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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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mal zum Volk hernieder ließen, weil ihnen einfiel,
daß man doch vielleicht bloß ein Mensch seyn dürfe,
um ein Schicksal, und unter Umständen ein unge-
heures Schicksal haben zu können, die gemeinen
Menschen, mit denen sie sich in solchen verlorenen
Stunden befaßten, immer erst durch schöne Reden,
die sie ihnen aus ihrem eigenen Schatz vorstreck-
ten, adeln, oder auch durch stöckige Bornirtheit noch
unter ihren wirklichen Standpunct in der Welt
hinab drücken zu müssen glaubten, so daß ihre Per-
sonen uns zum Theil als verwunschene Prinzen
und Prinzessinnen vorkamen, die der Zauberer aus
Malice nicht einmal in Drachen und Löwen und
andere respectable Notabilitäten der Thierwelt, son-
dern in schnöde Bäckermädchen und Schneidergesel-
len verwandelt hatte, zum Theil aber auch als be-
lebte Klötze, an denen es uns schon Wunder neh-
men mußte, daß sie Ja und Nein sagen konn-
ten. Dieß war nun, wo möglich, noch schlim-
mer, es fügte dem Trivialen das Absurde und
Lächerliche hinzu, und obendrein auf eine sehr in
die Augen fallende Weise, denn Jeder weiß, daß
Bürger und Bauern ihre Tropen, deren sie sich eben

mal zum Volk hernieder ließen, weil ihnen einfiel,
daß man doch vielleicht bloß ein Menſch ſeyn dürfe,
um ein Schickſal, und unter Umſtänden ein unge-
heures Schickſal haben zu können, die gemeinen
Menſchen, mit denen ſie ſich in ſolchen verlorenen
Stunden befaßten, immer erſt durch ſchöne Reden,
die ſie ihnen aus ihrem eigenen Schatz vorſtreck-
ten, adeln, oder auch durch ſtöckige Bornirtheit noch
unter ihren wirklichen Standpunct in der Welt
hinab drücken zu müſſen glaubten, ſo daß ihre Per-
ſonen uns zum Theil als verwunſchene Prinzen
und Prinzeſſinnen vorkamen, die der Zauberer aus
Malice nicht einmal in Drachen und Löwen und
andere reſpectable Notabilitäten der Thierwelt, ſon-
dern in ſchnöde Bäckermädchen und Schneidergeſel-
len verwandelt hatte, zum Theil aber auch als be-
lebte Klötze, an denen es uns ſchon Wunder neh-
men mußte, daß ſie Ja und Nein ſagen konn-
ten. Dieß war nun, wo möglich, noch ſchlim-
mer, es fügte dem Trivialen das Abſurde und
Lächerliche hinzu, und obendrein auf eine ſehr in
die Augen fallende Weiſe, denn Jeder weiß, daß
Bürger und Bauern ihre Tropen, deren ſie ſich eben

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[XLIII/0063] mal zum Volk hernieder ließen, weil ihnen einfiel, daß man doch vielleicht bloß ein Menſch ſeyn dürfe, um ein Schickſal, und unter Umſtänden ein unge- heures Schickſal haben zu können, die gemeinen Menſchen, mit denen ſie ſich in ſolchen verlorenen Stunden befaßten, immer erſt durch ſchöne Reden, die ſie ihnen aus ihrem eigenen Schatz vorſtreck- ten, adeln, oder auch durch ſtöckige Bornirtheit noch unter ihren wirklichen Standpunct in der Welt hinab drücken zu müſſen glaubten, ſo daß ihre Per- ſonen uns zum Theil als verwunſchene Prinzen und Prinzeſſinnen vorkamen, die der Zauberer aus Malice nicht einmal in Drachen und Löwen und andere reſpectable Notabilitäten der Thierwelt, ſon- dern in ſchnöde Bäckermädchen und Schneidergeſel- len verwandelt hatte, zum Theil aber auch als be- lebte Klötze, an denen es uns ſchon Wunder neh- men mußte, daß ſie Ja und Nein ſagen konn- ten. Dieß war nun, wo möglich, noch ſchlim- mer, es fügte dem Trivialen das Abſurde und Lächerliche hinzu, und obendrein auf eine ſehr in die Augen fallende Weiſe, denn Jeder weiß, daß Bürger und Bauern ihre Tropen, deren ſie ſich eben

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. XLIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/63>, abgerufen am 24.11.2024.