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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 166.
sten Beschwerden für die Neutralen insbesondere in Kriegen der
bedeutenderen Seemächte und seit dem Aufkommen des neueren
Capersystemes verbunden waren, indem der Vorwand oder ge-
ringste Verdacht der feindlichen Qualität eines Schiffes, ja selbst
nur eines Theiles der Ladung zu der Wegführung des neutralen
Eigenthums außerhalb seines bestimmten Weges, mithin zu steten
Störungen des neutralen Handels einen Deckmantel abgeben konnte:
so suchte man in Verträgen Schutz, wodurch die Contrahenten im
Falle der Neutralität des Einen bei Kriegen des Anderen auf eine
Durchsuchung und Wegführung der Schiffe des Neutralen, ausge-
nommen wegen Contrebande, verzichteten, mithin selbst feindliche
Güter durch die Flagge decken ließen, wogegen man sich oft, wie-
wohl nicht immer das Zugeständniß der Wegnahme neutraler Gü-
ter auf den feindlichen Schiffen machte. 1

Vorzüglich Frankreich hat sich die vertragsweise Stipulation
des combinirten Grundsatzes: frei Schiff, frei Gut; unfrei Schiff,
unfrei Gut, als Aufgabe seiner Politik gestellt 2 und sie nur zu-
weilen kleineren Staaten ungroßmüthig vorenthalten, dann vielmehr
den Grundsatz des Consolats: "frei Schiff, unfrei Gut" adoptirt. 3
Außerdem sind die vereinigten Niederlande vielfach auf das ver-
tragsmäßige Zugeständniß des neueren Neutralitätssystemes bedacht
gewesen; seltener hat Großbritannien einzelnen Nationen die Frei-
heit der neutralen Flagge zugestanden, 4 oder wie seine Publicisten
es wohl sonst ausgedrückt haben, sie damit privilegirt! Ganz
besonders suchte man sich mit den Barbaresken auf diesen Fuß
von Seiten aller Seemächte zu stellen. 5 Endlich wurde wenig-

1 Vgl. Wheaton hist. p. 69 f. 73. 144. 221. Moshamm, über die neue-
sten Ansichten, nach welchen die auf neutralen Schiffen geladenen Güter
behandelt werden. Landsh. 1808.
2 Der Anfang wurde mit der Pforte gemacht, welche im J. 1604. in s. g.
Capitulationen der Krone Frankreich verschiedene Bewilligungen, darunter
auch die obige, machte. Flassan, dipl. franc. I, 225 f. Die ferneren
Verträge mit anderen Mächten finden sich allegirt in Büsch Bestreben der
Völker etc. Hamb. 1800. S. 56 ff. Ein letztes Beispiel ist der Vertrag
mit Texas vom 25. Sept. 1839. Art. 4. Nouv. Recueil t. XVI, p. 989.
3 So in den Verträgen mit den Hansestädten, namentlich mit Hamburg,
während des vorigen Jahrhunderts. Nau's Völkerseer. §. 177.
4 Namentlich geschahe es im Utrechter Frieden von 1713. und implicite
wohl von Neuem im Aachener von 1748.
5 Vgl. Büsch, a. a. O. S. 242 f. Nau's Völkerseer. §. 130.

Zweites Buch. §. 166.
ſten Beſchwerden für die Neutralen insbeſondere in Kriegen der
bedeutenderen Seemächte und ſeit dem Aufkommen des neueren
Caperſyſtemes verbunden waren, indem der Vorwand oder ge-
ringſte Verdacht der feindlichen Qualität eines Schiffes, ja ſelbſt
nur eines Theiles der Ladung zu der Wegführung des neutralen
Eigenthums außerhalb ſeines beſtimmten Weges, mithin zu ſteten
Störungen des neutralen Handels einen Deckmantel abgeben konnte:
ſo ſuchte man in Verträgen Schutz, wodurch die Contrahenten im
Falle der Neutralität des Einen bei Kriegen des Anderen auf eine
Durchſuchung und Wegführung der Schiffe des Neutralen, ausge-
nommen wegen Contrebande, verzichteten, mithin ſelbſt feindliche
Güter durch die Flagge decken ließen, wogegen man ſich oft, wie-
wohl nicht immer das Zugeſtändniß der Wegnahme neutraler Gü-
ter auf den feindlichen Schiffen machte. 1

Vorzüglich Frankreich hat ſich die vertragsweiſe Stipulation
des combinirten Grundſatzes: frei Schiff, frei Gut; unfrei Schiff,
unfrei Gut, als Aufgabe ſeiner Politik geſtellt 2 und ſie nur zu-
weilen kleineren Staaten ungroßmüthig vorenthalten, dann vielmehr
den Grundſatz des Conſolats: „frei Schiff, unfrei Gut“ adoptirt. 3
Außerdem ſind die vereinigten Niederlande vielfach auf das ver-
tragsmäßige Zugeſtändniß des neueren Neutralitätsſyſtemes bedacht
geweſen; ſeltener hat Großbritannien einzelnen Nationen die Frei-
heit der neutralen Flagge zugeſtanden, 4 oder wie ſeine Publiciſten
es wohl ſonſt ausgedrückt haben, ſie damit privilegirt! Ganz
beſonders ſuchte man ſich mit den Barbaresken auf dieſen Fuß
von Seiten aller Seemächte zu ſtellen. 5 Endlich wurde wenig-

1 Vgl. Wheaton hist. p. 69 f. 73. 144. 221. Moshamm, über die neue-
ſten Anſichten, nach welchen die auf neutralen Schiffen geladenen Güter
behandelt werden. Landsh. 1808.
2 Der Anfang wurde mit der Pforte gemacht, welche im J. 1604. in ſ. g.
Capitulationen der Krone Frankreich verſchiedene Bewilligungen, darunter
auch die obige, machte. Flassan, dipl. franc. I, 225 f. Die ferneren
Verträge mit anderen Mächten finden ſich allegirt in Büſch Beſtreben der
Völker ꝛc. Hamb. 1800. S. 56 ff. Ein letztes Beiſpiel iſt der Vertrag
mit Texas vom 25. Sept. 1839. Art. 4. Nouv. Recueil t. XVI, p. 989.
3 So in den Verträgen mit den Hanſeſtädten, namentlich mit Hamburg,
während des vorigen Jahrhunderts. Nau’s Völkerſeer. §. 177.
4 Namentlich geſchahe es im Utrechter Frieden von 1713. und implicite
wohl von Neuem im Aachener von 1748.
5 Vgl. Büſch, a. a. O. S. 242 f. Nau’s Völkerſeer. §. 130.
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[280/0304] Zweites Buch. §. 166. ſten Beſchwerden für die Neutralen insbeſondere in Kriegen der bedeutenderen Seemächte und ſeit dem Aufkommen des neueren Caperſyſtemes verbunden waren, indem der Vorwand oder ge- ringſte Verdacht der feindlichen Qualität eines Schiffes, ja ſelbſt nur eines Theiles der Ladung zu der Wegführung des neutralen Eigenthums außerhalb ſeines beſtimmten Weges, mithin zu ſteten Störungen des neutralen Handels einen Deckmantel abgeben konnte: ſo ſuchte man in Verträgen Schutz, wodurch die Contrahenten im Falle der Neutralität des Einen bei Kriegen des Anderen auf eine Durchſuchung und Wegführung der Schiffe des Neutralen, ausge- nommen wegen Contrebande, verzichteten, mithin ſelbſt feindliche Güter durch die Flagge decken ließen, wogegen man ſich oft, wie- wohl nicht immer das Zugeſtändniß der Wegnahme neutraler Gü- ter auf den feindlichen Schiffen machte. 1 Vorzüglich Frankreich hat ſich die vertragsweiſe Stipulation des combinirten Grundſatzes: frei Schiff, frei Gut; unfrei Schiff, unfrei Gut, als Aufgabe ſeiner Politik geſtellt 2 und ſie nur zu- weilen kleineren Staaten ungroßmüthig vorenthalten, dann vielmehr den Grundſatz des Conſolats: „frei Schiff, unfrei Gut“ adoptirt. 3 Außerdem ſind die vereinigten Niederlande vielfach auf das ver- tragsmäßige Zugeſtändniß des neueren Neutralitätsſyſtemes bedacht geweſen; ſeltener hat Großbritannien einzelnen Nationen die Frei- heit der neutralen Flagge zugeſtanden, 4 oder wie ſeine Publiciſten es wohl ſonſt ausgedrückt haben, ſie damit privilegirt! Ganz beſonders ſuchte man ſich mit den Barbaresken auf dieſen Fuß von Seiten aller Seemächte zu ſtellen. 5 Endlich wurde wenig- 1 Vgl. Wheaton hist. p. 69 f. 73. 144. 221. Moshamm, über die neue- ſten Anſichten, nach welchen die auf neutralen Schiffen geladenen Güter behandelt werden. Landsh. 1808. 2 Der Anfang wurde mit der Pforte gemacht, welche im J. 1604. in ſ. g. Capitulationen der Krone Frankreich verſchiedene Bewilligungen, darunter auch die obige, machte. Flassan, dipl. franc. I, 225 f. Die ferneren Verträge mit anderen Mächten finden ſich allegirt in Büſch Beſtreben der Völker ꝛc. Hamb. 1800. S. 56 ff. Ein letztes Beiſpiel iſt der Vertrag mit Texas vom 25. Sept. 1839. Art. 4. Nouv. Recueil t. XVI, p. 989. 3 So in den Verträgen mit den Hanſeſtädten, namentlich mit Hamburg, während des vorigen Jahrhunderts. Nau’s Völkerſeer. §. 177. 4 Namentlich geſchahe es im Utrechter Frieden von 1713. und implicite wohl von Neuem im Aachener von 1748. 5 Vgl. Büſch, a. a. O. S. 242 f. Nau’s Völkerſeer. §. 130.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/304>, abgerufen am 27.11.2024.