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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 166. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
stens der Grundsatz frei Schiff, frei Gut von der bewaffneten
Neutralität angenommen, und zwar nicht bloß gegen die ihr bei-
tretenden Nationen, sondern überhaupt zu Gunsten aller Nationen,
gewiß derjenigen, welche kein entgegenstehendes Princip aufstellen
würden. Freilich aber ist sie hiervon wieder in den Conventionen
mit Großbritannien von 1801 abgegangen, 1 und seitdem ist das
den Neutralen bequemere System nicht mehr in entschiedener Wirk-
samkeit verblieben. Die nordamericanischen Freistaaten sind zwar
im Allgemeinen geneigt gewesen, die beiden obigen combinirten
Grundsätze der neueren Handelspolitik gleichfalls in Verträgen an-
zunehmen, jedoch in neuester Zeit mit der Beschränkung, daß sie
nur bei Kriegen wider solche Gegner gelten sollten, welche jenes
System gleichfalls beobachteten, 2 ohne welche Voraussetzung aller-
dings Verwickelungen und Nachtheile unvermeidlich sind.

Darüber besteht kein Zweifel, daß aus der vertragsmäßigen
Sanction des einen Grundsatzes: frei Schiff, frei Gut -- noch kei-
neswegs von selbst auch die Adoption des anderen: unfrei Schiff,
unfrei Gut, gefolgert werden darf, 3 so wenig als dieses im um-
gekehrten Falle zulässig sein würde. Wo der letztere Satz angenom-
men ist, hat man oft wieder die Strenge der Stipulation dadurch
gemildert, daß man die schon vor bekannt gewordener Kriegserklä-
rung auf feindliche Schiffe geladenen neutralen Waaren von der
Confiscation befreite. 4

In der bisher geschilderten Lage befindet sich dieser wichtige
Punct des neutralen Seehandels. Unmöglich kann man behaup-
ten, daß das neuere System sich zu einem gemeingiltigen erhoben
habe. Die Vielheit der Verträge, worin es stipulirt ist, bewei-
set noch nicht die allgemeine Annahme. Gerade die bedeutendste
Seemacht hat sich demselben stets widersetzt und in seinem Zuge-
ständniß immer nur ein Privilegium gesehen. Eben so wenig ist

1 de Martens N. Causes celebres. t. II, p. 267. Wheaton hist. p. 316.
2 So in den schon mehrerwähnten Verträgen mit den Central- und Süd-
americanischen Staaten seit 1824, desgleichen in den Verträgen mit Preu-
ßen von 1799 u. 1828, worüber zu vergl. Wheaton hist. p. 461. 462.
3 Jouffroy p. 197. Wheaton intern. L. IV, 3, 20.
4 Vertrag Englands und der vereinigten Niederlande v. 1. Decbr. 1674.
Art. 8. Frankreichs und Nordamericas v. 1778. Art. 14. Der vereinig-
ten Niederlande u. Nordamericas v. 8. Oct. 1782. Art. 12.

§. 166. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
ſtens der Grundſatz frei Schiff, frei Gut von der bewaffneten
Neutralität angenommen, und zwar nicht bloß gegen die ihr bei-
tretenden Nationen, ſondern überhaupt zu Gunſten aller Nationen,
gewiß derjenigen, welche kein entgegenſtehendes Princip aufſtellen
würden. Freilich aber iſt ſie hiervon wieder in den Conventionen
mit Großbritannien von 1801 abgegangen, 1 und ſeitdem iſt das
den Neutralen bequemere Syſtem nicht mehr in entſchiedener Wirk-
ſamkeit verblieben. Die nordamericaniſchen Freiſtaaten ſind zwar
im Allgemeinen geneigt geweſen, die beiden obigen combinirten
Grundſätze der neueren Handelspolitik gleichfalls in Verträgen an-
zunehmen, jedoch in neueſter Zeit mit der Beſchränkung, daß ſie
nur bei Kriegen wider ſolche Gegner gelten ſollten, welche jenes
Syſtem gleichfalls beobachteten, 2 ohne welche Vorausſetzung aller-
dings Verwickelungen und Nachtheile unvermeidlich ſind.

Darüber beſteht kein Zweifel, daß aus der vertragsmäßigen
Sanction des einen Grundſatzes: frei Schiff, frei Gut — noch kei-
neswegs von ſelbſt auch die Adoption des anderen: unfrei Schiff,
unfrei Gut, gefolgert werden darf, 3 ſo wenig als dieſes im um-
gekehrten Falle zuläſſig ſein würde. Wo der letztere Satz angenom-
men iſt, hat man oft wieder die Strenge der Stipulation dadurch
gemildert, daß man die ſchon vor bekannt gewordener Kriegserklä-
rung auf feindliche Schiffe geladenen neutralen Waaren von der
Confiscation befreite. 4

In der bisher geſchilderten Lage befindet ſich dieſer wichtige
Punct des neutralen Seehandels. Unmöglich kann man behaup-
ten, daß das neuere Syſtem ſich zu einem gemeingiltigen erhoben
habe. Die Vielheit der Verträge, worin es ſtipulirt iſt, bewei-
ſet noch nicht die allgemeine Annahme. Gerade die bedeutendſte
Seemacht hat ſich demſelben ſtets widerſetzt und in ſeinem Zuge-
ſtändniß immer nur ein Privilegium geſehen. Eben ſo wenig iſt

1 de Martens N. Causes celèbres. t. II, p. 267. Wheaton hist. p. 316.
2 So in den ſchon mehrerwähnten Verträgen mit den Central- und Süd-
americaniſchen Staaten ſeit 1824, desgleichen in den Verträgen mit Preu-
ßen von 1799 u. 1828, worüber zu vergl. Wheaton hist. p. 461. 462.
3 Jouffroy p. 197. Wheaton intern. L. IV, 3, 20.
4 Vertrag Englands und der vereinigten Niederlande v. 1. Decbr. 1674.
Art. 8. Frankreichs und Nordamericas v. 1778. Art. 14. Der vereinig-
ten Niederlande u. Nordamericas v. 8. Oct. 1782. Art. 12.
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[281/0305] §. 166. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. ſtens der Grundſatz frei Schiff, frei Gut von der bewaffneten Neutralität angenommen, und zwar nicht bloß gegen die ihr bei- tretenden Nationen, ſondern überhaupt zu Gunſten aller Nationen, gewiß derjenigen, welche kein entgegenſtehendes Princip aufſtellen würden. Freilich aber iſt ſie hiervon wieder in den Conventionen mit Großbritannien von 1801 abgegangen, 1 und ſeitdem iſt das den Neutralen bequemere Syſtem nicht mehr in entſchiedener Wirk- ſamkeit verblieben. Die nordamericaniſchen Freiſtaaten ſind zwar im Allgemeinen geneigt geweſen, die beiden obigen combinirten Grundſätze der neueren Handelspolitik gleichfalls in Verträgen an- zunehmen, jedoch in neueſter Zeit mit der Beſchränkung, daß ſie nur bei Kriegen wider ſolche Gegner gelten ſollten, welche jenes Syſtem gleichfalls beobachteten, 2 ohne welche Vorausſetzung aller- dings Verwickelungen und Nachtheile unvermeidlich ſind. Darüber beſteht kein Zweifel, daß aus der vertragsmäßigen Sanction des einen Grundſatzes: frei Schiff, frei Gut — noch kei- neswegs von ſelbſt auch die Adoption des anderen: unfrei Schiff, unfrei Gut, gefolgert werden darf, 3 ſo wenig als dieſes im um- gekehrten Falle zuläſſig ſein würde. Wo der letztere Satz angenom- men iſt, hat man oft wieder die Strenge der Stipulation dadurch gemildert, daß man die ſchon vor bekannt gewordener Kriegserklä- rung auf feindliche Schiffe geladenen neutralen Waaren von der Confiscation befreite. 4 In der bisher geſchilderten Lage befindet ſich dieſer wichtige Punct des neutralen Seehandels. Unmöglich kann man behaup- ten, daß das neuere Syſtem ſich zu einem gemeingiltigen erhoben habe. Die Vielheit der Verträge, worin es ſtipulirt iſt, bewei- ſet noch nicht die allgemeine Annahme. Gerade die bedeutendſte Seemacht hat ſich demſelben ſtets widerſetzt und in ſeinem Zuge- ſtändniß immer nur ein Privilegium geſehen. Eben ſo wenig iſt 1 de Martens N. Causes celèbres. t. II, p. 267. Wheaton hist. p. 316. 2 So in den ſchon mehrerwähnten Verträgen mit den Central- und Süd- americaniſchen Staaten ſeit 1824, desgleichen in den Verträgen mit Preu- ßen von 1799 u. 1828, worüber zu vergl. Wheaton hist. p. 461. 462. 3 Jouffroy p. 197. Wheaton intern. L. IV, 3, 20. 4 Vertrag Englands und der vereinigten Niederlande v. 1. Decbr. 1674. Art. 8. Frankreichs und Nordamericas v. 1778. Art. 14. Der vereinig- ten Niederlande u. Nordamericas v. 8. Oct. 1782. Art. 12.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/305>, abgerufen am 27.11.2024.