Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.
§. 214. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres. und für den Gottesdienst einen eigenen Geistlichen ihrer Confessionzu haben, wenigstens dann, wenn sich am nämlichen Orte keine vollständige Kircheneinrichtung für dieselbe befinden sollte. Ein solcher Geistlicher kann aber nicht von dem Gesandten selbst, son- dern nur von seiner Regierung oder mit deren Erlaubniß ange- nommen werden; ist dieses geschehen, so würde ihm auch die Aus- übung von Parochialhandlungen mit bürgerlicher Giltigkeit inner- halb des gesandtschaftlichen Hotels nicht abzusprechen, und er als der eigentlich competente Pfarrer -- falls er nur die hierzu erfor- derlichen kirchlichen Eigenschaften besitzt -- in Beziehung auf das gesandtschaftliche Personal zu betrachten sein. 1 In keiner Weise darf ein solcher Geistlicher öffentlich mit den Zeichen seines Stan- des erscheinen und ebenso wenig sonstigen Personen die Theilnahme an dem gesandtschaftlichen Gottesdienst gestattet werden, oder die Aufnahme von Proselyten aus einer anderen Religionspartei, es sei denn unter Zulassung oder Connivenz der auswärtigen Staats- regierung. Das Recht eines solchen particulären Cultus dauert so lange, c. Befreiung der Gesandten von der Strafgerichtsbarkeit des auswärtigen Staates. 214. Völlig außer Zweifel steht in der heutigen Staatenpraxis, 1 Ob dergleichen Persönlichkeiten auch an anderen Personen giltig vollzogen werden können, hängt von den auf sie in Anwendung kommenden bürger- lichen Gesetzen ab. 2 Schlözer Briefwechsel Th. III, S. 76. 3 Die Geschichte dieses internationalen Dogmas s. bei Bynkershoeck de
jud. comp. legati cap. 24. und 17--19. Vgl. Wheaton hist. p. 170 s. Fixirt ist die Ansicht hauptsächlich seit Groot II, 18. §. 4. §. 214. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres. und für den Gottesdienſt einen eigenen Geiſtlichen ihrer Confeſſionzu haben, wenigſtens dann, wenn ſich am nämlichen Orte keine vollſtändige Kircheneinrichtung für dieſelbe befinden ſollte. Ein ſolcher Geiſtlicher kann aber nicht von dem Geſandten ſelbſt, ſon- dern nur von ſeiner Regierung oder mit deren Erlaubniß ange- nommen werden; iſt dieſes geſchehen, ſo würde ihm auch die Aus- übung von Parochialhandlungen mit bürgerlicher Giltigkeit inner- halb des geſandtſchaftlichen Hotels nicht abzuſprechen, und er als der eigentlich competente Pfarrer — falls er nur die hierzu erfor- derlichen kirchlichen Eigenſchaften beſitzt — in Beziehung auf das geſandtſchaftliche Perſonal zu betrachten ſein. 1 In keiner Weiſe darf ein ſolcher Geiſtlicher öffentlich mit den Zeichen ſeines Stan- des erſcheinen und ebenſo wenig ſonſtigen Perſonen die Theilnahme an dem geſandtſchaftlichen Gottesdienſt geſtattet werden, oder die Aufnahme von Proſelyten aus einer anderen Religionspartei, es ſei denn unter Zulaſſung oder Connivenz der auswärtigen Staats- regierung. Das Recht eines ſolchen particulären Cultus dauert ſo lange, c. Befreiung der Geſandten von der Strafgerichtsbarkeit des auswärtigen Staates. 214. Völlig außer Zweifel ſteht in der heutigen Staatenpraxis, 1 Ob dergleichen Perſönlichkeiten auch an anderen Perſonen giltig vollzogen werden können, hängt von den auf ſie in Anwendung kommenden bürger- lichen Geſetzen ab. 2 Schlözer Briefwechſel Th. III, S. 76. 3 Die Geſchichte dieſes internationalen Dogmas ſ. bei Bynkershoeck de
jud. comp. legati cap. 24. und 17—19. Vgl. Wheaton hist. p. 170 s. Fixirt iſt die Anſicht hauptſächlich ſeit Groot II, 18. §. 4. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0375" n="351"/><fw place="top" type="header">§. 214. <hi rendition="#g">Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres</hi>.</fw><lb/> und für den Gottesdienſt einen eigenen Geiſtlichen ihrer Confeſſion<lb/> zu haben, wenigſtens dann, wenn ſich am nämlichen Orte keine<lb/> vollſtändige Kircheneinrichtung für dieſelbe befinden ſollte. Ein<lb/> ſolcher Geiſtlicher kann aber nicht von dem Geſandten ſelbſt, ſon-<lb/> dern nur von ſeiner Regierung oder mit deren Erlaubniß ange-<lb/> nommen werden; iſt dieſes geſchehen, ſo würde ihm auch die Aus-<lb/> übung von Parochialhandlungen mit bürgerlicher Giltigkeit inner-<lb/> halb des geſandtſchaftlichen Hotels nicht abzuſprechen, und er als<lb/> der eigentlich competente Pfarrer — falls er nur die hierzu erfor-<lb/> derlichen kirchlichen Eigenſchaften beſitzt — in Beziehung auf das<lb/> geſandtſchaftliche Perſonal zu betrachten ſein. <note place="foot" n="1">Ob dergleichen Perſönlichkeiten auch an anderen Perſonen giltig vollzogen<lb/> werden können, hängt von den auf ſie in Anwendung kommenden bürger-<lb/> lichen Geſetzen ab.</note> In keiner Weiſe<lb/> darf ein ſolcher Geiſtlicher öffentlich mit den Zeichen ſeines Stan-<lb/> des erſcheinen und ebenſo wenig ſonſtigen Perſonen die Theilnahme<lb/> an dem geſandtſchaftlichen Gottesdienſt geſtattet werden, oder die<lb/> Aufnahme von Proſelyten aus einer anderen Religionspartei, es<lb/> ſei denn unter Zulaſſung oder Connivenz der auswärtigen Staats-<lb/> regierung.</p><lb/> <p>Das Recht eines ſolchen particulären Cultus dauert ſo lange,<lb/> als der Geſandte ſeine geſandtſchaftliche Qualität beibehält, ſollte er<lb/> auch eine Zeitlang von ſeinem Poſten abweſend ſein, zu Gunſten<lb/> der Seinigen. <note place="foot" n="2">Schlözer Briefwechſel Th. <hi rendition="#aq">III,</hi> S. 76.</note> Es muß jedoch eingeſtellt werden bei einer wirk-<lb/> lichen Suspenſion des geſandtſchaftlichen Characters und mit die-<lb/> ſem ſelbſt völlig aufhören.</p> </div><lb/> <div n="6"> <head><hi rendition="#aq">c.</hi><hi rendition="#g">Befreiung der Geſandten von der Strafgerichtsbarkeit des<lb/> auswärtigen Staates</hi>.</head><lb/> <p>214. Völlig außer Zweifel ſteht in der heutigen Staatenpraxis,<lb/> daß keine geſandtſchaftliche Perſon ſelbſt nicht wegen verübter Ver-<lb/> gehen oder Verbrechen der Strafgerichtsbarkeit des auswärtigen<lb/> Staates unterworfen iſt, wiewohl dieſes in früheren Jahrhunder-<lb/> ten bedenklich gefunden und beſtritten worden iſt. <note place="foot" n="3">Die Geſchichte dieſes internationalen Dogmas ſ. bei <hi rendition="#aq">Bynkershoeck de<lb/> jud. comp. legati cap.</hi> 24. und 17—19. Vgl. Wheaton <hi rendition="#aq">hist. p. 170 s.</hi><lb/> Fixirt iſt die Anſicht hauptſächlich ſeit Groot <hi rendition="#aq">II,</hi> 18. §. 4.</note> Die Praxis<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [351/0375]
§. 214. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
und für den Gottesdienſt einen eigenen Geiſtlichen ihrer Confeſſion
zu haben, wenigſtens dann, wenn ſich am nämlichen Orte keine
vollſtändige Kircheneinrichtung für dieſelbe befinden ſollte. Ein
ſolcher Geiſtlicher kann aber nicht von dem Geſandten ſelbſt, ſon-
dern nur von ſeiner Regierung oder mit deren Erlaubniß ange-
nommen werden; iſt dieſes geſchehen, ſo würde ihm auch die Aus-
übung von Parochialhandlungen mit bürgerlicher Giltigkeit inner-
halb des geſandtſchaftlichen Hotels nicht abzuſprechen, und er als
der eigentlich competente Pfarrer — falls er nur die hierzu erfor-
derlichen kirchlichen Eigenſchaften beſitzt — in Beziehung auf das
geſandtſchaftliche Perſonal zu betrachten ſein. 1 In keiner Weiſe
darf ein ſolcher Geiſtlicher öffentlich mit den Zeichen ſeines Stan-
des erſcheinen und ebenſo wenig ſonſtigen Perſonen die Theilnahme
an dem geſandtſchaftlichen Gottesdienſt geſtattet werden, oder die
Aufnahme von Proſelyten aus einer anderen Religionspartei, es
ſei denn unter Zulaſſung oder Connivenz der auswärtigen Staats-
regierung.
Das Recht eines ſolchen particulären Cultus dauert ſo lange,
als der Geſandte ſeine geſandtſchaftliche Qualität beibehält, ſollte er
auch eine Zeitlang von ſeinem Poſten abweſend ſein, zu Gunſten
der Seinigen. 2 Es muß jedoch eingeſtellt werden bei einer wirk-
lichen Suspenſion des geſandtſchaftlichen Characters und mit die-
ſem ſelbſt völlig aufhören.
c. Befreiung der Geſandten von der Strafgerichtsbarkeit des
auswärtigen Staates.
214. Völlig außer Zweifel ſteht in der heutigen Staatenpraxis,
daß keine geſandtſchaftliche Perſon ſelbſt nicht wegen verübter Ver-
gehen oder Verbrechen der Strafgerichtsbarkeit des auswärtigen
Staates unterworfen iſt, wiewohl dieſes in früheren Jahrhunder-
ten bedenklich gefunden und beſtritten worden iſt. 3 Die Praxis
1 Ob dergleichen Perſönlichkeiten auch an anderen Perſonen giltig vollzogen
werden können, hängt von den auf ſie in Anwendung kommenden bürger-
lichen Geſetzen ab.
2 Schlözer Briefwechſel Th. III, S. 76.
3 Die Geſchichte dieſes internationalen Dogmas ſ. bei Bynkershoeck de
jud. comp. legati cap. 24. und 17—19. Vgl. Wheaton hist. p. 170 s.
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| Zitationshilfe: | Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/375>, abgerufen am 27.11.2024. |
