Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Zweites Buch. §. 180. Hierin liegt nun die s. g. Amnestie-Clausel, 1 die, wie be-merkt, eine doppelte Beziehung hat, wiewohl sie in engerer Bedeutung meist auf eine Niederschlagung aller Ansprüche aus dem vorübergegangenen Kriegsstande beschränkt wird. Ge- wöhnlich findet sie sich ausdrücklich in den Friedensverträ- gen; allein auch ohne Beifügung versteht sie sich von selbst. 2 Vorbehalten bleiben dagegen: Privatansprüche einer Partei an die Angehörigen der an- deren, welche während des Krieges aus rechtmäßigen Gründen erwachsen sind, selbst diejenigen, wodurch man sich von einer nur kriegsrechtlichen Befugniß des Fein- des losgekauft hat; 3 Ansprüche an Dritte; alle Privatansprüche unter den Angehörigen beider Theile, welche schon vor dem Kriege existirten; endlich alle außer Streit befindlichen Forderungsrechte unter den Parteien selbst, welche vor dem Kriege existirten und durch dessen Ausbruch nicht mehr beseitigt werden konnten.4 1 Hierüber die v. Ompteda §. 327. und bei v. Kamptz §. 329. angeführten Schriften. Vornehmlich H. v. Cocceji de postliminio et amnestia 1691. v. Steck, de amnestia in Obss. subsec. n. 13. Dazu Groot III, 20, 15. 2 Gudelin, de pace c. 3. "in amnestia consistit substantia pacis et abs- que illa nequit esse pax, atque adeo paci ista lex inesse intelligitur." Vgl. Klüber dr. d. g. §. 324. Wheaton, intern. L. IV, 4. H. Cocceji behauptete fast allein das Gegentheil. 3 Z. B. Ranzionirungsgelder (s. oben §. 142.); Schulden der Kriegsgefan- genen für ihre Bedürfnisse, Wheaton a. a. O. §. 3. Schuldverschreibun- gen für erlaubte kriegsrechtliche Requisitionen -- wiewohl dieses nicht für un- zweifelhaft gehalten wird. Klüglich werden daher in Friedensschlüssen alle Ver- schreibungen pour cause de guerre für nichtig erklärt; s. z. B. den Teschener Frieden v, 1779. Art. 5. Unbedenklich sind es die nur durch kriegsrechts- widrige Vergewaltigung erzwungenen. Vgl. Osnabr. Friedensschl. IV, 46. 4 Treffend bemerkt Mr. Wheaton mit Berufung auf Vattel IV, 19--21.
Folgendes: The effect of a treaty of peace is to put an end to the war and to abolish the subject of it. It is an agreement to waive all discussion concerning the respective rights and claims of the parties, and to bury in oblivion the original causes of the war. It forbids the revival of the same war by resuming hostilities for the original cause which first kindled it, or for whatever may have occurred in the course Zweites Buch. §. 180. Hierin liegt nun die ſ. g. Amneſtie-Clauſel, 1 die, wie be-merkt, eine doppelte Beziehung hat, wiewohl ſie in engerer Bedeutung meiſt auf eine Niederſchlagung aller Anſprüche aus dem vorübergegangenen Kriegsſtande beſchränkt wird. Ge- wöhnlich findet ſie ſich ausdrücklich in den Friedensverträ- gen; allein auch ohne Beifügung verſteht ſie ſich von ſelbſt. 2 Vorbehalten bleiben dagegen: Privatanſprüche einer Partei an die Angehörigen der an- deren, welche während des Krieges aus rechtmäßigen Gründen erwachſen ſind, ſelbſt diejenigen, wodurch man ſich von einer nur kriegsrechtlichen Befugniß des Fein- des losgekauft hat; 3 Anſprüche an Dritte; alle Privatanſprüche unter den Angehörigen beider Theile, welche ſchon vor dem Kriege exiſtirten; endlich alle außer Streit befindlichen Forderungsrechte unter den Parteien ſelbſt, welche vor dem Kriege exiſtirten und durch deſſen Ausbruch nicht mehr beſeitigt werden konnten.4 1 Hierüber die v. Ompteda §. 327. und bei v. Kamptz §. 329. angeführten Schriften. Vornehmlich H. v. Cocceji de postliminio et amnestia 1691. v. Steck, de amnestia in Obss. subsec. n. 13. Dazu Groot III, 20, 15. 2 Gudelin, de pace c. 3. „in amnestia consistit substantia pacis et abs- que illa nequit esse pax, atque adeo paci ista lex inesse intelligitur.“ Vgl. Klüber dr. d. g. §. 324. Wheaton, intern. L. IV, 4. H. Cocceji behauptete faſt allein das Gegentheil. 3 Z. B. Ranzionirungsgelder (ſ. oben §. 142.); Schulden der Kriegsgefan- genen für ihre Bedürfniſſe, Wheaton a. a. O. §. 3. Schuldverſchreibun- gen für erlaubte kriegsrechtliche Requiſitionen — wiewohl dieſes nicht für un- zweifelhaft gehalten wird. Klüglich werden daher in Friedensſchlüſſen alle Ver- ſchreibungen pour cause de guerre für nichtig erklärt; ſ. z. B. den Teſchener Frieden v, 1779. Art. 5. Unbedenklich ſind es die nur durch kriegsrechts- widrige Vergewaltigung erzwungenen. Vgl. Osnabr. Friedensſchl. IV, 46. 4 Treffend bemerkt Mr. Wheaton mit Berufung auf Vattel IV, 19—21.
Folgendes: The effect of a treaty of peace is to put an end to the war and to abolish the subject of it. It is an agreement to waive all discussion concerning the respective rights and claims of the parties, and to bury in oblivion the original causes of the war. It forbids the revival of the same war by resuming hostilities for the original cause which first kindled it, or for whatever may have occurred in the course <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <item><pb facs="#f0326" n="302"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch</hi>. §. 180.</fw><lb/> Hierin liegt nun die ſ. g. Amneſtie-Clauſel, <note place="foot" n="1">Hierüber die v. Ompteda §. 327. und bei v. Kamptz §. 329. angeführten<lb/> Schriften. Vornehmlich H. v. Cocceji <hi rendition="#aq">de postliminio et amnestia</hi> 1691.<lb/> v. Steck, <hi rendition="#aq">de amnestia</hi> in <hi rendition="#aq">Obss. subsec. n.</hi> 13. Dazu Groot <hi rendition="#aq">III,</hi> 20, 15.</note> die, wie be-<lb/> merkt, eine doppelte Beziehung hat, wiewohl ſie in engerer<lb/> Bedeutung meiſt auf eine Niederſchlagung aller Anſprüche aus<lb/> dem vorübergegangenen Kriegsſtande beſchränkt wird. Ge-<lb/> wöhnlich findet ſie ſich ausdrücklich in den Friedensverträ-<lb/> gen; allein auch ohne Beifügung verſteht ſie ſich von ſelbſt. <note place="foot" n="2">Gudelin, <hi rendition="#aq">de pace c. 3. „in amnestia consistit substantia pacis et abs-<lb/> que illa nequit esse pax, atque adeo paci ista lex inesse intelligitur.“</hi><lb/> Vgl. Klüber <hi rendition="#aq">dr. d. g.</hi> §. 324. Wheaton, <hi rendition="#aq">intern. L. IV,</hi> 4. H. Cocceji<lb/> behauptete faſt allein das Gegentheil.</note><lb/> Vorbehalten bleiben dagegen:<lb/><list><item>Privatanſprüche einer Partei an die Angehörigen der an-<lb/> deren, welche während des Krieges aus rechtmäßigen<lb/> Gründen erwachſen ſind, ſelbſt diejenigen, wodurch man<lb/> ſich von einer nur kriegsrechtlichen Befugniß des Fein-<lb/> des losgekauft hat; <note place="foot" n="3">Z. B. Ranzionirungsgelder (ſ. oben §. 142.); Schulden der Kriegsgefan-<lb/> genen für ihre Bedürfniſſe, Wheaton a. a. O. §. 3. Schuldverſchreibun-<lb/> gen für erlaubte kriegsrechtliche Requiſitionen — wiewohl dieſes nicht für un-<lb/> zweifelhaft gehalten wird. Klüglich werden daher in Friedensſchlüſſen alle Ver-<lb/> ſchreibungen <hi rendition="#aq">pour cause de guerre</hi> für nichtig erklärt; ſ. z. B. den Teſchener<lb/> Frieden v, 1779. Art. 5. Unbedenklich ſind es die nur durch kriegsrechts-<lb/> widrige Vergewaltigung erzwungenen. Vgl. Osnabr. Friedensſchl. <hi rendition="#aq">IV,</hi> 46.</note></item><lb/><item>Anſprüche an Dritte;</item><lb/><item>alle Privatanſprüche unter den Angehörigen beider Theile,<lb/> welche ſchon vor dem Kriege exiſtirten;</item></list></item> </list><lb/> <p>endlich</p><lb/> <list> <item> <hi rendition="#et">alle außer Streit befindlichen Forderungsrechte unter den<lb/> Parteien ſelbſt, welche vor dem Kriege exiſtirten und<lb/> durch deſſen Ausbruch nicht mehr beſeitigt werden<lb/> konnten.<note xml:id="note-0326" next="#note-0327" place="foot" n="4">Treffend bemerkt Mr. Wheaton mit Berufung auf Vattel <hi rendition="#aq">IV,</hi> 19—21.<lb/> Folgendes: <hi rendition="#aq">The effect of a treaty of peace is to put an end to the<lb/> war and to abolish the subject of it. It is an agreement to waive all<lb/> discussion concerning the respective rights and claims of the parties,<lb/> and to bury in oblivion the original causes of the war. It forbids the<lb/> revival of the same war by resuming hostilities for the original cause<lb/> which first kindled it, or for whatever may have occurred in the course</hi></note></hi> </item> </list> </div><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [302/0326]
Zweites Buch. §. 180.
Hierin liegt nun die ſ. g. Amneſtie-Clauſel, 1 die, wie be-
merkt, eine doppelte Beziehung hat, wiewohl ſie in engerer
Bedeutung meiſt auf eine Niederſchlagung aller Anſprüche aus
dem vorübergegangenen Kriegsſtande beſchränkt wird. Ge-
wöhnlich findet ſie ſich ausdrücklich in den Friedensverträ-
gen; allein auch ohne Beifügung verſteht ſie ſich von ſelbſt. 2
Vorbehalten bleiben dagegen:
Privatanſprüche einer Partei an die Angehörigen der an-
deren, welche während des Krieges aus rechtmäßigen
Gründen erwachſen ſind, ſelbſt diejenigen, wodurch man
ſich von einer nur kriegsrechtlichen Befugniß des Fein-
des losgekauft hat; 3
Anſprüche an Dritte;
alle Privatanſprüche unter den Angehörigen beider Theile,
welche ſchon vor dem Kriege exiſtirten;
endlich
alle außer Streit befindlichen Forderungsrechte unter den
Parteien ſelbſt, welche vor dem Kriege exiſtirten und
durch deſſen Ausbruch nicht mehr beſeitigt werden
konnten. 4
1 Hierüber die v. Ompteda §. 327. und bei v. Kamptz §. 329. angeführten
Schriften. Vornehmlich H. v. Cocceji de postliminio et amnestia 1691.
v. Steck, de amnestia in Obss. subsec. n. 13. Dazu Groot III, 20, 15.
2 Gudelin, de pace c. 3. „in amnestia consistit substantia pacis et abs-
que illa nequit esse pax, atque adeo paci ista lex inesse intelligitur.“
Vgl. Klüber dr. d. g. §. 324. Wheaton, intern. L. IV, 4. H. Cocceji
behauptete faſt allein das Gegentheil.
3 Z. B. Ranzionirungsgelder (ſ. oben §. 142.); Schulden der Kriegsgefan-
genen für ihre Bedürfniſſe, Wheaton a. a. O. §. 3. Schuldverſchreibun-
gen für erlaubte kriegsrechtliche Requiſitionen — wiewohl dieſes nicht für un-
zweifelhaft gehalten wird. Klüglich werden daher in Friedensſchlüſſen alle Ver-
ſchreibungen pour cause de guerre für nichtig erklärt; ſ. z. B. den Teſchener
Frieden v, 1779. Art. 5. Unbedenklich ſind es die nur durch kriegsrechts-
widrige Vergewaltigung erzwungenen. Vgl. Osnabr. Friedensſchl. IV, 46.
4 Treffend bemerkt Mr. Wheaton mit Berufung auf Vattel IV, 19—21.
Folgendes: The effect of a treaty of peace is to put an end to the
war and to abolish the subject of it. It is an agreement to waive all
discussion concerning the respective rights and claims of the parties,
and to bury in oblivion the original causes of the war. It forbids the
revival of the same war by resuming hostilities for the original cause
which first kindled it, or for whatever may have occurred in the course
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