zwischen hat die größere Annäherung der Nationen in neuerer Zeit zu weniger exclusiven Principien geführt. Durch Verträge, zu wel- chen fast alle Europäischen Staatsgewalten concurrirt haben 1 oder beigetreten sind, 2 hat man sich verständigt:
daß die Schiffahrt auf Strömen, welche das Gebiet mehrerer Staaten durchfließen, mit allen Nebenströmen vom Anfangs- punkt ihrer Schiffbarwerdung bis zu ihrer Ausmündung in das Meer 3 durchaus frei, und in Beziehung auf den Handel Nie- mand untersagt sein soll;
daß zwar jedem Uferstaat seine Hoheitsgewalt über das Flußge- biet innerhalb seiner Grenzen verbleibt, die Schiffahrt selbst aber so wenig als möglich in ihrer Freiheit gehemmt werden soll; daher insbesondere keine Stapelplätze und gezwungener Umschlag ferner eingerichtet und nur da beibehalten werden dür- fen, wo sie sich für den Schiffahrtsverkehr oder Handel selbst als nützlich ergeben;
daß die Schiffahrtsabgaben unabhängig von dem Werth und der Beschaffenheit der Waaren bestimmt werden sollen, jedoch niemals über den Betrag vom Juni 1815;
daß eine und dieselbe Schiffahrtpolizei für die ganze gemeinsame Schiffahrtstrecke durch gemeinsames Einverständniß hergestellt werden soll; jeder Uferstaat aber für die Unterhaltung der Leinpfade, Treppelwege und die nothwendige Vertiefung des Strombettes zu sorgen hat.
Diese Grundsätze sind bei mehreren Europäischen Hauptflüssen
innocui für alle Nationen an, wiewohl mit dem Zugeständniß, daß dies nur ein unvollkommnes Recht sei, also nur durch Verträge gesichert werden könne. So meint auch noch mit Groot, Pufendorf und Vattel, Mr. Whea- ton, intern. Law. II, 4, §. 12. Die interessante Verhandlung der Frage in Betreff des Missisippi (jetzt erledigt) und in Betreff des St. Lawrence- Flusses s. ebend. §. 18. 19.
1 S. Pariser Friede von 1814. Art. 5. Schlußacte des Wiener Congr. Art. 108--117. u. 118. Die Geschichte der Verhandlungen s. in Klüber Acten des Wiener Congr. Bd. III. Vgl. Wheaton, histoire des progres. p. 388. s. Wilhelm v. Humboldt's großes Verdienst!
2 Namentlich die deutschen Bundesgenossen durch Beschluß von 3. August 1820.
3 Ueber die Bedeutung der Phrase jusqu' a la mer und die darüber ent- standenen Streitigkeiten s. Klüber öffentl. Recht des t. Bundes §. 571.
§. 77. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
zwiſchen hat die größere Annäherung der Nationen in neuerer Zeit zu weniger excluſiven Principien geführt. Durch Verträge, zu wel- chen faſt alle Europäiſchen Staatsgewalten concurrirt haben 1 oder beigetreten ſind, 2 hat man ſich verſtändigt:
daß die Schiffahrt auf Strömen, welche das Gebiet mehrerer Staaten durchfließen, mit allen Nebenſtrömen vom Anfangs- punkt ihrer Schiffbarwerdung bis zu ihrer Ausmündung in das Meer 3 durchaus frei, und in Beziehung auf den Handel Nie- mand unterſagt ſein ſoll;
daß zwar jedem Uferſtaat ſeine Hoheitsgewalt über das Flußge- biet innerhalb ſeiner Grenzen verbleibt, die Schiffahrt ſelbſt aber ſo wenig als möglich in ihrer Freiheit gehemmt werden ſoll; daher insbeſondere keine Stapelplätze und gezwungener Umſchlag ferner eingerichtet und nur da beibehalten werden dür- fen, wo ſie ſich für den Schiffahrtsverkehr oder Handel ſelbſt als nützlich ergeben;
daß die Schiffahrtsabgaben unabhängig von dem Werth und der Beſchaffenheit der Waaren beſtimmt werden ſollen, jedoch niemals über den Betrag vom Juni 1815;
daß eine und dieſelbe Schiffahrtpolizei für die ganze gemeinſame Schiffahrtſtrecke durch gemeinſames Einverſtändniß hergeſtellt werden ſoll; jeder Uferſtaat aber für die Unterhaltung der Leinpfade, Treppelwege und die nothwendige Vertiefung des Strombettes zu ſorgen hat.
Dieſe Grundſätze ſind bei mehreren Europäiſchen Hauptflüſſen
innocui für alle Nationen an, wiewohl mit dem Zugeſtändniß, daß dies nur ein unvollkommnes Recht ſei, alſo nur durch Verträge geſichert werden könne. So meint auch noch mit Groot, Pufendorf und Vattel, Mr. Whea- ton, intern. Law. II, 4, §. 12. Die intereſſante Verhandlung der Frage in Betreff des Miſſiſippi (jetzt erledigt) und in Betreff des St. Lawrence- Fluſſes ſ. ebend. §. 18. 19.
1 S. Pariſer Friede von 1814. Art. 5. Schlußacte des Wiener Congr. Art. 108—117. u. 118. Die Geſchichte der Verhandlungen ſ. in Klüber Acten des Wiener Congr. Bd. III. Vgl. Wheaton, histoire des progrès. p. 388. s. Wilhelm v. Humboldt’s großes Verdienſt!
2 Namentlich die deutſchen Bundesgenoſſen durch Beſchluß von 3. Auguſt 1820.
3 Ueber die Bedeutung der Phraſe jusqu’ à la mer und die darüber ent- ſtandenen Streitigkeiten ſ. Klüber öffentl. Recht des t. Bundes §. 571.
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chen faſt alle Europäiſchen Staatsgewalten concurrirt haben 1 oder
beigetreten ſind, 2 hat man ſich verſtändigt:
daß die Schiffahrt auf Strömen, welche das Gebiet mehrerer
Staaten durchfließen, mit allen Nebenſtrömen vom Anfangs-
punkt ihrer Schiffbarwerdung bis zu ihrer Ausmündung in das
Meer 3 durchaus frei, und in Beziehung auf den Handel Nie-
mand unterſagt ſein ſoll;
daß zwar jedem Uferſtaat ſeine Hoheitsgewalt über das Flußge-
biet innerhalb ſeiner Grenzen verbleibt, die Schiffahrt ſelbſt
aber ſo wenig als möglich in ihrer Freiheit gehemmt werden
ſoll; daher insbeſondere keine Stapelplätze und gezwungener
Umſchlag ferner eingerichtet und nur da beibehalten werden dür-
fen, wo ſie ſich für den Schiffahrtsverkehr oder Handel ſelbſt
als nützlich ergeben;
daß die Schiffahrtsabgaben unabhängig von dem Werth und
der Beſchaffenheit der Waaren beſtimmt werden ſollen, jedoch
niemals über den Betrag vom Juni 1815;
daß eine und dieſelbe Schiffahrtpolizei für die ganze gemeinſame
Schiffahrtſtrecke durch gemeinſames Einverſtändniß hergeſtellt
werden ſoll; jeder Uferſtaat aber für die Unterhaltung der
Leinpfade, Treppelwege und die nothwendige Vertiefung des
Strombettes zu ſorgen hat.
Dieſe Grundſätze ſind bei mehreren Europäiſchen Hauptflüſſen
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1 S. Pariſer Friede von 1814. Art. 5. Schlußacte des Wiener Congr.
Art. 108—117. u. 118. Die Geſchichte der Verhandlungen ſ. in Klüber
Acten des Wiener Congr. Bd. III. Vgl. Wheaton, histoire des progrès.
p. 388. s. Wilhelm v. Humboldt’s großes Verdienſt!
2 Namentlich die deutſchen Bundesgenoſſen durch Beſchluß von 3. Auguſt
1820.
3 Ueber die Bedeutung der Phraſe jusqu’ à la mer und die darüber ent-
ſtandenen Streitigkeiten ſ. Klüber öffentl. Recht des t. Bundes §. 571.
3 innocui für alle Nationen an, wiewohl mit dem Zugeſtändniß, daß dies nur
ein unvollkommnes Recht ſei, alſo nur durch Verträge geſichert werden
könne. So meint auch noch mit Groot, Pufendorf und Vattel, Mr. Whea-
ton, intern. Law. II, 4, §. 12. Die intereſſante Verhandlung der Frage
in Betreff des Miſſiſippi (jetzt erledigt) und in Betreff des St. Lawrence-
Fluſſes ſ. ebend. §. 18. 19.
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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/161>, abgerufen am 24.02.2025.
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