97. Als ein besonders wirksames, obwohl der That nach im- mer sehr unsicheres Mittel hat man oft im internationalen Verkehr die Stellung von Gewährsmännern für übernommene Verbindlich- keiten benutzt. In der älteren Zeit ließ der Promittent Vasal- len oder Unterthanen als Gewähren (warrandi, garants, conser- vatores pacis) dafür einstehn und sich verpflichten, daß dem Ver- trage Folge gegeben werden solle; 2 in der neueren Zeit ist die Ab- schließung accessorischer Garantieverträge mit dritten Mächten üb- licher geworden, wodurch diese die Verbindlichkeit übernehmen, für die Aufrechthaltung eines geschlossenen Hauptvertrages sowohl unter den Contrahenten selbst wie gegen die Eingriffe Anderer mit den ihnen zu Gebot stehenden Mitteln thätig sein zu wollen; eine Anwendung des schon §. 92. IV. erwähnten Garantievertrages auf das obligatorische Band, welches unter zweien oder mehreren Hauptparteien besteht.
Dergleichen Garantien können nicht aufgedrungen werden, son- dern nur auf freiwilliger Annahme der Hauptinteressenten beruhen. 3
Die Annahme muß eine bestimmte sein und von allen, unter denen die Gewährschaft gelten soll, zugestanden werden; sie fließt nicht von selbst aus einem bloßen Accessionsvertrage so wenig wie aus dem Amte des Vermittlers, 4 auch ist bei einem unter mehr als zwei Parteien geschlossenen Vertrage nicht etwa jeder Theilneh-
ser Vers. IX, 2, 457. v. Neumann §. 751 f. Vattel II, 16, §. 311 f. v. Steck, Vers. über versch. Gegenst. 1772. S. 48. und die bei v. Ompteda §. 276. und v. Kamptz §. 250. angezeigten Schriften.
1 Specialschriften bei v. Ompteda §. 276. und v. Kamptz §. 250. S. vor- züglich Henr. Cocceji diss. de guarantia pacis. Fref. V. 1702. Moser Vers. VIII, 335 f. v. Neumann §. 774 f. v. Steck Versuche 1772. No. 5. Neyron, essai sur les garanties. Goett. 1777. Scheidemantel Repertorium II, 156 f. Vattel II, 16, §. 235 f. Klüber §. 157.
2 Beispiele finden sich bis in das sechzehnte Jahrhundert. Vgl. Leibnitz, Cod. iur. gent. I, p. 8. Recueil des traites I, p. 471. Klüber §. 155. not. c.
3 Die Annahme eines Garant von Seiten Eines Contrahenten giebt gegen den Anderen nur die Befugnisse einer einseitigen Garantie. Vgl. v. Neu- mann §. 792. 796.
4Cocceji l. c. IV, 13. v. Neumann §. 793.
Erſtes Buch. §. 97.
Garantieverträge. 1
97. Als ein beſonders wirkſames, obwohl der That nach im- mer ſehr unſicheres Mittel hat man oft im internationalen Verkehr die Stellung von Gewährsmännern für übernommene Verbindlich- keiten benutzt. In der älteren Zeit ließ der Promittent Vaſal- len oder Unterthanen als Gewähren (warrandi, garants, conser- vatores pacis) dafür einſtehn und ſich verpflichten, daß dem Ver- trage Folge gegeben werden ſolle; 2 in der neueren Zeit iſt die Ab- ſchließung acceſſoriſcher Garantieverträge mit dritten Mächten üb- licher geworden, wodurch dieſe die Verbindlichkeit übernehmen, für die Aufrechthaltung eines geſchloſſenen Hauptvertrages ſowohl unter den Contrahenten ſelbſt wie gegen die Eingriffe Anderer mit den ihnen zu Gebot ſtehenden Mitteln thätig ſein zu wollen; eine Anwendung des ſchon §. 92. IV. erwähnten Garantievertrages auf das obligatoriſche Band, welches unter zweien oder mehreren Hauptparteien beſteht.
Dergleichen Garantien können nicht aufgedrungen werden, ſon- dern nur auf freiwilliger Annahme der Hauptintereſſenten beruhen. 3
Die Annahme muß eine beſtimmte ſein und von allen, unter denen die Gewährſchaft gelten ſoll, zugeſtanden werden; ſie fließt nicht von ſelbſt aus einem bloßen Acceſſionsvertrage ſo wenig wie aus dem Amte des Vermittlers, 4 auch iſt bei einem unter mehr als zwei Parteien geſchloſſenen Vertrage nicht etwa jeder Theilneh-
ſer Verſ. IX, 2, 457. v. Neumann §. 751 f. Vattel II, 16, §. 311 f. v. Steck, Verſ. über verſch. Gegenſt. 1772. S. 48. und die bei v. Ompteda §. 276. und v. Kamptz §. 250. angezeigten Schriften.
1 Specialſchriften bei v. Ompteda §. 276. und v. Kamptz §. 250. S. vor- züglich Henr. Cocceji diss. de guarantia pacis. Fref. V. 1702. Moſer Verſ. VIII, 335 f. v. Neumann §. 774 f. v. Steck Verſuche 1772. No. 5. Neyron, essai sur les garanties. Goett. 1777. Scheidemantel Repertorium II, 156 f. Vattel II, 16, §. 235 f. Klüber §. 157.
2 Beiſpiele finden ſich bis in das ſechzehnte Jahrhundert. Vgl. Leibnitz, Cod. iur. gent. I, p. 8. Recueil des traités I, p. 471. Klüber §. 155. not. c.
3 Die Annahme eines Garant von Seiten Eines Contrahenten giebt gegen den Anderen nur die Befugniſſe einer einſeitigen Garantie. Vgl. v. Neu- mann §. 792. 796.
4Cocceji l. c. IV, 13. v. Neumann §. 793.
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Garantieverträge. 1
97. Als ein beſonders wirkſames, obwohl der That nach im-
mer ſehr unſicheres Mittel hat man oft im internationalen Verkehr
die Stellung von Gewährsmännern für übernommene Verbindlich-
keiten benutzt. In der älteren Zeit ließ der Promittent Vaſal-
len oder Unterthanen als Gewähren (warrandi, garants, conser-
vatores pacis) dafür einſtehn und ſich verpflichten, daß dem Ver-
trage Folge gegeben werden ſolle; 2 in der neueren Zeit iſt die Ab-
ſchließung acceſſoriſcher Garantieverträge mit dritten Mächten üb-
licher geworden, wodurch dieſe die Verbindlichkeit übernehmen,
für die Aufrechthaltung eines geſchloſſenen Hauptvertrages ſowohl
unter den Contrahenten ſelbſt wie gegen die Eingriffe Anderer mit
den ihnen zu Gebot ſtehenden Mitteln thätig ſein zu wollen; eine
Anwendung des ſchon §. 92. IV. erwähnten Garantievertrages auf
das obligatoriſche Band, welches unter zweien oder mehreren
Hauptparteien beſteht.
Dergleichen Garantien können nicht aufgedrungen werden, ſon-
dern nur auf freiwilliger Annahme der Hauptintereſſenten beruhen. 3
Die Annahme muß eine beſtimmte ſein und von allen, unter
denen die Gewährſchaft gelten ſoll, zugeſtanden werden; ſie fließt
nicht von ſelbſt aus einem bloßen Acceſſionsvertrage ſo wenig wie
aus dem Amte des Vermittlers, 4 auch iſt bei einem unter mehr
als zwei Parteien geſchloſſenen Vertrage nicht etwa jeder Theilneh-
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1 Specialſchriften bei v. Ompteda §. 276. und v. Kamptz §. 250. S. vor-
züglich Henr. Cocceji diss. de guarantia pacis. Fref. V. 1702. Moſer
Verſ. VIII, 335 f. v. Neumann §. 774 f. v. Steck Verſuche 1772.
No. 5. Neyron, essai sur les garanties. Goett. 1777. Scheidemantel
Repertorium II, 156 f. Vattel II, 16, §. 235 f. Klüber §. 157.
2 Beiſpiele finden ſich bis in das ſechzehnte Jahrhundert. Vgl. Leibnitz,
Cod. iur. gent. I, p. 8. Recueil des traités I, p. 471. Klüber §. 155.
not. c.
3 Die Annahme eines Garant von Seiten Eines Contrahenten giebt gegen
den Anderen nur die Befugniſſe einer einſeitigen Garantie. Vgl. v. Neu-
mann §. 792. 796.
4 Cocceji l. c. IV, 13. v. Neumann §. 793.
5 ſer Verſ. IX, 2, 457. v. Neumann §. 751 f. Vattel II, 16, §. 311 f.
v. Steck, Verſ. über verſch. Gegenſt. 1772. S. 48. und die bei v. Ompteda
§. 276. und v. Kamptz §. 250. angezeigten Schriften.
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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/194>, abgerufen am 24.02.2025.
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