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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Drittes Buch. §. 201.
tel selbst an ein fremder Staatshoheit unterworfenes Haus abzusen-
den. Niemals würden jedoch gesandtschaftliche Rechte und Privile-
gien ohne die Concession dieser Staatsgewalt in Ausübung zu brin-
gen sein. 1

Eine Pflicht zur Annahme fremder Agenten existirt an und
für sich nicht, sondern es ist eine reine Interessenfrage, ob man sie
empfangen wolle. Allein man würde andererseits die Rücksendung
seiner eigenen Abgeordneten zu erwarten haben, auch wird die Hu-
manität nicht erlauben, friedliche Mittheilungen auf diesem Wege
ungehört zurückzuweisen. 2 Gewiß kann sich jede Regierung die
Zusendung einer ihr unangenehmen Person oder die Beauftragung
ihrer eigenen Unterthanen verbitten. 3

Categorien der diplomatischen Organe.

201. Organe für den heutigen Betrieb der auswärtigen Staats-
interessen sind, abgesehen von dem Antheil welchen die Souveräne
selbst daran nehmen können,

I. die Minister der auswärtigen Angelegenheiten,
II. die an fremde Staaten abgeordneten Staatsdiener und Be-
vollmächtigten.

In letzterer Hinsicht unterscheidet die neuere Staatspraxis folgende
Categorien, bald mit einer bleibenden allgemeinen Mission zur Un-
terhaltung einer dauernden Verbindung, bald nur zu bestimmten
Einzelzwecken:

a. Gesandte mit einem öffentlich beglaubigten amtlichen Cha-
racter zur unmittelbaren Verhandlung mit fremden Staats-
gewalten; legati publice missi, Ministres publics;

1 Ein merkwürdiges Actenstück über das Recht Gesandte zn schicken, zu em-
pfangen und zu behandeln sind die bei de Real t. V, p. 140 ff. und in
Rousset, Cerem. diplom. t. II, p. 481. abgedrucktem angeblichen Gesetze
Kaiser Carls V. in Betreff der Gesandten. S. auch v. Martens Erzäh-
lungen I, S. 371. So wenig bei ihrem Inhalt Bedenken Statt finden,
so wenig scheint das Aufschreiben solcher Gesetze der Zeit Kaiser Carls V.
zu entsprechen. Bis auf besseren Beweis halten wir sie für apokryphisch.
Ein ähnliches Actenstück über die Immunitäten der Gesandten wird wei-
erhin zu erwähnen sein.
2 Vattel IV, 65. 66. Merlin a. a. O. Sect. II, §. 3.
3 J. J. Moser Versuch III, 89. Beiträge III, 90. Bielfeld, Institut. II,
178. Merlin, Sect. III, n. 3. Klüber, dr. d. g.
§. 176. 187.

Drittes Buch. §. 201.
tel ſelbſt an ein fremder Staatshoheit unterworfenes Haus abzuſen-
den. Niemals würden jedoch geſandtſchaftliche Rechte und Privile-
gien ohne die Conceſſion dieſer Staatsgewalt in Ausübung zu brin-
gen ſein. 1

Eine Pflicht zur Annahme fremder Agenten exiſtirt an und
für ſich nicht, ſondern es iſt eine reine Intereſſenfrage, ob man ſie
empfangen wolle. Allein man würde andererſeits die Rückſendung
ſeiner eigenen Abgeordneten zu erwarten haben, auch wird die Hu-
manität nicht erlauben, friedliche Mittheilungen auf dieſem Wege
ungehört zurückzuweiſen. 2 Gewiß kann ſich jede Regierung die
Zuſendung einer ihr unangenehmen Perſon oder die Beauftragung
ihrer eigenen Unterthanen verbitten. 3

Categorien der diplomatiſchen Organe.

201. Organe für den heutigen Betrieb der auswärtigen Staats-
intereſſen ſind, abgeſehen von dem Antheil welchen die Souveräne
ſelbſt daran nehmen können,

I. die Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten,
II. die an fremde Staaten abgeordneten Staatsdiener und Be-
vollmächtigten.

In letzterer Hinſicht unterſcheidet die neuere Staatspraxis folgende
Categorien, bald mit einer bleibenden allgemeinen Miſſion zur Un-
terhaltung einer dauernden Verbindung, bald nur zu beſtimmten
Einzelzwecken:

a. Geſandte mit einem öffentlich beglaubigten amtlichen Cha-
racter zur unmittelbaren Verhandlung mit fremden Staats-
gewalten; legati publice missi, Ministres publics;

1 Ein merkwürdiges Actenſtück über das Recht Geſandte zn ſchicken, zu em-
pfangen und zu behandeln ſind die bei de Real t. V, p. 140 ff. und in
Rousset, Cerem. diplom. t. II, p. 481. abgedrucktem angeblichen Geſetze
Kaiſer Carls V. in Betreff der Geſandten. S. auch v. Martens Erzäh-
lungen I, S. 371. So wenig bei ihrem Inhalt Bedenken Statt finden,
ſo wenig ſcheint das Aufſchreiben ſolcher Geſetze der Zeit Kaiſer Carls V.
zu entſprechen. Bis auf beſſeren Beweis halten wir ſie für apokryphiſch.
Ein ähnliches Actenſtück über die Immunitäten der Geſandten wird wei-
erhin zu erwähnen ſein.
2 Vattel IV, 65. 66. Merlin a. a. O. Sect. II, §. 3.
3 J. J. Moſer Verſuch III, 89. Beiträge III, 90. Bielfeld, Institut. II,
178. Merlin, Sect. III, n. 3. Klüber, dr. d. g.
§. 176. 187.
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[334/0358] Drittes Buch. §. 201. tel ſelbſt an ein fremder Staatshoheit unterworfenes Haus abzuſen- den. Niemals würden jedoch geſandtſchaftliche Rechte und Privile- gien ohne die Conceſſion dieſer Staatsgewalt in Ausübung zu brin- gen ſein. 1 Eine Pflicht zur Annahme fremder Agenten exiſtirt an und für ſich nicht, ſondern es iſt eine reine Intereſſenfrage, ob man ſie empfangen wolle. Allein man würde andererſeits die Rückſendung ſeiner eigenen Abgeordneten zu erwarten haben, auch wird die Hu- manität nicht erlauben, friedliche Mittheilungen auf dieſem Wege ungehört zurückzuweiſen. 2 Gewiß kann ſich jede Regierung die Zuſendung einer ihr unangenehmen Perſon oder die Beauftragung ihrer eigenen Unterthanen verbitten. 3 Categorien der diplomatiſchen Organe. 201. Organe für den heutigen Betrieb der auswärtigen Staats- intereſſen ſind, abgeſehen von dem Antheil welchen die Souveräne ſelbſt daran nehmen können, I. die Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten, II. die an fremde Staaten abgeordneten Staatsdiener und Be- vollmächtigten. In letzterer Hinſicht unterſcheidet die neuere Staatspraxis folgende Categorien, bald mit einer bleibenden allgemeinen Miſſion zur Un- terhaltung einer dauernden Verbindung, bald nur zu beſtimmten Einzelzwecken: a. Geſandte mit einem öffentlich beglaubigten amtlichen Cha- racter zur unmittelbaren Verhandlung mit fremden Staats- gewalten; legati publice missi, Ministres publics; 1 Ein merkwürdiges Actenſtück über das Recht Geſandte zn ſchicken, zu em- pfangen und zu behandeln ſind die bei de Real t. V, p. 140 ff. und in Rousset, Cerem. diplom. t. II, p. 481. abgedrucktem angeblichen Geſetze Kaiſer Carls V. in Betreff der Geſandten. S. auch v. Martens Erzäh- lungen I, S. 371. So wenig bei ihrem Inhalt Bedenken Statt finden, ſo wenig ſcheint das Aufſchreiben ſolcher Geſetze der Zeit Kaiſer Carls V. zu entſprechen. Bis auf beſſeren Beweis halten wir ſie für apokryphiſch. Ein ähnliches Actenſtück über die Immunitäten der Geſandten wird wei- erhin zu erwähnen ſein. 2 Vattel IV, 65. 66. Merlin a. a. O. Sect. II, §. 3. 3 J. J. Moſer Verſuch III, 89. Beiträge III, 90. Bielfeld, Institut. II, 178. Merlin, Sect. III, n. 3. Klüber, dr. d. g. §. 176. 187.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/358>, abgerufen am 27.11.2024.