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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Einleitung. §. 5.

Seit dieser Zeit und auf den Grund der damals getroffenen
Verabredungen bildeten jene Großmächte gewissermaßen ein Völker-
tribunal, wo die wichtigsten politischen Angelegenheiten, nicht nur
dieser Staaten selbst sondern auch dritter Staaten, berathen und
festgestellt wurden. Die hierdurch unterstützte Reaction gegen die
noch fortglimmende Revolution rief letztere im J. 1830 um so ent-
schiedener hervor, und natürlicher Weise kann weder das revolu-
tionaire Princip noch auch selbst der basirte nationale Constitutio-
nalismus mit einer derartigen regulatorischen Gewalt der Groß-
mächte sich einverstanden erklären. Das monarchische und popu-
läre Princip bewachen sich seitdem gegenseitig auch in der Europäi-
schen Politik. Keines derselben verleugnet jedoch das Völkerrecht,
und nur in der richtigen Erkenntniß des letzteren liegt die Ver-
mittlung.

Als letztes Ergebniß für unsere Zeit sprechen wir aus: Europa
huldigt gleich den aus ihm hervorgegangenen transatlantischen Staa-
ten einem gemeinsamen Recht. Dies aber ist in vielen Stücken noch
eine bloße Auctoritätslehre ohne ein schon vollendetes allseitiges Be-
wußtsein und ohne absolute Sicherheit der Anwendung. Die unent-
behrliche Voraussetzung für seine zunehmende Festigkeit ist ein bleiben-
des Gleichgewicht der Staaten, beruhend auf Nationalkraft und ge-
genseitiger Achtung. Ein solches Gleichgewicht findet sich jedoch vor-
erst nur unter den Landmächten, weniger zur See; daher ist auch das
Völker-Seerecht noch die schwächste Seite des internationalen Rechts.
Eben wenig haben die Verträge von 1814 und 1815 das Gleichge-
wicht zu Lande unter den Europäischen Mächten nach einer anderen
Seite hin so herzustellen vermocht, wie es das richtige Verhältniß

base fondamentable leur invariable resolution de ne jamais s'ecarter ni
entre eux ni dans leurs relations avec d'autres etats de l'observation
la plus stricte du droit des gens; principes qui dans leur application
a un etat de paix permanent peuvent seuls garantir efficacement l'in-
dependance de chaque gouvernement et la stabilite de leur association
generale. Fideles a ces principes les souverains les maintiendront ega-
lement dans les reunions auxquelles ils assisteroient en personne, ou
qui auraient lieu entre leurs ministres soit qu'elles aient pour objet de
discuter en commun leurs propres interets soit qu'elles se rapportent
a des questions dans lesquelles d'autres gouvernements auroient for-
mellement reclame leur intervention."
Einleitung. §. 5.

Seit dieſer Zeit und auf den Grund der damals getroffenen
Verabredungen bildeten jene Großmächte gewiſſermaßen ein Völker-
tribunal, wo die wichtigſten politiſchen Angelegenheiten, nicht nur
dieſer Staaten ſelbſt ſondern auch dritter Staaten, berathen und
feſtgeſtellt wurden. Die hierdurch unterſtützte Reaction gegen die
noch fortglimmende Revolution rief letztere im J. 1830 um ſo ent-
ſchiedener hervor, und natürlicher Weiſe kann weder das revolu-
tionaire Princip noch auch ſelbſt der baſirte nationale Conſtitutio-
nalismus mit einer derartigen regulatoriſchen Gewalt der Groß-
mächte ſich einverſtanden erklären. Das monarchiſche und popu-
läre Princip bewachen ſich ſeitdem gegenſeitig auch in der Europäi-
ſchen Politik. Keines derſelben verleugnet jedoch das Völkerrecht,
und nur in der richtigen Erkenntniß des letzteren liegt die Ver-
mittlung.

Als letztes Ergebniß für unſere Zeit ſprechen wir aus: Europa
huldigt gleich den aus ihm hervorgegangenen transatlantiſchen Staa-
ten einem gemeinſamen Recht. Dies aber iſt in vielen Stücken noch
eine bloße Auctoritätslehre ohne ein ſchon vollendetes allſeitiges Be-
wußtſein und ohne abſolute Sicherheit der Anwendung. Die unent-
behrliche Vorausſetzung für ſeine zunehmende Feſtigkeit iſt ein bleiben-
des Gleichgewicht der Staaten, beruhend auf Nationalkraft und ge-
genſeitiger Achtung. Ein ſolches Gleichgewicht findet ſich jedoch vor-
erſt nur unter den Landmächten, weniger zur See; daher iſt auch das
Völker-Seerecht noch die ſchwächſte Seite des internationalen Rechts.
Eben wenig haben die Verträge von 1814 und 1815 das Gleichge-
wicht zu Lande unter den Europäiſchen Mächten nach einer anderen
Seite hin ſo herzuſtellen vermocht, wie es das richtige Verhältniß

base fondamentable leur invariable resolution de ne jamais s’écarter ni
entre eux ni dans leurs relations avec d’autres états de l’observation
la plus stricte du droit des gens; principes qui dans leur application
à un état de paix permanent peuvent seuls garantir efficacement l’in-
dépendance de chaque gouvernement et la stabilité de leur association
générale. Fidèles à ces principes les souverains les maintiendront éga-
lement dans les réunions auxquelles ils assisteroient en personne, ou
qui auraient lieu entre leurs ministres soit qu’elles aient pour objet de
discuter en commun leurs propres intérêts soit qu’elles se rapportent
à des questions dans lesquelles d’autres gouvernements auroient for-
mellement réclamé leur intervention.“
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[10/0034] Einleitung. §. 5. Seit dieſer Zeit und auf den Grund der damals getroffenen Verabredungen bildeten jene Großmächte gewiſſermaßen ein Völker- tribunal, wo die wichtigſten politiſchen Angelegenheiten, nicht nur dieſer Staaten ſelbſt ſondern auch dritter Staaten, berathen und feſtgeſtellt wurden. Die hierdurch unterſtützte Reaction gegen die noch fortglimmende Revolution rief letztere im J. 1830 um ſo ent- ſchiedener hervor, und natürlicher Weiſe kann weder das revolu- tionaire Princip noch auch ſelbſt der baſirte nationale Conſtitutio- nalismus mit einer derartigen regulatoriſchen Gewalt der Groß- mächte ſich einverſtanden erklären. Das monarchiſche und popu- läre Princip bewachen ſich ſeitdem gegenſeitig auch in der Europäi- ſchen Politik. Keines derſelben verleugnet jedoch das Völkerrecht, und nur in der richtigen Erkenntniß des letzteren liegt die Ver- mittlung. Als letztes Ergebniß für unſere Zeit ſprechen wir aus: Europa huldigt gleich den aus ihm hervorgegangenen transatlantiſchen Staa- ten einem gemeinſamen Recht. Dies aber iſt in vielen Stücken noch eine bloße Auctoritätslehre ohne ein ſchon vollendetes allſeitiges Be- wußtſein und ohne abſolute Sicherheit der Anwendung. Die unent- behrliche Vorausſetzung für ſeine zunehmende Feſtigkeit iſt ein bleiben- des Gleichgewicht der Staaten, beruhend auf Nationalkraft und ge- genſeitiger Achtung. Ein ſolches Gleichgewicht findet ſich jedoch vor- erſt nur unter den Landmächten, weniger zur See; daher iſt auch das Völker-Seerecht noch die ſchwächſte Seite des internationalen Rechts. Eben wenig haben die Verträge von 1814 und 1815 das Gleichge- wicht zu Lande unter den Europäiſchen Mächten nach einer anderen Seite hin ſo herzuſtellen vermocht, wie es das richtige Verhältniß 5 5 base fondamentable leur invariable resolution de ne jamais s’écarter ni entre eux ni dans leurs relations avec d’autres états de l’observation la plus stricte du droit des gens; principes qui dans leur application à un état de paix permanent peuvent seuls garantir efficacement l’in- dépendance de chaque gouvernement et la stabilité de leur association générale. Fidèles à ces principes les souverains les maintiendront éga- lement dans les réunions auxquelles ils assisteroient en personne, ou qui auraient lieu entre leurs ministres soit qu’elles aient pour objet de discuter en commun leurs propres intérêts soit qu’elles se rapportent à des questions dans lesquelles d’autres gouvernements auroient for- mellement réclamé leur intervention.“

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/34>, abgerufen am 21.11.2024.