II. Per. B. II. Gesch. d. nördl. Eur. Staatensyst.
wenn gleich nicht ohne Ehrgeiz, doch keinesweges zum Re- formator gebohren. Der Aufenthalt seiner Sächsischen Truppen brachte ihn sofort um das Zutrauen der Nation; und bald gab Religionszwist der Anarchie noch neue Nahrung. So kam man allmählig dahin, daß selbst kein Carl oder Peter hier mehr würde haben helfen können.
4. Preußen. Seit 1688 bis 1713 unter der Herrschaft des Churfürsten von Brandenburg und Herzogs, und seit 1701 Königs, von Preußen, FriedrichI. Die Erhe- bung von Preußen zu einem Königreiche, zuerst von dem Kayser, und allmählig von den übrigen Mächten von Europa anerkannt, war zwar kein unmittelbarer Zuwachs an Macht; aber ein Sporn für das regierende Haus, die neue Würde geltend zu machen, sey es durch Prachtliebe, oder durch Oeconomie, oder durch Vergrößerung. Welches Mittel man brauchte, hieng von dem jedesmahligen Geist des Regenten ab; aber das Streben, sich mit den andern Hauptmächten Europas auf gleichen Fuß zu setzen, oder zu erhalten, ward die Grundmaxime dieses Staats. Das Entstehen einer Macht in einem Staatensystem, der Ver- größerung Bedürfniß ist, kann nicht anders als ge- fährlich für dasselbe seyn. Was hätte auch werden müssen, hätte sie nicht lange Zeit hindurch mit dieser Vergrößerungs- sucht eine gewisse Mäßigung verbunden, wozu im Westen die Reichsstandschaft, im Osten die Uebermacht der Nach- baren sie verpflichtete?
5. Dänemark. Gleich zu Anfang des Zeitraums er- hielt es an FriedrichIV. einen Beherrscher 1700-1730, der mit dem Manne auch zum König reifte. Wenn auch gleich anfangs von dem Sturm ergriffen, erlitt es doch am Ende die wenigste Veränderung, weder in der Verfassung, noch in dem Character und Geist der Regierung. Der Fall Schwedens und die Erhebung Rußlands wurde für Däne- mark Gewinn; denn das entferntere Rußland drückte we- niger als das nähere Schweden. Aber der Familienzwist mit dem Gottorpischen Hause wurde drohender als vorher,
durch
II. Per. B. II. Geſch. d. noͤrdl. Eur. Staatenſyſt.
wenn gleich nicht ohne Ehrgeiz, doch keinesweges zum Re- formator gebohren. Der Aufenthalt ſeiner Saͤchſiſchen Truppen brachte ihn ſofort um das Zutrauen der Nation; und bald gab Religionszwiſt der Anarchie noch neue Nahrung. So kam man allmaͤhlig dahin, daß ſelbſt kein Carl oder Peter hier mehr wuͤrde haben helfen koͤnnen.
4. Preußen. Seit 1688 bis 1713 unter der Herrſchaft des Churfuͤrſten von Brandenburg und Herzogs, und ſeit 1701 Koͤnigs, von Preußen, FriedrichI. Die Erhe- bung von Preußen zu einem Koͤnigreiche, zuerſt von dem Kayſer, und allmaͤhlig von den uͤbrigen Maͤchten von Europa anerkannt, war zwar kein unmittelbarer Zuwachs an Macht; aber ein Sporn fuͤr das regierende Haus, die neue Wuͤrde geltend zu machen, ſey es durch Prachtliebe, oder durch Oeconomie, oder durch Vergroͤßerung. Welches Mittel man brauchte, hieng von dem jedesmahligen Geiſt des Regenten ab; aber das Streben, ſich mit den andern Hauptmaͤchten Europas auf gleichen Fuß zu ſetzen, oder zu erhalten, ward die Grundmaxime dieſes Staats. Das Entſtehen einer Macht in einem Staatenſyſtem, der Ver- groͤßerung Beduͤrfniß iſt, kann nicht anders als ge- faͤhrlich fuͤr dasſelbe ſeyn. Was haͤtte auch werden muͤſſen, haͤtte ſie nicht lange Zeit hindurch mit dieſer Vergroͤßerungs- ſucht eine gewiſſe Maͤßigung verbunden, wozu im Weſten die Reichsſtandſchaft, im Oſten die Uebermacht der Nach- baren ſie verpflichtete?
5. Daͤnemark. Gleich zu Anfang des Zeitraums er- hielt es an FriedrichIV. einen Beherrſcher 1700-1730, der mit dem Manne auch zum Koͤnig reifte. Wenn auch gleich anfangs von dem Sturm ergriffen, erlitt es doch am Ende die wenigſte Veraͤnderung, weder in der Verfaſſung, noch in dem Character und Geiſt der Regierung. Der Fall Schwedens und die Erhebung Rußlands wurde fuͤr Daͤne- mark Gewinn; denn das entferntere Rußland druͤckte we- niger als das naͤhere Schweden. Aber der Familienzwiſt mit dem Gottorpiſchen Hauſe wurde drohender als vorher,
durch
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II. Per. B. II. Geſch. d. noͤrdl. Eur. Staatenſyſt.
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Truppen brachte ihn ſofort um das Zutrauen der Nation;
und bald gab Religionszwiſt der Anarchie noch neue
Nahrung. So kam man allmaͤhlig dahin, daß ſelbſt kein
Carl oder Peter hier mehr wuͤrde haben helfen koͤnnen.
4. Preußen. Seit 1688 bis 1713 unter der Herrſchaft
des Churfuͤrſten von Brandenburg und Herzogs, und ſeit
1701 Koͤnigs, von Preußen, Friedrich I. Die Erhe-
bung von Preußen zu einem Koͤnigreiche, zuerſt
von dem Kayſer, und allmaͤhlig von den uͤbrigen Maͤchten
von Europa anerkannt, war zwar kein unmittelbarer Zuwachs
an Macht; aber ein Sporn fuͤr das regierende Haus, die
neue Wuͤrde geltend zu machen, ſey es durch Prachtliebe,
oder durch Oeconomie, oder durch Vergroͤßerung. Welches
Mittel man brauchte, hieng von dem jedesmahligen Geiſt
des Regenten ab; aber das Streben, ſich mit den andern
Hauptmaͤchten Europas auf gleichen Fuß zu ſetzen, oder zu
erhalten, ward die Grundmaxime dieſes Staats. Das
Entſtehen einer Macht in einem Staatenſyſtem, der Ver-
groͤßerung Beduͤrfniß iſt, kann nicht anders als ge-
faͤhrlich fuͤr dasſelbe ſeyn. Was haͤtte auch werden muͤſſen,
haͤtte ſie nicht lange Zeit hindurch mit dieſer Vergroͤßerungs-
ſucht eine gewiſſe Maͤßigung verbunden, wozu im Weſten
die Reichsſtandſchaft, im Oſten die Uebermacht der Nach-
baren ſie verpflichtete?
5. Daͤnemark. Gleich zu Anfang des Zeitraums er-
hielt es an Friedrich IV. einen Beherrſcher 1700-1730,
der mit dem Manne auch zum Koͤnig reifte. Wenn auch
gleich anfangs von dem Sturm ergriffen, erlitt es doch am
Ende die wenigſte Veraͤnderung, weder in der Verfaſſung, noch
in dem Character und Geiſt der Regierung. Der Fall
Schwedens und die Erhebung Rußlands wurde fuͤr Daͤne-
mark Gewinn; denn das entferntere Rußland druͤckte we-
niger als das naͤhere Schweden. Aber der Familienzwiſt
mit dem Gottorpiſchen Hauſe wurde drohender als vorher,
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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/376>, abgerufen am 22.11.2024.
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