Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Drittes Buch. §. 214. selbst bietet schon aus den letzten drei Jahrhunderten kein Beispieldes Gegentheils dar. Ebenso ausgemacht ist aber auch auf der anderen Seite, daß der gesandtschaftliche Character nicht etwa das Privilegium giebt, ungehindert selbst die unerlaubtesten oder schänd- lichsten Handlungen zu begehen, vielmehr steht nicht allein dem mit einem Angriffe bedrohten Privatmanne das Recht der Vertheidi- gung, und der Polizei des auswärtigen Staates das Recht einer thatsächlichen Intervention gegen beabsichtigte Unordnungen oder Verbrechen zu, sondern es können auch, wenn dergleichen schon be- gangen sind, unbedenklich alle Maaßregeln ergriffen werden, welche die Interessen des verletzten Staates gegen weitere Beeinträchtigun- gen sichern und das Aergerniß entfernen, was durch das Verhal- ten des fremden Gesandten gegeben worden ist, ohne dabei die Würde des fremden Staates selbst zu beeinträchtigen, folglich mit größester Schonung. Zu diesen Maaßregeln, welche allerdings nur von der höchsten a. in geringeren Fällen eine vertrauliche Warnung des Gesand- ten oder eine Beschwerde bei seinem Souverän; b. in schwereren Fällen die Beantragung seiner Zurückberufung und Bestrafung bei dem absendenden Souverän; in der Zwi- schenzeit Beaufsichtigung der Person des Gesandten, oder auch Statt dessen, und wenn der beantragten Zurückberu- fung keine Folge gegeben werden sollte, Wegschaffung des Gesandten über die Grenze; endlich c. im schlimmsten Falle, wenn der Gesandte sich in eine offene Conspiration oder Kriegsunternehmung gegen die auswärtige Regierung eingelassen haben sollte, eine gleichfalls unmittel- bar feindselige Behandlung desselben, namentlich Gefangen- nehmung und etwanige körperliche Retention bis zu erlang- ter Genugthuung oder erfolgter Vertheidigung. 2 1 Merlin questions de droit mot: parlamentair. 2 Die obigen Grundsätze sind theils aus inneren Gründen, theils aus dem
Verfahren der Praxis gerechtfertigt. S. Merlin a. a. O. sect. 5. §. 4. Nr. 10--13. Ward, Enquiry II, 486. 506. Unter den neueren Pu- blicisten findet sich irgends eine abweichende Ansicht. Die ältere Literatur Drittes Buch. §. 214. ſelbſt bietet ſchon aus den letzten drei Jahrhunderten kein Beiſpieldes Gegentheils dar. Ebenſo ausgemacht iſt aber auch auf der anderen Seite, daß der geſandtſchaftliche Character nicht etwa das Privilegium giebt, ungehindert ſelbſt die unerlaubteſten oder ſchänd- lichſten Handlungen zu begehen, vielmehr ſteht nicht allein dem mit einem Angriffe bedrohten Privatmanne das Recht der Vertheidi- gung, und der Polizei des auswärtigen Staates das Recht einer thatſächlichen Intervention gegen beabſichtigte Unordnungen oder Verbrechen zu, ſondern es können auch, wenn dergleichen ſchon be- gangen ſind, unbedenklich alle Maaßregeln ergriffen werden, welche die Intereſſen des verletzten Staates gegen weitere Beeinträchtigun- gen ſichern und das Aergerniß entfernen, was durch das Verhal- ten des fremden Geſandten gegeben worden iſt, ohne dabei die Würde des fremden Staates ſelbſt zu beeinträchtigen, folglich mit größeſter Schonung. Zu dieſen Maaßregeln, welche allerdings nur von der höchſten a. in geringeren Fällen eine vertrauliche Warnung des Geſand- ten oder eine Beſchwerde bei ſeinem Souverän; b. in ſchwereren Fällen die Beantragung ſeiner Zurückberufung und Beſtrafung bei dem abſendenden Souverän; in der Zwi- ſchenzeit Beaufſichtigung der Perſon des Geſandten, oder auch Statt deſſen, und wenn der beantragten Zurückberu- fung keine Folge gegeben werden ſollte, Wegſchaffung des Geſandten über die Grenze; endlich c. im ſchlimmſten Falle, wenn der Geſandte ſich in eine offene Conſpiration oder Kriegsunternehmung gegen die auswärtige Regierung eingelaſſen haben ſollte, eine gleichfalls unmittel- bar feindſelige Behandlung deſſelben, namentlich Gefangen- nehmung und etwanige körperliche Retention bis zu erlang- ter Genugthuung oder erfolgter Vertheidigung. 2 1 Merlin questions de droit mot: parlamentair. 2 Die obigen Grundſätze ſind theils aus inneren Gründen, theils aus dem
Verfahren der Praxis gerechtfertigt. S. Merlin a. a. O. sect. 5. §. 4. Nr. 10—13. Ward, Enquiry II, 486. 506. Unter den neueren Pu- bliciſten findet ſich irgends eine abweichende Anſicht. Die ältere Literatur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0376" n="352"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Buch</hi>. §. 214.</fw><lb/> ſelbſt bietet ſchon aus den letzten drei Jahrhunderten kein Beiſpiel<lb/> des Gegentheils dar. Ebenſo ausgemacht iſt aber auch auf der<lb/> anderen Seite, daß der geſandtſchaftliche Character nicht etwa das<lb/> Privilegium giebt, ungehindert ſelbſt die unerlaubteſten oder ſchänd-<lb/> lichſten Handlungen zu begehen, vielmehr ſteht nicht allein dem mit<lb/> einem Angriffe bedrohten Privatmanne das Recht der Vertheidi-<lb/> gung, und der Polizei des auswärtigen Staates das Recht einer<lb/> thatſächlichen Intervention gegen beabſichtigte Unordnungen oder<lb/> Verbrechen zu, ſondern es können auch, wenn dergleichen ſchon be-<lb/> gangen ſind, unbedenklich alle Maaßregeln ergriffen werden, welche<lb/> die Intereſſen des verletzten Staates gegen weitere Beeinträchtigun-<lb/> gen ſichern und das Aergerniß entfernen, was durch das Verhal-<lb/> ten des fremden Geſandten gegeben worden iſt, ohne dabei die<lb/> Würde des fremden Staates ſelbſt zu beeinträchtigen, folglich mit<lb/> größeſter Schonung.</p><lb/> <p>Zu dieſen Maaßregeln, welche allerdings nur von der höchſten<lb/> Staatsgewalt, nicht aber von untergeordneten Behörden ausgehen<lb/> können, <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Merlin questions de droit mot: parlamentair.</hi></note> gehört:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">a.</hi> in geringeren Fällen eine vertrauliche Warnung des Geſand-<lb/> ten oder eine Beſchwerde bei ſeinem Souverän;</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">b.</hi> in ſchwereren Fällen die Beantragung ſeiner Zurückberufung<lb/> und Beſtrafung bei dem abſendenden Souverän; in der Zwi-<lb/> ſchenzeit Beaufſichtigung der Perſon des Geſandten, oder<lb/> auch Statt deſſen, und wenn der beantragten Zurückberu-<lb/> fung keine Folge gegeben werden ſollte, Wegſchaffung des<lb/> Geſandten über die Grenze;</item> </list><lb/> <p>endlich</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">c.</hi> im ſchlimmſten Falle, wenn der Geſandte ſich in eine offene<lb/> Conſpiration oder Kriegsunternehmung gegen die auswärtige<lb/> Regierung eingelaſſen haben ſollte, eine gleichfalls unmittel-<lb/> bar feindſelige Behandlung deſſelben, namentlich Gefangen-<lb/> nehmung und etwanige körperliche Retention bis zu erlang-<lb/> ter Genugthuung oder erfolgter Vertheidigung. <note xml:id="note-0376" next="#note-0377" place="foot" n="2">Die obigen Grundſätze ſind theils aus inneren Gründen, theils aus dem<lb/> Verfahren der Praxis gerechtfertigt. S. Merlin a. a. O. <hi rendition="#aq">sect.</hi> 5. §. 4.<lb/> Nr. 10—13. Ward, <hi rendition="#aq">Enquiry II,</hi> 486. 506. Unter den neueren Pu-<lb/> bliciſten findet ſich irgends eine abweichende Anſicht. Die ältere Literatur</note></item> </list><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [352/0376]
Drittes Buch. §. 214.
ſelbſt bietet ſchon aus den letzten drei Jahrhunderten kein Beiſpiel
des Gegentheils dar. Ebenſo ausgemacht iſt aber auch auf der
anderen Seite, daß der geſandtſchaftliche Character nicht etwa das
Privilegium giebt, ungehindert ſelbſt die unerlaubteſten oder ſchänd-
lichſten Handlungen zu begehen, vielmehr ſteht nicht allein dem mit
einem Angriffe bedrohten Privatmanne das Recht der Vertheidi-
gung, und der Polizei des auswärtigen Staates das Recht einer
thatſächlichen Intervention gegen beabſichtigte Unordnungen oder
Verbrechen zu, ſondern es können auch, wenn dergleichen ſchon be-
gangen ſind, unbedenklich alle Maaßregeln ergriffen werden, welche
die Intereſſen des verletzten Staates gegen weitere Beeinträchtigun-
gen ſichern und das Aergerniß entfernen, was durch das Verhal-
ten des fremden Geſandten gegeben worden iſt, ohne dabei die
Würde des fremden Staates ſelbſt zu beeinträchtigen, folglich mit
größeſter Schonung.
Zu dieſen Maaßregeln, welche allerdings nur von der höchſten
Staatsgewalt, nicht aber von untergeordneten Behörden ausgehen
können, 1 gehört:
a. in geringeren Fällen eine vertrauliche Warnung des Geſand-
ten oder eine Beſchwerde bei ſeinem Souverän;
b. in ſchwereren Fällen die Beantragung ſeiner Zurückberufung
und Beſtrafung bei dem abſendenden Souverän; in der Zwi-
ſchenzeit Beaufſichtigung der Perſon des Geſandten, oder
auch Statt deſſen, und wenn der beantragten Zurückberu-
fung keine Folge gegeben werden ſollte, Wegſchaffung des
Geſandten über die Grenze;
endlich
c. im ſchlimmſten Falle, wenn der Geſandte ſich in eine offene
Conſpiration oder Kriegsunternehmung gegen die auswärtige
Regierung eingelaſſen haben ſollte, eine gleichfalls unmittel-
bar feindſelige Behandlung deſſelben, namentlich Gefangen-
nehmung und etwanige körperliche Retention bis zu erlang-
ter Genugthuung oder erfolgter Vertheidigung. 2
1 Merlin questions de droit mot: parlamentair.
2 Die obigen Grundſätze ſind theils aus inneren Gründen, theils aus dem
Verfahren der Praxis gerechtfertigt. S. Merlin a. a. O. sect. 5. §. 4.
Nr. 10—13. Ward, Enquiry II, 486. 506. Unter den neueren Pu-
bliciſten findet ſich irgends eine abweichende Anſicht. Die ältere Literatur
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |