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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

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Regierung vom 19. April d. J., daß die Taubstummen in der einzu-
reichenden Nachweisung nach dem Geschlecht und nur nach 4 Classen,
als: 1) Kinder vor vollendetem 5ten Lebensjahre; 2) nach dem 5ten,
aber vor vollendetem 15ten Lebensjahre: 3) nach dem 15ten, aber vor
vollendetem 30sten Lebensjahre, aufgeführt werden dürfen.

13. Verfügung vom 31. Decbr. 1834. (v. K. Ann. B. 18.
S. 1023.), betr. den Unterricht für taubstumme Kinder.

Das Königliche Consistorium und Schulcollegium der Provinz
Brandenburg hat an sämmtliche Superintendenten und Schulinspectoren
der Provinz über den Taubstummen-Unterricht nachstehende Circular-
Verfügung erlassen.

Die Wirksamkeit der Taubstummen-Anstalt zu Berlin wird zum
Theil dadurch gehemmt, daß sie ihre Zöglinge meistens in einem ziemlich
vorgerückten Alter und der Regel nach ohne alle Vorbildung erhält,
so daß der erste Unterricht dieser Kinder öfters erst in demjenigen
Lebensalter beginnen muß, in welchem derselbe seinem wichtigsten
Theile nach beendigt sein sollte. Die scheinbare Sorglosigkeit vieler
Eltern für den Unterricht und die Erziehung ihrer taubstummen Kinder
hat mehrentheils ihren Grund in der unrichtigen Voraussetzung, daß
der Unterricht taubstummer Kinder nur in den für diesen Zweck beste-
henden Anstalten, oder doch nur durch einen für den Taubstummen-
Unterricht vollständig ausgebildeten Lehrer, mit Erfolg ertheilt werden
könne, und daß man daher diejenigen taubstummen Kinder, deren
Aufnahme in eine Unterrichts-Anstalt für Taubstumme nicht zu be-
wirken ist, ihrem traurigen Schicksal überlassen müsse. Es ist jedoch
einleuchtend, daß von Seiten der Eltern, und überhaupt derjenigen
Personen, denen die Erziehung taubstummer Kinder anheim fällt, schon
durch deren Gewöhnung an Ordnung und geregelte Thätigkeit sehr
viel geschehen kann, den Geist und das Gemüth dieser Unglücklichen
zu bilden, auch beruht die Kunst des Taubstummen-Unterrichts auf so
einfachen Grundsätzen, daß jeder für das Lehrfach überhaupt wohl
vorbereitete Lehrer den ersten Unterricht taubstummer Kinder, unter
Benutzung der für diesen Gegenstand in neuerer Zeit erschienenen
Hülfsmittel, mit genügendem Erfolg übernehmen kann. Es ist des-
halb auch ein Hauptzweck der mit den Seminarien zu verbindenden
Taubstummen-Anstalten, die künftigen Lehrer an Volksschulen mit der
Methode des Taubstummen-Unterrichts so weit bekannt zu machen, daß

Regierung vom 19. April d. J., daß die Taubſtummen in der einzu-
reichenden Nachweiſung nach dem Geſchlecht und nur nach 4 Claſſen,
als: 1) Kinder vor vollendetem 5ten Lebensjahre; 2) nach dem 5ten,
aber vor vollendetem 15ten Lebensjahre: 3) nach dem 15ten, aber vor
vollendetem 30ſten Lebensjahre, aufgeführt werden dürfen.

13. Verfügung vom 31. Decbr. 1834. (v. K. Ann. B. 18.
S. 1023.), betr. den Unterricht für taubſtumme Kinder.

Das Königliche Conſiſtorium und Schulcollegium der Provinz
Brandenburg hat an ſämmtliche Superintendenten und Schulinſpectoren
der Provinz über den Taubſtummen-Unterricht nachſtehende Circular-
Verfügung erlaſſen.

Die Wirkſamkeit der Taubſtummen-Anſtalt zu Berlin wird zum
Theil dadurch gehemmt, daß ſie ihre Zöglinge meiſtens in einem ziemlich
vorgerückten Alter und der Regel nach ohne alle Vorbildung erhält,
ſo daß der erſte Unterricht dieſer Kinder öfters erſt in demjenigen
Lebensalter beginnen muß, in welchem derſelbe ſeinem wichtigſten
Theile nach beendigt ſein ſollte. Die ſcheinbare Sorgloſigkeit vieler
Eltern für den Unterricht und die Erziehung ihrer taubſtummen Kinder
hat mehrentheils ihren Grund in der unrichtigen Vorausſetzung, daß
der Unterricht taubſtummer Kinder nur in den für dieſen Zweck beſte-
henden Anſtalten, oder doch nur durch einen für den Taubſtummen-
Unterricht vollſtändig ausgebildeten Lehrer, mit Erfolg ertheilt werden
könne, und daß man daher diejenigen taubſtummen Kinder, deren
Aufnahme in eine Unterrichts-Anſtalt für Taubſtumme nicht zu be-
wirken iſt, ihrem traurigen Schickſal überlaſſen müſſe. Es iſt jedoch
einleuchtend, daß von Seiten der Eltern, und überhaupt derjenigen
Perſonen, denen die Erziehung taubſtummer Kinder anheim fällt, ſchon
durch deren Gewöhnung an Ordnung und geregelte Thätigkeit ſehr
viel geſchehen kann, den Geiſt und das Gemüth dieſer Unglücklichen
zu bilden, auch beruht die Kunſt des Taubſtummen-Unterrichts auf ſo
einfachen Grundſätzen, daß jeder für das Lehrfach überhaupt wohl
vorbereitete Lehrer den erſten Unterricht taubſtummer Kinder, unter
Benutzung der für dieſen Gegenſtand in neuerer Zeit erſchienenen
Hülfsmittel, mit genügendem Erfolg übernehmen kann. Es iſt des-
halb auch ein Hauptzweck der mit den Seminarien zu verbindenden
Taubſtummen-Anſtalten, die künftigen Lehrer an Volksſchulen mit der
Methode des Taubſtummen-Unterrichts ſo weit bekannt zu machen, daß

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[343/0357] Regierung vom 19. April d. J., daß die Taubſtummen in der einzu- reichenden Nachweiſung nach dem Geſchlecht und nur nach 4 Claſſen, als: 1) Kinder vor vollendetem 5ten Lebensjahre; 2) nach dem 5ten, aber vor vollendetem 15ten Lebensjahre: 3) nach dem 15ten, aber vor vollendetem 30ſten Lebensjahre, aufgeführt werden dürfen. 13. Verfügung vom 31. Decbr. 1834. (v. K. Ann. B. 18. S. 1023.), betr. den Unterricht für taubſtumme Kinder. Das Königliche Conſiſtorium und Schulcollegium der Provinz Brandenburg hat an ſämmtliche Superintendenten und Schulinſpectoren der Provinz über den Taubſtummen-Unterricht nachſtehende Circular- Verfügung erlaſſen. Die Wirkſamkeit der Taubſtummen-Anſtalt zu Berlin wird zum Theil dadurch gehemmt, daß ſie ihre Zöglinge meiſtens in einem ziemlich vorgerückten Alter und der Regel nach ohne alle Vorbildung erhält, ſo daß der erſte Unterricht dieſer Kinder öfters erſt in demjenigen Lebensalter beginnen muß, in welchem derſelbe ſeinem wichtigſten Theile nach beendigt ſein ſollte. Die ſcheinbare Sorgloſigkeit vieler Eltern für den Unterricht und die Erziehung ihrer taubſtummen Kinder hat mehrentheils ihren Grund in der unrichtigen Vorausſetzung, daß der Unterricht taubſtummer Kinder nur in den für dieſen Zweck beſte- henden Anſtalten, oder doch nur durch einen für den Taubſtummen- Unterricht vollſtändig ausgebildeten Lehrer, mit Erfolg ertheilt werden könne, und daß man daher diejenigen taubſtummen Kinder, deren Aufnahme in eine Unterrichts-Anſtalt für Taubſtumme nicht zu be- wirken iſt, ihrem traurigen Schickſal überlaſſen müſſe. Es iſt jedoch einleuchtend, daß von Seiten der Eltern, und überhaupt derjenigen Perſonen, denen die Erziehung taubſtummer Kinder anheim fällt, ſchon durch deren Gewöhnung an Ordnung und geregelte Thätigkeit ſehr viel geſchehen kann, den Geiſt und das Gemüth dieſer Unglücklichen zu bilden, auch beruht die Kunſt des Taubſtummen-Unterrichts auf ſo einfachen Grundſätzen, daß jeder für das Lehrfach überhaupt wohl vorbereitete Lehrer den erſten Unterricht taubſtummer Kinder, unter Benutzung der für dieſen Gegenſtand in neuerer Zeit erſchienenen Hülfsmittel, mit genügendem Erfolg übernehmen kann. Es iſt des- halb auch ein Hauptzweck der mit den Seminarien zu verbindenden Taubſtummen-Anſtalten, die künftigen Lehrer an Volksſchulen mit der Methode des Taubſtummen-Unterrichts ſo weit bekannt zu machen, daß

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Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/357>, abgerufen am 23.11.2024.