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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 155. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.

155. Als erster Streitpunct erscheint die Frage: von welchem
Moment an die Blocade den Neutralen gegenüber als wirklich vor-
handen anzunehmen sei. 1 Der Natur der Sache nach gehört
dazu die wirkliche Einschließung des blokirten Ortes, wodurch jeder
Zugang von Außen her, es sei nun auf allen Seiten oder doch
auf derjenigen Seite, von woher die Annäherung eines neutralen
Transportmittels erfolgt, wenn auch nicht unmöglich gemacht, doch
aber so erschwert wird, daß die Verbindung mit dem blokirten
Orte nicht bewirkt werden kann, ohne die Blocadelinie zu zerschnei-
den, und ohne sich der Gefahr auszusetzen von der Blocademacht
aufgehalten oder mit Kriegsgeschossen betroffen zu werden. In
mehreren Staatenverträgen sind ausdrückliche Bestimmungen in die-
sem Sinne, 2 zuweilen selbst in der Art getroffen worden, daß man
bei Blocaden zur See die Zahl der Schiffe eines Blocadegeschwa-
ders festgesetzt hat, 3 was indeß nicht zur Regel geworden ist. In
welcher Nähe sich die blokirende Macht bei dem blokirten Platze
zu befinden habe, muß natürlich von den Umständen abhängen.
Gewiß muß es schon genügen, wenn ein Geschwader dergestalt sta-
tionirt ist, daß es den Zugang zu dem blokirten Orte beobachten
und nach gewöhnlicher Berechnung einem sich annähernden frem-
den Schiffe noch zuvor oder beikommen kann.


sich in der That schon die Grundadern der späteren Praxis in ihrer gan-
zen Exorbitanz zeigen. Vgl. darüber Wheaton, histoire p. 86 s. Nach
gesunkener Macht haben die Niederlande ihre Sprache freilich geändert!
1 S. besonders Wheaton, intern. L. II, p. 232 s.
2 v. Steck, S. 188. 189. Nau's Völkerseer. §. 202 f. Die bewaffnete
Neutralität von 1800. ließ denjenigen Hafen als blokirt gelten, ou il y a
par la disposition de la puissance qui l'attaque avec des vaisseaux ar-
retes et suffisamment proches un danger evident d'entrer. Martens
Rec. VII,
176. Die Russisch Englische Convention vom Juni 1801.
setzte an die Stelle des et ein ou. Vgl. darüber Wheaton, hist. p. 326.
Das Preuß. Allg. Landrecht Th. I. Tit. 9. §. 219. hat die Neutralitäts-
convention als Norm beibehalten: "Für eingeschlossen ist ein Hafen zu hal-
ten, wenn derselbe durch eine feindliche Landbatterie oder durch Kriegsschiffe,
die vor dem Hafen stationirt sind, gesperrt ist."
3 Zwei Schiffe z. B. oder sechs. Vgl. v. Steck, S. 188. Klüber dr. d.
gens.
§. 297, Diese Verträge sind aber ganz vereinzelt, und gehören dem
vorigen Jahrh. an. Nur der neueste zwischen Preußen und Dänemark
vom Juni 1818., welcher Artikel 18. zwei (nicht zwanzig, wie Klüber an-
giebt) Schiffe verlangt, ist von diesem Jahrhundert. Martens N. R.
IV,
532.
17*
§. 155. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.

155. Als erſter Streitpunct erſcheint die Frage: von welchem
Moment an die Blocade den Neutralen gegenüber als wirklich vor-
handen anzunehmen ſei. 1 Der Natur der Sache nach gehört
dazu die wirkliche Einſchließung des blokirten Ortes, wodurch jeder
Zugang von Außen her, es ſei nun auf allen Seiten oder doch
auf derjenigen Seite, von woher die Annäherung eines neutralen
Transportmittels erfolgt, wenn auch nicht unmöglich gemacht, doch
aber ſo erſchwert wird, daß die Verbindung mit dem blokirten
Orte nicht bewirkt werden kann, ohne die Blocadelinie zu zerſchnei-
den, und ohne ſich der Gefahr auszuſetzen von der Blocademacht
aufgehalten oder mit Kriegsgeſchoſſen betroffen zu werden. In
mehreren Staatenverträgen ſind ausdrückliche Beſtimmungen in die-
ſem Sinne, 2 zuweilen ſelbſt in der Art getroffen worden, daß man
bei Blocaden zur See die Zahl der Schiffe eines Blocadegeſchwa-
ders feſtgeſetzt hat, 3 was indeß nicht zur Regel geworden iſt. In
welcher Nähe ſich die blokirende Macht bei dem blokirten Platze
zu befinden habe, muß natürlich von den Umſtänden abhängen.
Gewiß muß es ſchon genügen, wenn ein Geſchwader dergeſtalt ſta-
tionirt iſt, daß es den Zugang zu dem blokirten Orte beobachten
und nach gewöhnlicher Berechnung einem ſich annähernden frem-
den Schiffe noch zuvor oder beikommen kann.


ſich in der That ſchon die Grundadern der ſpäteren Praxis in ihrer gan-
zen Exorbitanz zeigen. Vgl. darüber Wheaton, histoire p. 86 s. Nach
geſunkener Macht haben die Niederlande ihre Sprache freilich geändert!
1 S. beſonders Wheaton, intern. L. II, p. 232 s.
2 v. Steck, S. 188. 189. Nau’s Völkerſeer. §. 202 f. Die bewaffnete
Neutralität von 1800. ließ denjenigen Hafen als blokirt gelten, où il y a
par la disposition de la puissance qui l’attaque avec des vaisseaux ar-
rêtés et suffisamment proches un danger évident d’entrer. Martens
Rec. VII,
176. Die Ruſſiſch Engliſche Convention vom Juni 1801.
ſetzte an die Stelle des et ein ou. Vgl. darüber Wheaton, hist. p. 326.
Das Preuß. Allg. Landrecht Th. I. Tit. 9. §. 219. hat die Neutralitäts-
convention als Norm beibehalten: „Für eingeſchloſſen iſt ein Hafen zu hal-
ten, wenn derſelbe durch eine feindliche Landbatterie oder durch Kriegsſchiffe,
die vor dem Hafen ſtationirt ſind, geſperrt iſt.“
3 Zwei Schiffe z. B. oder ſechs. Vgl. v. Steck, S. 188. Klüber dr. d.
gens.
§. 297, Dieſe Verträge ſind aber ganz vereinzelt, und gehören dem
vorigen Jahrh. an. Nur der neueſte zwiſchen Preußen und Dänemark
vom Juni 1818., welcher Artikel 18. zwei (nicht zwanzig, wie Klüber an-
giebt) Schiffe verlangt, iſt von dieſem Jahrhundert. Martens N. R.
IV,
532.
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[259/0283] §. 155. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. 155. Als erſter Streitpunct erſcheint die Frage: von welchem Moment an die Blocade den Neutralen gegenüber als wirklich vor- handen anzunehmen ſei. 1 Der Natur der Sache nach gehört dazu die wirkliche Einſchließung des blokirten Ortes, wodurch jeder Zugang von Außen her, es ſei nun auf allen Seiten oder doch auf derjenigen Seite, von woher die Annäherung eines neutralen Transportmittels erfolgt, wenn auch nicht unmöglich gemacht, doch aber ſo erſchwert wird, daß die Verbindung mit dem blokirten Orte nicht bewirkt werden kann, ohne die Blocadelinie zu zerſchnei- den, und ohne ſich der Gefahr auszuſetzen von der Blocademacht aufgehalten oder mit Kriegsgeſchoſſen betroffen zu werden. In mehreren Staatenverträgen ſind ausdrückliche Beſtimmungen in die- ſem Sinne, 2 zuweilen ſelbſt in der Art getroffen worden, daß man bei Blocaden zur See die Zahl der Schiffe eines Blocadegeſchwa- ders feſtgeſetzt hat, 3 was indeß nicht zur Regel geworden iſt. In welcher Nähe ſich die blokirende Macht bei dem blokirten Platze zu befinden habe, muß natürlich von den Umſtänden abhängen. Gewiß muß es ſchon genügen, wenn ein Geſchwader dergeſtalt ſta- tionirt iſt, daß es den Zugang zu dem blokirten Orte beobachten und nach gewöhnlicher Berechnung einem ſich annähernden frem- den Schiffe noch zuvor oder beikommen kann. 3 1 S. beſonders Wheaton, intern. L. II, p. 232 s. 2 v. Steck, S. 188. 189. Nau’s Völkerſeer. §. 202 f. Die bewaffnete Neutralität von 1800. ließ denjenigen Hafen als blokirt gelten, où il y a par la disposition de la puissance qui l’attaque avec des vaisseaux ar- rêtés et suffisamment proches un danger évident d’entrer. Martens Rec. VII, 176. Die Ruſſiſch Engliſche Convention vom Juni 1801. ſetzte an die Stelle des et ein ou. Vgl. darüber Wheaton, hist. p. 326. Das Preuß. Allg. Landrecht Th. I. Tit. 9. §. 219. hat die Neutralitäts- convention als Norm beibehalten: „Für eingeſchloſſen iſt ein Hafen zu hal- ten, wenn derſelbe durch eine feindliche Landbatterie oder durch Kriegsſchiffe, die vor dem Hafen ſtationirt ſind, geſperrt iſt.“ 3 Zwei Schiffe z. B. oder ſechs. Vgl. v. Steck, S. 188. Klüber dr. d. gens. §. 297, Dieſe Verträge ſind aber ganz vereinzelt, und gehören dem vorigen Jahrh. an. Nur der neueſte zwiſchen Preußen und Dänemark vom Juni 1818., welcher Artikel 18. zwei (nicht zwanzig, wie Klüber an- giebt) Schiffe verlangt, iſt von dieſem Jahrhundert. Martens N. R. IV, 532. 3 ſich in der That ſchon die Grundadern der ſpäteren Praxis in ihrer gan- zen Exorbitanz zeigen. Vgl. darüber Wheaton, histoire p. 86 s. Nach geſunkener Macht haben die Niederlande ihre Sprache freilich geändert! 17*

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/283>, abgerufen am 27.11.2024.