Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.§. 197. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres. das Beilegen und die Absendung eines oder einiger Officiere an Bord des anderen Schiffes; endlich der Vivatruf (le salut de la voix) bis zu einer ungleichen Zahl wiederholt. In Betreff der Anwendung solcher Cerimonien können, abgesehen I. Jeder Staat kann in seinem eigenen Seegebiete die Art des Schiffsgrußes bestimmen 1 und ihn zuerst fordern, nur nicht in einer für andere Nationen kränkenden Weise, wie z. B. das gänzliche Abnehmen der Flagge sein würde. 2 Hierbei ist dann meistens üblich, daß fremde Schiffe beim Vorbeisegeln vor einer Festung oder beim Einsegeln in einen Hafen, oder endlich bei dem Vorüberfahren an Kriegsschiffen im aus- wärtigen Seegebiet sowohl durch Kanonenschüsse wie durch Flaggenstreichen grüßen, worauf ihnen durch Kanonenschüsse in gleicher Zahl gedankt wird. 3 Kauffartheischiffe müssen auch wohl das Marssegel fallen lassen. II. Auf offener See kann an und für sich keine Nation die Be- grüßung von einer anderen Nation fordern. 4 Nur auf soge- nannten Eigenthumsmeeren macht der herrschende Staat An- spruch auf den ersten Gruß. Wird das Eigenthumsrecht von einer Nation nicht bestritten, so wird sie sich auch in das Letz- tere fügen müssen, niemals aber eine andere. 5 1 Die Seegesetze der einzelnen größeren Seestaaten enthalten derartige Be- stimmungen. Vgl. wegen Großbritannien Laws of the admirality T. II, p. 303. wegen Frankreich Ordonnance v. 31. Oct. 1827 und v. 1. Juli 1831. (de Martens et Murhard nouv. rec. X, 380. 381.), wegen Spa- nien Abreu Colleccion Phil. IV. P. VII, p. 642. Carol. II. P. I, p. 549. 2 Encyclop. Marine Tom. II, p. 389. 3 Mosers kleine Schriften Th. IX, S. 297. v. Martens Völkerr. §. 155. 4 v. Martens §. 155. 5 Vorzüglich der britische Anspruch auf die Narrow Sees hat von jeher An-
laß zu Streitigkeiten und selbst Gewaltmaaßregeln gegeben. Zugestanden ward der Anspruch von den Vereinigten Niederlanden 1667, 1674 u. 1783. Vgl. Nau Völkerseerecht §. 139. §. 197. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres. das Beilegen und die Abſendung eines oder einiger Officiere an Bord des anderen Schiffes; endlich der Vivatruf (le salut de la voix) bis zu einer ungleichen Zahl wiederholt. In Betreff der Anwendung ſolcher Cerimonien können, abgeſehen I. Jeder Staat kann in ſeinem eigenen Seegebiete die Art des Schiffsgrußes beſtimmen 1 und ihn zuerſt fordern, nur nicht in einer für andere Nationen kränkenden Weiſe, wie z. B. das gänzliche Abnehmen der Flagge ſein würde. 2 Hierbei iſt dann meiſtens üblich, daß fremde Schiffe beim Vorbeiſegeln vor einer Feſtung oder beim Einſegeln in einen Hafen, oder endlich bei dem Vorüberfahren an Kriegsſchiffen im aus- wärtigen Seegebiet ſowohl durch Kanonenſchüſſe wie durch Flaggenſtreichen grüßen, worauf ihnen durch Kanonenſchüſſe in gleicher Zahl gedankt wird. 3 Kauffartheiſchiffe müſſen auch wohl das Marsſegel fallen laſſen. II. Auf offener See kann an und für ſich keine Nation die Be- grüßung von einer anderen Nation fordern. 4 Nur auf ſoge- nannten Eigenthumsmeeren macht der herrſchende Staat An- ſpruch auf den erſten Gruß. Wird das Eigenthumsrecht von einer Nation nicht beſtritten, ſo wird ſie ſich auch in das Letz- tere fügen müſſen, niemals aber eine andere. 5 1 Die Seegeſetze der einzelnen größeren Seeſtaaten enthalten derartige Be- ſtimmungen. Vgl. wegen Großbritannien Laws of the admirality T. II, p. 303. wegen Frankreich Ordonnance v. 31. Oct. 1827 und v. 1. Juli 1831. (de Martens et Murhard nouv. rec. X, 380. 381.), wegen Spa- nien Abreu Colleccion Phil. IV. P. VII, p. 642. Carol. II. P. I, p. 549. 2 Encyclop. Marine Tom. II, p. 389. 3 Moſers kleine Schriften Th. IX, S. 297. v. Martens Völkerr. §. 155. 4 v. Martens §. 155. 5 Vorzüglich der britiſche Anſpruch auf die Narrow Sees hat von jeher An-
laß zu Streitigkeiten und ſelbſt Gewaltmaaßregeln gegeben. Zugeſtanden ward der Anſpruch von den Vereinigten Niederlanden 1667, 1674 u. 1783. Vgl. Nau Völkerſeerecht §. 139. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0353" n="329"/> <fw place="top" type="header">§. 197. <hi rendition="#g">Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres</hi>.</fw><lb/> <list> <item>das Beilegen und die Abſendung eines oder einiger Officiere<lb/> an Bord des anderen Schiffes;</item> </list><lb/> <p>endlich</p><lb/> <list> <item>der Vivatruf (<hi rendition="#aq">le salut de la voix</hi>) bis zu einer ungleichen<lb/> Zahl wiederholt.</item> </list><lb/> <p>In Betreff der Anwendung ſolcher Cerimonien können, abgeſehen<lb/> von einzelnen meiſt widerſprochenen Forderungen gewiſſer Natio-<lb/> nen und von den darüber beſtehenden Verträgen, nur folgende<lb/> Grundſätze als völkerrechtliche gemeine Regeln angeſehen werden:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">I.</hi> Jeder Staat kann in ſeinem eigenen Seegebiete die Art des<lb/> Schiffsgrußes beſtimmen <note place="foot" n="1">Die Seegeſetze der einzelnen größeren Seeſtaaten enthalten derartige Be-<lb/> ſtimmungen. Vgl. wegen Großbritannien <hi rendition="#aq">Laws of the admirality T. II,<lb/> p.</hi> 303. wegen Frankreich <hi rendition="#aq">Ordonnance</hi> v. 31. Oct. 1827 und v. 1. Juli<lb/> 1831. <hi rendition="#aq">(de Martens et Murhard nouv. rec. X, 380. 381.),</hi> wegen Spa-<lb/> nien <hi rendition="#aq">Abreu Colleccion Phil. IV. P. VII, p. 642. Carol. II. P. I,<lb/> p.</hi> 549.</note> und ihn zuerſt fordern, nur nicht<lb/> in einer für andere Nationen kränkenden Weiſe, wie z. B. das<lb/> gänzliche Abnehmen der Flagge ſein würde. <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Encyclop. Marine Tom. II, p.</hi> 389.</note> Hierbei iſt<lb/> dann meiſtens üblich, daß fremde Schiffe beim Vorbeiſegeln<lb/> vor einer Feſtung oder beim Einſegeln in einen Hafen, oder<lb/> endlich bei dem Vorüberfahren an Kriegsſchiffen im aus-<lb/> wärtigen Seegebiet ſowohl durch Kanonenſchüſſe wie durch<lb/> Flaggenſtreichen grüßen, worauf ihnen durch Kanonenſchüſſe<lb/> in gleicher Zahl gedankt wird. <note place="foot" n="3">Moſers kleine Schriften Th. <hi rendition="#aq">IX,</hi> S. 297. v. Martens Völkerr. §. 155.</note> Kauffartheiſchiffe müſſen<lb/> auch wohl das Marsſegel fallen laſſen.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">II.</hi> Auf offener See kann an und für ſich keine Nation die Be-<lb/> grüßung von einer anderen Nation fordern. <note place="foot" n="4">v. Martens §. 155.</note> Nur auf ſoge-<lb/> nannten Eigenthumsmeeren macht der herrſchende Staat An-<lb/> ſpruch auf den erſten Gruß. Wird das Eigenthumsrecht von<lb/> einer Nation nicht beſtritten, ſo wird ſie ſich auch in das Letz-<lb/> tere fügen müſſen, niemals aber eine andere. <note place="foot" n="5">Vorzüglich der britiſche Anſpruch auf die <hi rendition="#aq">Narrow Sees</hi> hat von jeher An-<lb/> laß zu Streitigkeiten und ſelbſt Gewaltmaaßregeln gegeben. Zugeſtanden<lb/> ward der Anſpruch von den Vereinigten Niederlanden 1667, 1674 u. 1783.<lb/> Vgl. Nau Völkerſeerecht §. 139.</note></item> </list><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [329/0353]
§. 197. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
das Beilegen und die Abſendung eines oder einiger Officiere
an Bord des anderen Schiffes;
endlich
der Vivatruf (le salut de la voix) bis zu einer ungleichen
Zahl wiederholt.
In Betreff der Anwendung ſolcher Cerimonien können, abgeſehen
von einzelnen meiſt widerſprochenen Forderungen gewiſſer Natio-
nen und von den darüber beſtehenden Verträgen, nur folgende
Grundſätze als völkerrechtliche gemeine Regeln angeſehen werden:
I. Jeder Staat kann in ſeinem eigenen Seegebiete die Art des
Schiffsgrußes beſtimmen 1 und ihn zuerſt fordern, nur nicht
in einer für andere Nationen kränkenden Weiſe, wie z. B. das
gänzliche Abnehmen der Flagge ſein würde. 2 Hierbei iſt
dann meiſtens üblich, daß fremde Schiffe beim Vorbeiſegeln
vor einer Feſtung oder beim Einſegeln in einen Hafen, oder
endlich bei dem Vorüberfahren an Kriegsſchiffen im aus-
wärtigen Seegebiet ſowohl durch Kanonenſchüſſe wie durch
Flaggenſtreichen grüßen, worauf ihnen durch Kanonenſchüſſe
in gleicher Zahl gedankt wird. 3 Kauffartheiſchiffe müſſen
auch wohl das Marsſegel fallen laſſen.
II. Auf offener See kann an und für ſich keine Nation die Be-
grüßung von einer anderen Nation fordern. 4 Nur auf ſoge-
nannten Eigenthumsmeeren macht der herrſchende Staat An-
ſpruch auf den erſten Gruß. Wird das Eigenthumsrecht von
einer Nation nicht beſtritten, ſo wird ſie ſich auch in das Letz-
tere fügen müſſen, niemals aber eine andere. 5
1 Die Seegeſetze der einzelnen größeren Seeſtaaten enthalten derartige Be-
ſtimmungen. Vgl. wegen Großbritannien Laws of the admirality T. II,
p. 303. wegen Frankreich Ordonnance v. 31. Oct. 1827 und v. 1. Juli
1831. (de Martens et Murhard nouv. rec. X, 380. 381.), wegen Spa-
nien Abreu Colleccion Phil. IV. P. VII, p. 642. Carol. II. P. I,
p. 549.
2 Encyclop. Marine Tom. II, p. 389.
3 Moſers kleine Schriften Th. IX, S. 297. v. Martens Völkerr. §. 155.
4 v. Martens §. 155.
5 Vorzüglich der britiſche Anſpruch auf die Narrow Sees hat von jeher An-
laß zu Streitigkeiten und ſelbſt Gewaltmaaßregeln gegeben. Zugeſtanden
ward der Anſpruch von den Vereinigten Niederlanden 1667, 1674 u. 1783.
Vgl. Nau Völkerſeerecht §. 139.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |