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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 167.
aber auch als ausgemacht zu halten, daß das ältere System eine
gemeingiltige Regel in Ermangelung vertragsmäßiger Ausnahmen
darstelle und jeder europäische Staat gebunden sei, sich demselben
zu unterwerfen. Der Consolato del Mar, worauf man sich Bri-
tischer Seits erst in sehr neuerer Zeit berufen hat, ist kein von
den Nationen mit gemeinsamem Willen angenommenes Gesetz, auch
hat es die Auctorität einzelner, wenn gleich noch so geachteter
Publicisten, nicht dazu erheben können. Haben die Seemächte in
ihrer früheren Vereinzelung die Grundsätze des Consolats in An-
wendung gebracht, so geschahe dieses nicht in der Ueberzeugung von
einer rechtlichen Verpflichtung, sondern nach politischer Wahl, wo-
von man wieder abzugehen nicht verhindert ist.

Das wahre Recht der Neutralen wird sich uns allererst bei
der Frage von dem Durchsuchungsrecht der Kriegführenden erge-
ben. Man kann zugestehen, daß es jedem Kriegführenden erlaubt
sei, feindliches Gut wegzunehmen wo er es findet, aber man hat
ihm darum noch nicht einzuräumen oder schon eingeräumt, dieses
mit Verletzung der Rechte von Dritten zu suchen. Hierin liegt
die Entscheidung!

Durchsuchungsrecht.

167. Zur Sicherstellung der Kriegführenden, daß der neutrale
Verkehr in seinen nothwendigen oder conventionellen Schranken
bleibe, dient hauptsächlich, auch von dem Falle einer Blocade ab-
gesehen, die Anhaltung und demnächst eine Untersuchung neutraler
Schiffe oder sonstiger Transportmittel. Obgleich von mehreren
Schriftstellern schon während des vorigen Jahrhunderts den Krieg-
führenden ein eigentliches Recht hierzu, neutralen Staaten gegen-
über, nach dem Princip der Unabhängigkeit und Freiheit aller Na-
tionen, wenigstens in der einen oder anderen Hinsicht, namentlich
auf offener See bestritten worden ist: 1 so steht doch die Thatsache
unwiderlegbar fest, daß alle Seemächte, welche nur irgend die Mit-
tel dazu besitzen, ein solches Untersuchungsrecht (droit de visite)
in ihren Kriegen wirklich ausgeübt haben, und daß sie es gleich-

1 Besonders ist dies geschehen seit Hübner von der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts an. Einzelne polemische Schriften s. bei Klüber §. 293a. Eine
Prüfung der verschiedenen Ansichten findet sich bei Jouffroy S. 213 ff.
Vgl. Nau Völkerseer. §. 216.

Zweites Buch. §. 167.
aber auch als ausgemacht zu halten, daß das ältere Syſtem eine
gemeingiltige Regel in Ermangelung vertragsmäßiger Ausnahmen
darſtelle und jeder europäiſche Staat gebunden ſei, ſich demſelben
zu unterwerfen. Der Conſolato del Mar, worauf man ſich Bri-
tiſcher Seits erſt in ſehr neuerer Zeit berufen hat, iſt kein von
den Nationen mit gemeinſamem Willen angenommenes Geſetz, auch
hat es die Auctorität einzelner, wenn gleich noch ſo geachteter
Publiciſten, nicht dazu erheben können. Haben die Seemächte in
ihrer früheren Vereinzelung die Grundſätze des Conſolats in An-
wendung gebracht, ſo geſchahe dieſes nicht in der Ueberzeugung von
einer rechtlichen Verpflichtung, ſondern nach politiſcher Wahl, wo-
von man wieder abzugehen nicht verhindert iſt.

Das wahre Recht der Neutralen wird ſich uns allererſt bei
der Frage von dem Durchſuchungsrecht der Kriegführenden erge-
ben. Man kann zugeſtehen, daß es jedem Kriegführenden erlaubt
ſei, feindliches Gut wegzunehmen wo er es findet, aber man hat
ihm darum noch nicht einzuräumen oder ſchon eingeräumt, dieſes
mit Verletzung der Rechte von Dritten zu ſuchen. Hierin liegt
die Entſcheidung!

Durchſuchungsrecht.

167. Zur Sicherſtellung der Kriegführenden, daß der neutrale
Verkehr in ſeinen nothwendigen oder conventionellen Schranken
bleibe, dient hauptſächlich, auch von dem Falle einer Blocade ab-
geſehen, die Anhaltung und demnächſt eine Unterſuchung neutraler
Schiffe oder ſonſtiger Transportmittel. Obgleich von mehreren
Schriftſtellern ſchon während des vorigen Jahrhunderts den Krieg-
führenden ein eigentliches Recht hierzu, neutralen Staaten gegen-
über, nach dem Princip der Unabhängigkeit und Freiheit aller Na-
tionen, wenigſtens in der einen oder anderen Hinſicht, namentlich
auf offener See beſtritten worden iſt: 1 ſo ſteht doch die Thatſache
unwiderlegbar feſt, daß alle Seemächte, welche nur irgend die Mit-
tel dazu beſitzen, ein ſolches Unterſuchungsrecht (droit de visite)
in ihren Kriegen wirklich ausgeübt haben, und daß ſie es gleich-

1 Beſonders iſt dies geſchehen ſeit Hübner von der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts an. Einzelne polemiſche Schriften ſ. bei Klüber §. 293a. Eine
Prüfung der verſchiedenen Anſichten findet ſich bei Jouffroy S. 213 ff.
Vgl. Nau Völkerſeer. §. 216.
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[282/0306] Zweites Buch. §. 167. aber auch als ausgemacht zu halten, daß das ältere Syſtem eine gemeingiltige Regel in Ermangelung vertragsmäßiger Ausnahmen darſtelle und jeder europäiſche Staat gebunden ſei, ſich demſelben zu unterwerfen. Der Conſolato del Mar, worauf man ſich Bri- tiſcher Seits erſt in ſehr neuerer Zeit berufen hat, iſt kein von den Nationen mit gemeinſamem Willen angenommenes Geſetz, auch hat es die Auctorität einzelner, wenn gleich noch ſo geachteter Publiciſten, nicht dazu erheben können. Haben die Seemächte in ihrer früheren Vereinzelung die Grundſätze des Conſolats in An- wendung gebracht, ſo geſchahe dieſes nicht in der Ueberzeugung von einer rechtlichen Verpflichtung, ſondern nach politiſcher Wahl, wo- von man wieder abzugehen nicht verhindert iſt. Das wahre Recht der Neutralen wird ſich uns allererſt bei der Frage von dem Durchſuchungsrecht der Kriegführenden erge- ben. Man kann zugeſtehen, daß es jedem Kriegführenden erlaubt ſei, feindliches Gut wegzunehmen wo er es findet, aber man hat ihm darum noch nicht einzuräumen oder ſchon eingeräumt, dieſes mit Verletzung der Rechte von Dritten zu ſuchen. Hierin liegt die Entſcheidung! Durchſuchungsrecht. 167. Zur Sicherſtellung der Kriegführenden, daß der neutrale Verkehr in ſeinen nothwendigen oder conventionellen Schranken bleibe, dient hauptſächlich, auch von dem Falle einer Blocade ab- geſehen, die Anhaltung und demnächſt eine Unterſuchung neutraler Schiffe oder ſonſtiger Transportmittel. Obgleich von mehreren Schriftſtellern ſchon während des vorigen Jahrhunderts den Krieg- führenden ein eigentliches Recht hierzu, neutralen Staaten gegen- über, nach dem Princip der Unabhängigkeit und Freiheit aller Na- tionen, wenigſtens in der einen oder anderen Hinſicht, namentlich auf offener See beſtritten worden iſt: 1 ſo ſteht doch die Thatſache unwiderlegbar feſt, daß alle Seemächte, welche nur irgend die Mit- tel dazu beſitzen, ein ſolches Unterſuchungsrecht (droit de visite) in ihren Kriegen wirklich ausgeübt haben, und daß ſie es gleich- 1 Beſonders iſt dies geſchehen ſeit Hübner von der Mitte des vorigen Jahr- hunderts an. Einzelne polemiſche Schriften ſ. bei Klüber §. 293a. Eine Prüfung der verſchiedenen Anſichten findet ſich bei Jouffroy S. 213 ff. Vgl. Nau Völkerſeer. §. 216.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/306>, abgerufen am 27.11.2024.