II. Per. B. II. Gesch. d. nördl. Eur. Staatensyst.
29. So glich der Preußische Staat einem gro- ßen, möglichst sparsam eingerichteten, Haushalt. Aber doch auch im Privatleben hält man den Haus- halt nicht gerade für den vollkommensten, der der sparsamste ist. Wie vollends, wenn der Grund dieser strengen Oeconomie die Befriedigung einer Lieb[ha]berey ist; denn viel mehr war doch bey Frie- drich Wilhelm I. -- ohne großen Feldherrn- und Eroberungsgeist -- sein Soldatenwesen nicht. Aber doch, welche Folgen mußte die Bildung einer Mon- archie haben, in der die Armee die Haupt- sache war?
30. Welche Anwendung von diesem Heer ge- macht werden sollte, hieng von dem Genie der Herr- scher ab. Aber es war nicht bloß dadurch, daß Preußen auf das übrige Europa einwirkte; es war die verhältnißmäßige Stärke und die innere Einrich- tung dieses Heers, das bald den übrigen zum Mu- ster dienen sollte, wodurch die nachmalige Form der stehenden Heere überhaupt am meisten sich be- stimmte. Die Maxime, eine größere Armee haben zu wollen, als die Bevölkerung liefern konnte, führ- te zu dem System der fremden Werbungen, und allen damit verbundenen Greueln; woraus wie- derum jener entsetzliche Zwang hervorgehen mußte, der unmöglich dazu dienen konnte, den Stand des
gemei-
II. Per. B. II. Geſch. d. noͤrdl. Eur. Staatenſyſt.
29. So glich der Preußiſche Staat einem gro- ßen, moͤglichſt ſparſam eingerichteten, Haushalt. Aber doch auch im Privatleben haͤlt man den Haus- halt nicht gerade fuͤr den vollkommenſten, der der ſparſamſte iſt. Wie vollends, wenn der Grund dieſer ſtrengen Oeconomie die Befriedigung einer Lieb[ha]berey iſt; denn viel mehr war doch bey Frie- drich Wilhelm I. — ohne großen Feldherrn- und Eroberungsgeiſt — ſein Soldatenweſen nicht. Aber doch, welche Folgen mußte die Bildung einer Mon- archie haben, in der die Armee die Haupt- ſache war?
30. Welche Anwendung von dieſem Heer ge- macht werden ſollte, hieng von dem Genie der Herr- ſcher ab. Aber es war nicht bloß dadurch, daß Preußen auf das uͤbrige Europa einwirkte; es war die verhaͤltnißmaͤßige Staͤrke und die innere Einrich- tung dieſes Heers, das bald den uͤbrigen zum Mu- ſter dienen ſollte, wodurch die nachmalige Form der ſtehenden Heere uͤberhaupt am meiſten ſich be- ſtimmte. Die Maxime, eine groͤßere Armee haben zu wollen, als die Bevoͤlkerung liefern konnte, fuͤhr- te zu dem Syſtem der fremden Werbungen, und allen damit verbundenen Greueln; woraus wie- derum jener entſetzliche Zwang hervorgehen mußte, der unmoͤglich dazu dienen konnte, den Stand des
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II. Per. B. II. Geſch. d. noͤrdl. Eur. Staatenſyſt.
29. So glich der Preußiſche Staat einem gro-
ßen, moͤglichſt ſparſam eingerichteten, Haushalt.
Aber doch auch im Privatleben haͤlt man den Haus-
halt nicht gerade fuͤr den vollkommenſten, der der
ſparſamſte iſt. Wie vollends, wenn der Grund
dieſer ſtrengen Oeconomie die Befriedigung einer
Liebhaberey iſt; denn viel mehr war doch bey Frie-
drich Wilhelm I. — ohne großen Feldherrn- und
Eroberungsgeiſt — ſein Soldatenweſen nicht. Aber
doch, welche Folgen mußte die Bildung einer Mon-
archie haben, in der die Armee die Haupt-
ſache war?
30. Welche Anwendung von dieſem Heer ge-
macht werden ſollte, hieng von dem Genie der Herr-
ſcher ab. Aber es war nicht bloß dadurch, daß
Preußen auf das uͤbrige Europa einwirkte; es war
die verhaͤltnißmaͤßige Staͤrke und die innere Einrich-
tung dieſes Heers, das bald den uͤbrigen zum Mu-
ſter dienen ſollte, wodurch die nachmalige Form
der ſtehenden Heere uͤberhaupt am meiſten ſich be-
ſtimmte. Die Maxime, eine groͤßere Armee haben
zu wollen, als die Bevoͤlkerung liefern konnte, fuͤhr-
te zu dem Syſtem der fremden Werbungen,
und allen damit verbundenen Greueln; woraus wie-
derum jener entſetzliche Zwang hervorgehen mußte,
der unmoͤglich dazu dienen konnte, den Stand des
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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/396>, abgerufen am 22.11.2024.
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