Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.die hervorragendern Individuen daran hatten, mit die hervorragendern Individuen daran hatten, mit <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="XXXVII"/> die hervorragendern Individuen daran hatten, mit<lb/> Haushälterin-Genauigkeit ſpecificiren will, iſt wirk-<lb/> lich nicht viel mehr, als ein großer Kirchhof mit<lb/> ſeinem Immortalitäts-Apparat, den Leichenſteinen<lb/> und Kreuzen und ihren Inſchriften, die dem Tod,<lb/> ſtatt ihm zu trotzen, höchſtens neue Arbeit machen,<lb/> und wer weiß, wie unentwirrbar ſich im Menſchen<lb/> die unbewußten und bewußten Motive ſeiner Hand-<lb/> lungen zum Knoten verſchlingen, der wird die<lb/> Wahrheit dieſer Inſchriften ſelbſt dann noch in<lb/><choice><sic>Zwcifel</sic><corr>Zweifel</corr></choice> ziehen müſſen, wenn der Todte ſie ſich<lb/> ſelbſt geſetzt und den guten Willen zur Aufrichtig-<lb/> keit dargelegt hat. Iſt nun aber ſolchemnach das<lb/> materielle Fundament der Geſchichte ein von vorn her-<lb/> ein nach allen Seiten durchlöchertes und durchlöcher-<lb/> bares, ſo kann die Aufgabe des Dramas doch unmög-<lb/> lich darin beſtehen, mit eben dieſem Fundament,<lb/> dieſem verdächtigen Conglomerat von Begebenheiten-<lb/> Skizzen und Geſtalten-Schemen, einen zweifelhaf-<lb/> ten Galvaniſirungs-Verſuch anzuſtellen, und der<lb/> nüchterne Leſſing’ſche Ausſpruch in der Dramaturgie,<lb/> wornach der dramatiſche Dichter die Geſchichte, je nach<lb/> Befund der Umſtände, benutzen oder unbenutzt laſſen<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [XXXVII/0057]
die hervorragendern Individuen daran hatten, mit
Haushälterin-Genauigkeit ſpecificiren will, iſt wirk-
lich nicht viel mehr, als ein großer Kirchhof mit
ſeinem Immortalitäts-Apparat, den Leichenſteinen
und Kreuzen und ihren Inſchriften, die dem Tod,
ſtatt ihm zu trotzen, höchſtens neue Arbeit machen,
und wer weiß, wie unentwirrbar ſich im Menſchen
die unbewußten und bewußten Motive ſeiner Hand-
lungen zum Knoten verſchlingen, der wird die
Wahrheit dieſer Inſchriften ſelbſt dann noch in
Zweifel ziehen müſſen, wenn der Todte ſie ſich
ſelbſt geſetzt und den guten Willen zur Aufrichtig-
keit dargelegt hat. Iſt nun aber ſolchemnach das
materielle Fundament der Geſchichte ein von vorn her-
ein nach allen Seiten durchlöchertes und durchlöcher-
bares, ſo kann die Aufgabe des Dramas doch unmög-
lich darin beſtehen, mit eben dieſem Fundament,
dieſem verdächtigen Conglomerat von Begebenheiten-
Skizzen und Geſtalten-Schemen, einen zweifelhaf-
ten Galvaniſirungs-Verſuch anzuſtellen, und der
nüchterne Leſſing’ſche Ausſpruch in der Dramaturgie,
wornach der dramatiſche Dichter die Geſchichte, je nach
Befund der Umſtände, benutzen oder unbenutzt laſſen
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