durchſtudiren müßte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |