Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. §. 169.
den. 1 -- Sachen, welche visitirt werden dürfen, sind alle Arten
von Transportmitteln, denen keine vollkommen unverfängliche oder
unantastbar ausschließliche Bestimmung zu gewissen erlaubten, mit
dem Feinde in gar keinem Zusammenhang stehenden Zwecken deut-
lich und unverkennbar anklebt. Befreit sind namentlich alle Kriegs-
schiffe der neutralen Staaten, soweit sich deren Qualität unzwei-
deutig kund giebt; 2 unterworfen dagegen alle Privatschiffe und
solche Transportmittel, deren Qualität und Eigenthum oder un-
verfängliche Bestimmung nicht von selbst in die Augen springt.

Specielle Zwecke der Untersuchung sind hiernächst:

das etwanige Dasein feindlichen Eigenthums, es sei in Be-
treff des Transportmittels oder in Betreff der Ladung;
das etwanige Dasein feindlicher Personen;
die etwanige Zufuhr von Contrebande oder anderen verbote-
nen Artikeln;
die beabsichtigte Communication mit blokirten Orten.

Demnach ist zu ermitteln:

die Nationalität des Schiffes;
die Beschaffenheit, Herkunft und Bestimmung der Ladung;
die Nationalität der Bemannung, wofern nicht etwa diese
Vertragsweise durch die Nationalität des Schiffes gedeckt
wird. 3

Im Uebrigen kann selbst die Maxime: "Frei Schiff, frei Gut" das
Recht der Untersuchung zu Gunsten der Neutralen nicht ausschlie-
ßen, da wenigstens immer eine Nachfrage und Nachsuchung nach
Contrebande, desgleichen nach der Nationalität des Schiffcs ver-
gönnt werden muß. 4

169. Berechtigt zur Vornahme einer Untersuchung sind
allein die von den kriegführenden Staatsgewalten hierzu berufenen

1 Jocobsen, Seerecht S. 584.
2 Die Militärflagge allein kann einem Schiffe schwerlich schon den unzwei-
felhaften Character eines Kriegsschiffes ertheilen, Verhandlungen über diese
Frage finden sich in v. Martens Erzählungen merkwürdiger Fälle. Bd. II,
S. 1 u. f.
3 Verträge dieser Art sind unter andern von der Krone Frankreich geschlos-
sen. So zuletzt mit der Republik Texas im Jahre 1839.
4 Vgl. die richtigen Bemerkungen in dem Urtheil von Sir William Scott
in Robinson, Adm. Rep. I, p. 340. Wheaton intern. L. II, p. 250.

Zweites Buch. §. 169.
den. 1Sachen, welche viſitirt werden dürfen, ſind alle Arten
von Transportmitteln, denen keine vollkommen unverfängliche oder
unantaſtbar ausſchließliche Beſtimmung zu gewiſſen erlaubten, mit
dem Feinde in gar keinem Zuſammenhang ſtehenden Zwecken deut-
lich und unverkennbar anklebt. Befreit ſind namentlich alle Kriegs-
ſchiffe der neutralen Staaten, ſoweit ſich deren Qualität unzwei-
deutig kund giebt; 2 unterworfen dagegen alle Privatſchiffe und
ſolche Transportmittel, deren Qualität und Eigenthum oder un-
verfängliche Beſtimmung nicht von ſelbſt in die Augen ſpringt.

Specielle Zwecke der Unterſuchung ſind hiernächſt:

das etwanige Daſein feindlichen Eigenthums, es ſei in Be-
treff des Transportmittels oder in Betreff der Ladung;
das etwanige Daſein feindlicher Perſonen;
die etwanige Zufuhr von Contrebande oder anderen verbote-
nen Artikeln;
die beabſichtigte Communication mit blokirten Orten.

Demnach iſt zu ermitteln:

die Nationalität des Schiffes;
die Beſchaffenheit, Herkunft und Beſtimmung der Ladung;
die Nationalität der Bemannung, wofern nicht etwa dieſe
Vertragsweiſe durch die Nationalität des Schiffes gedeckt
wird. 3

Im Uebrigen kann ſelbſt die Maxime: „Frei Schiff, frei Gut“ das
Recht der Unterſuchung zu Gunſten der Neutralen nicht ausſchlie-
ßen, da wenigſtens immer eine Nachfrage und Nachſuchung nach
Contrebande, desgleichen nach der Nationalität des Schiffcs ver-
gönnt werden muß. 4

169. Berechtigt zur Vornahme einer Unterſuchung ſind
allein die von den kriegführenden Staatsgewalten hierzu berufenen

1 Jocobſen, Seerecht S. 584.
2 Die Militärflagge allein kann einem Schiffe ſchwerlich ſchon den unzwei-
felhaften Character eines Kriegsſchiffes ertheilen, Verhandlungen über dieſe
Frage finden ſich in v. Martens Erzählungen merkwürdiger Fälle. Bd. II,
S. 1 u. f.
3 Verträge dieſer Art ſind unter andern von der Krone Frankreich geſchloſ-
ſen. So zuletzt mit der Republik Texas im Jahre 1839.
4 Vgl. die richtigen Bemerkungen in dem Urtheil von Sir William Scott
in Robinſon, Adm. Rep. I, p. 340. Wheaton intern. L. II, p. 250.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0308" n="284"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch</hi>. §. 169.</fw><lb/>
den. <note place="foot" n="1">Jocob&#x017F;en, Seerecht S. 584.</note> &#x2014; <hi rendition="#g">Sachen</hi>, welche vi&#x017F;itirt werden dürfen, &#x017F;ind alle Arten<lb/>
von Transportmitteln, denen keine vollkommen unverfängliche oder<lb/>
unanta&#x017F;tbar aus&#x017F;chließliche Be&#x017F;timmung zu gewi&#x017F;&#x017F;en erlaubten, mit<lb/>
dem Feinde in gar keinem Zu&#x017F;ammenhang &#x017F;tehenden Zwecken deut-<lb/>
lich und unverkennbar anklebt. Befreit &#x017F;ind namentlich alle Kriegs-<lb/>
&#x017F;chiffe der neutralen Staaten, &#x017F;oweit &#x017F;ich deren Qualität unzwei-<lb/>
deutig kund giebt; <note place="foot" n="2">Die Militärflagge allein kann einem Schiffe &#x017F;chwerlich &#x017F;chon den unzwei-<lb/>
felhaften Character eines Kriegs&#x017F;chiffes ertheilen, Verhandlungen über die&#x017F;e<lb/>
Frage finden &#x017F;ich in v. Martens Erzählungen merkwürdiger Fälle. Bd. <hi rendition="#aq">II,</hi><lb/>
S. 1 u. f.</note> unterworfen dagegen alle Privat&#x017F;chiffe und<lb/>
&#x017F;olche Transportmittel, deren Qualität und Eigenthum oder un-<lb/>
verfängliche Be&#x017F;timmung nicht von &#x017F;elb&#x017F;t in die Augen &#x017F;pringt.</p><lb/>
            <p>Specielle Zwecke der Unter&#x017F;uchung &#x017F;ind hiernäch&#x017F;t:</p><lb/>
            <list>
              <item>das etwanige Da&#x017F;ein feindlichen Eigenthums, es &#x017F;ei in Be-<lb/>
treff des Transportmittels oder in Betreff der Ladung;</item><lb/>
              <item>das etwanige Da&#x017F;ein feindlicher Per&#x017F;onen;</item><lb/>
              <item>die etwanige Zufuhr von Contrebande oder anderen verbote-<lb/>
nen Artikeln;</item><lb/>
              <item>die beab&#x017F;ichtigte Communication mit blokirten Orten.</item>
            </list><lb/>
            <p>Demnach i&#x017F;t zu ermitteln:</p><lb/>
            <list>
              <item>die Nationalität des Schiffes;</item><lb/>
              <item>die Be&#x017F;chaffenheit, Herkunft und Be&#x017F;timmung der Ladung;</item><lb/>
              <item>die Nationalität der Bemannung, wofern nicht etwa die&#x017F;e<lb/>
Vertragswei&#x017F;e durch die Nationalität des Schiffes gedeckt<lb/>
wird. <note place="foot" n="3">Verträge die&#x017F;er Art &#x017F;ind unter andern von der Krone Frankreich ge&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. So zuletzt mit der Republik Texas im Jahre 1839.</note></item>
            </list><lb/>
            <p>Im Uebrigen kann &#x017F;elb&#x017F;t die Maxime: &#x201E;Frei Schiff, frei Gut&#x201C; das<lb/>
Recht der Unter&#x017F;uchung zu Gun&#x017F;ten der Neutralen nicht aus&#x017F;chlie-<lb/>
ßen, da wenig&#x017F;tens immer eine Nachfrage und Nach&#x017F;uchung nach<lb/>
Contrebande, desgleichen nach der Nationalität des Schiffcs ver-<lb/>
gönnt werden muß. <note place="foot" n="4">Vgl. die richtigen Bemerkungen in dem Urtheil von Sir William Scott<lb/>
in Robin&#x017F;on, <hi rendition="#aq">Adm. Rep. I, p. 340. Wheaton intern. L. II, p.</hi> 250.</note></p><lb/>
            <p>169. <hi rendition="#g">Berechtigt zur Vornahme</hi> einer Unter&#x017F;uchung &#x017F;ind<lb/>
allein die von den kriegführenden Staatsgewalten hierzu berufenen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0308] Zweites Buch. §. 169. den. 1 — Sachen, welche viſitirt werden dürfen, ſind alle Arten von Transportmitteln, denen keine vollkommen unverfängliche oder unantaſtbar ausſchließliche Beſtimmung zu gewiſſen erlaubten, mit dem Feinde in gar keinem Zuſammenhang ſtehenden Zwecken deut- lich und unverkennbar anklebt. Befreit ſind namentlich alle Kriegs- ſchiffe der neutralen Staaten, ſoweit ſich deren Qualität unzwei- deutig kund giebt; 2 unterworfen dagegen alle Privatſchiffe und ſolche Transportmittel, deren Qualität und Eigenthum oder un- verfängliche Beſtimmung nicht von ſelbſt in die Augen ſpringt. Specielle Zwecke der Unterſuchung ſind hiernächſt: das etwanige Daſein feindlichen Eigenthums, es ſei in Be- treff des Transportmittels oder in Betreff der Ladung; das etwanige Daſein feindlicher Perſonen; die etwanige Zufuhr von Contrebande oder anderen verbote- nen Artikeln; die beabſichtigte Communication mit blokirten Orten. Demnach iſt zu ermitteln: die Nationalität des Schiffes; die Beſchaffenheit, Herkunft und Beſtimmung der Ladung; die Nationalität der Bemannung, wofern nicht etwa dieſe Vertragsweiſe durch die Nationalität des Schiffes gedeckt wird. 3 Im Uebrigen kann ſelbſt die Maxime: „Frei Schiff, frei Gut“ das Recht der Unterſuchung zu Gunſten der Neutralen nicht ausſchlie- ßen, da wenigſtens immer eine Nachfrage und Nachſuchung nach Contrebande, desgleichen nach der Nationalität des Schiffcs ver- gönnt werden muß. 4 169. Berechtigt zur Vornahme einer Unterſuchung ſind allein die von den kriegführenden Staatsgewalten hierzu berufenen 1 Jocobſen, Seerecht S. 584. 2 Die Militärflagge allein kann einem Schiffe ſchwerlich ſchon den unzwei- felhaften Character eines Kriegsſchiffes ertheilen, Verhandlungen über dieſe Frage finden ſich in v. Martens Erzählungen merkwürdiger Fälle. Bd. II, S. 1 u. f. 3 Verträge dieſer Art ſind unter andern von der Krone Frankreich geſchloſ- ſen. So zuletzt mit der Republik Texas im Jahre 1839. 4 Vgl. die richtigen Bemerkungen in dem Urtheil von Sir William Scott in Robinſon, Adm. Rep. I, p. 340. Wheaton intern. L. II, p. 250.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/308
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/308>, abgerufen am 27.11.2024.