Zu derselben Ueberzeugung gelangt man aber noch durch folgende Betrachtungen: Nach §. 36. Thl. II. Tit. 12. A. L.-R. müssen die Magistrate in den Städten und die Gutsherrschaften auf dem Lande bei Bauten und Reparaturen der Schulgebäude die auf dem Gute oder Kämmereieigenthume, wo die Schule sich befindet, gewachsenen oder gewonnenen Materialien, so weit solche hinreichend vorhanden und zum Bau nothwendig sind, unentgeltlich verabfolgen.
Hier sind die Gutsherrschaften auf dem Lande den Magistraten in den Städten gleichgestellt, und eben diese Gleichstellung lehrt, daß jene Verpflichtung der Gutsherrschaften und Magistrate von dem Ver- hältnisse der Erbunterthänigkeit unabhängig ist, da die letztere in den Städten niemals existirt hat. Eben diese Gutsherrschaften auf dem Lande, welche zur unentgeltlichen Verabfolgung der Materialien ver- bunden sind, sind dieselben, welche nach §. 33. ihre Unterthanen in der Aufbringung ihrer Beiträge zur Unterhaltung des Orts-Schullehrers unterstützen sollen.
Allerdings ist diese Verpflichtung nur eine subsidiarische, nämlich insofern, als die Hausväter des Orts, welche die Schulgemeine bil- den, dazu nicht vermögend sind, §. 29. l. c. Wo aber die letzteren keinen Grund und Boden besitzen, sondern in gutsherrlichen Wohnungen als Einlieger, Dienstleute und Handarbeiter ihr Unterkommen finden, ist der Gutsherr noch überdies im eigentlichsten Sinne als oberster Hausvater anzusehen. Auch tritt in einem solchen Falle seine Ver- pflichtung um so stärker ein, als es eben die ihm zu leistenden Dienste sind, welche die Eltern von den öffentlichen Schulanstalten entfernen.
Auch die Analogie, welche die Verpflichtung der Herrschaften für kranke Dienstboten darbietet, führt zu demselben Resultate. Muß selbst eine gewöhnliche Dienstherrschaft nach §§. 86. 88. und 89. der Ge- sindeordnung vom 8. Novbr. 1810. in Ermangelung von näher Ver- pflichteten für kranke Dienstboten sorgen, so liegt auch den Gutsherr- schaften eine gleiche Verpflichtung für ihre Dienstleute und Einlieger ob, da diese eben um ihrer Dienste willen von allen öffentlichen Heil- anstalten entfernt leben. Die Verpflichtung der Gutsherrschaften, für das leibliche Wohl ihrer Untergebenen zu sorgen, kann aber nicht stärker sein, als die Verpflichtung zu der allgemeinen Erziehung der Kinder; sie ist in dem Verhältniß selbst so begründet, daß sich die Herrschaften sogar durch ein Privatabkommen mit den Dienstleuten
Zu derſelben Ueberzeugung gelangt man aber noch durch folgende Betrachtungen: Nach §. 36. Thl. II. Tit. 12. A. L.-R. müſſen die Magiſtrate in den Städten und die Gutsherrſchaften auf dem Lande bei Bauten und Reparaturen der Schulgebäude die auf dem Gute oder Kämmereieigenthume, wo die Schule ſich befindet, gewachſenen oder gewonnenen Materialien, ſo weit ſolche hinreichend vorhanden und zum Bau nothwendig ſind, unentgeltlich verabfolgen.
Hier ſind die Gutsherrſchaften auf dem Lande den Magiſtraten in den Städten gleichgeſtellt, und eben dieſe Gleichſtellung lehrt, daß jene Verpflichtung der Gutsherrſchaften und Magiſtrate von dem Ver- hältniſſe der Erbunterthänigkeit unabhängig iſt, da die letztere in den Städten niemals exiſtirt hat. Eben dieſe Gutsherrſchaften auf dem Lande, welche zur unentgeltlichen Verabfolgung der Materialien ver- bunden ſind, ſind dieſelben, welche nach §. 33. ihre Unterthanen in der Aufbringung ihrer Beiträge zur Unterhaltung des Orts-Schullehrers unterſtützen ſollen.
Allerdings iſt dieſe Verpflichtung nur eine ſubſidiariſche, nämlich inſofern, als die Hausväter des Orts, welche die Schulgemeine bil- den, dazu nicht vermögend ſind, §. 29. l. c. Wo aber die letzteren keinen Grund und Boden beſitzen, ſondern in gutsherrlichen Wohnungen als Einlieger, Dienſtleute und Handarbeiter ihr Unterkommen finden, iſt der Gutsherr noch überdies im eigentlichſten Sinne als oberſter Hausvater anzuſehen. Auch tritt in einem ſolchen Falle ſeine Ver- pflichtung um ſo ſtärker ein, als es eben die ihm zu leiſtenden Dienſte ſind, welche die Eltern von den öffentlichen Schulanſtalten entfernen.
Auch die Analogie, welche die Verpflichtung der Herrſchaften für kranke Dienſtboten darbietet, führt zu demſelben Reſultate. Muß ſelbſt eine gewöhnliche Dienſtherrſchaft nach §§. 86. 88. und 89. der Ge- ſindeordnung vom 8. Novbr. 1810. in Ermangelung von näher Ver- pflichteten für kranke Dienſtboten ſorgen, ſo liegt auch den Gutsherr- ſchaften eine gleiche Verpflichtung für ihre Dienſtleute und Einlieger ob, da dieſe eben um ihrer Dienſte willen von allen öffentlichen Heil- anſtalten entfernt leben. Die Verpflichtung der Gutsherrſchaften, für das leibliche Wohl ihrer Untergebenen zu ſorgen, kann aber nicht ſtärker ſein, als die Verpflichtung zu der allgemeinen Erziehung der Kinder; ſie iſt in dem Verhältniß ſelbſt ſo begründet, daß ſich die Herrſchaften ſogar durch ein Privatabkommen mit den Dienſtleuten
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Zu derſelben Ueberzeugung gelangt man aber noch durch folgende
Betrachtungen: Nach §. 36. Thl. II. Tit. 12. A. L.-R. müſſen die
Magiſtrate in den Städten und die Gutsherrſchaften auf
dem Lande bei Bauten und Reparaturen der Schulgebäude die auf
dem Gute oder Kämmereieigenthume, wo die Schule ſich befindet,
gewachſenen oder gewonnenen Materialien, ſo weit ſolche hinreichend
vorhanden und zum Bau nothwendig ſind, unentgeltlich verabfolgen.
Hier ſind die Gutsherrſchaften auf dem Lande den Magiſtraten
in den Städten gleichgeſtellt, und eben dieſe Gleichſtellung lehrt, daß
jene Verpflichtung der Gutsherrſchaften und Magiſtrate von dem Ver-
hältniſſe der Erbunterthänigkeit unabhängig iſt, da die letztere in den
Städten niemals exiſtirt hat. Eben dieſe Gutsherrſchaften auf dem
Lande, welche zur unentgeltlichen Verabfolgung der Materialien ver-
bunden ſind, ſind dieſelben, welche nach §. 33. ihre Unterthanen in der
Aufbringung ihrer Beiträge zur Unterhaltung des Orts-Schullehrers
unterſtützen ſollen.
Allerdings iſt dieſe Verpflichtung nur eine ſubſidiariſche, nämlich
inſofern, als die Hausväter des Orts, welche die Schulgemeine bil-
den, dazu nicht vermögend ſind, §. 29. l. c. Wo aber die letzteren
keinen Grund und Boden beſitzen, ſondern in gutsherrlichen Wohnungen
als Einlieger, Dienſtleute und Handarbeiter ihr Unterkommen finden,
iſt der Gutsherr noch überdies im eigentlichſten Sinne als oberſter
Hausvater anzuſehen. Auch tritt in einem ſolchen Falle ſeine Ver-
pflichtung um ſo ſtärker ein, als es eben die ihm zu leiſtenden Dienſte
ſind, welche die Eltern von den öffentlichen Schulanſtalten entfernen.
Auch die Analogie, welche die Verpflichtung der Herrſchaften für
kranke Dienſtboten darbietet, führt zu demſelben Reſultate. Muß ſelbſt
eine gewöhnliche Dienſtherrſchaft nach §§. 86. 88. und 89. der Ge-
ſindeordnung vom 8. Novbr. 1810. in Ermangelung von näher Ver-
pflichteten für kranke Dienſtboten ſorgen, ſo liegt auch den Gutsherr-
ſchaften eine gleiche Verpflichtung für ihre Dienſtleute und Einlieger
ob, da dieſe eben um ihrer Dienſte willen von allen öffentlichen Heil-
anſtalten entfernt leben. Die Verpflichtung der Gutsherrſchaften, für
das leibliche Wohl ihrer Untergebenen zu ſorgen, kann aber nicht
ſtärker ſein, als die Verpflichtung zu der allgemeinen Erziehung der
Kinder; ſie iſt in dem Verhältniß ſelbſt ſo begründet, daß ſich die
Herrſchaften ſogar durch ein Privatabkommen mit den Dienſtleuten
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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/492>, abgerufen am 22.11.2024.
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