Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.§. 23. Völkerrecht im Zustand des Friedens. Entstehung juristisch correct und der neue Staat legitim, wenn durchseine Schöpfung keine Rechte Anderer verletzt sind (Neminem laede!), oder sobald die zugefügte Rechtsverletzung beseitigt oder von dem Verletzten aufgegeben ist. Dieser selbst kann daher nicht allein die Entstehung des neuen Staates hindern, sondern auch den bereits entstandenen auf den früheren Rechtsstand zurückzuführen suchen oder dafür Genugthuung fordern, und so lange der beiderseitige Kampf dauert, der sein altes Recht vindicirende Staat nicht dasselbe auf- giebt oder nicht ganz außer Stand zu seiner ferneren Verfolgung gesetzt wird, ist kein Dritter verpflichtet oder berechtigt, den neuen Staat anzuerkennen oder mit ihm als solchem einen politischen Verkehr zu beginnen. Bloß der natürliche Verkehr der Völker, na- mentlich der commercielle, kann durch jenen Kampf nicht gehin- dert werden, so weit nicht der Kriegszustand hier Beschränkungen setzt. Ob ein Recht durch die neue Schöpfung verletzt werde, liegt außerhalb der Comperenz dritter Staaten, die nicht selbst Parteien sind; für sie ist jene Schöpfung nichts als eine Begeben- heit, eine weltgeschichtliche Revolution und deren Geschehenlassen oder Hemmung eine Frage der Politik und Sittlichkeit. Nur für die bisher in Einem Staatsverbande begriffenen ist sie eine Rechts- frage, worüber das innere Staatsrecht entscheiden muß, nebenbei für dritte Mächte, welche eine Integrität des bisherigen Staats- verbandes sich stipulirt oder aus anderen Rechtsgründen im eigenen Interesse zu fordern, nicht aber bloß accessorisch verbürgt haben. Unter allen Umständen ist der neue Staat schuldig, jede Verbind- lichkeit, die seinen Theilen noch aus dem bisherigen Verhältniß obliegt, zu erfüllen. Andrerseits bedarf es für ihn keiner ausdrück- lichen Anerkennung der schon bestehenden Mächte zu seinem Da- sein; er ist ein Staat weil er es ist; und eben so wenig ist ein schon bestehender Staat zu einer politischen Anerkennung oder zur Eröffnung eines politischen Verkehrs mit dem neuen verpflichtet, wenn nicht das Eine wie das Andere den politischen Interessen zuträglich befunden wird. Die Anerkennung ist eben nichts als die Bekräftigung der völkerrechtlichen Existenz und die Zulassung ei- nes neuen Gliedes in das schon bestehende völkerrechtliche System. Anm. Mit den vorgetragenen Grundsätzen stimmt im Wesentlichen die Staatenpraxis und publicistische Lehre überein. Fälle der Anwendung erga- ben sich bei dem Abfall der Vereinigten Niederlande und hiernächst Portu- §. 23. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. Entſtehung juriſtiſch correct und der neue Staat legitim, wenn durchſeine Schöpfung keine Rechte Anderer verletzt ſind (Neminem laede!), oder ſobald die zugefügte Rechtsverletzung beſeitigt oder von dem Verletzten aufgegeben iſt. Dieſer ſelbſt kann daher nicht allein die Entſtehung des neuen Staates hindern, ſondern auch den bereits entſtandenen auf den früheren Rechtsſtand zurückzuführen ſuchen oder dafür Genugthuung fordern, und ſo lange der beiderſeitige Kampf dauert, der ſein altes Recht vindicirende Staat nicht daſſelbe auf- giebt oder nicht ganz außer Stand zu ſeiner ferneren Verfolgung geſetzt wird, iſt kein Dritter verpflichtet oder berechtigt, den neuen Staat anzuerkennen oder mit ihm als ſolchem einen politiſchen Verkehr zu beginnen. Bloß der natürliche Verkehr der Völker, na- mentlich der commercielle, kann durch jenen Kampf nicht gehin- dert werden, ſo weit nicht der Kriegszuſtand hier Beſchränkungen ſetzt. Ob ein Recht durch die neue Schöpfung verletzt werde, liegt außerhalb der Comperenz dritter Staaten, die nicht ſelbſt Parteien ſind; für ſie iſt jene Schöpfung nichts als eine Begeben- heit, eine weltgeſchichtliche Revolution und deren Geſchehenlaſſen oder Hemmung eine Frage der Politik und Sittlichkeit. Nur für die bisher in Einem Staatsverbande begriffenen iſt ſie eine Rechts- frage, worüber das innere Staatsrecht entſcheiden muß, nebenbei für dritte Mächte, welche eine Integrität des bisherigen Staats- verbandes ſich ſtipulirt oder aus anderen Rechtsgründen im eigenen Intereſſe zu fordern, nicht aber bloß acceſſoriſch verbürgt haben. Unter allen Umſtänden iſt der neue Staat ſchuldig, jede Verbind- lichkeit, die ſeinen Theilen noch aus dem bisherigen Verhältniß obliegt, zu erfüllen. Andrerſeits bedarf es für ihn keiner ausdrück- lichen Anerkennung der ſchon beſtehenden Mächte zu ſeinem Da- ſein; er iſt ein Staat weil er es iſt; und eben ſo wenig iſt ein ſchon beſtehender Staat zu einer politiſchen Anerkennung oder zur Eröffnung eines politiſchen Verkehrs mit dem neuen verpflichtet, wenn nicht das Eine wie das Andere den politiſchen Intereſſen zuträglich befunden wird. Die Anerkennung iſt eben nichts als die Bekräftigung der völkerrechtlichen Exiſtenz und die Zulaſſung ei- nes neuen Gliedes in das ſchon beſtehende völkerrechtliche Syſtem. Anm. Mit den vorgetragenen Grundſätzen ſtimmt im Weſentlichen die Staatenpraxis und publiciſtiſche Lehre überein. 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§. 23. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
Entſtehung juriſtiſch correct und der neue Staat legitim, wenn durch
ſeine Schöpfung keine Rechte Anderer verletzt ſind (Neminem laede!),
oder ſobald die zugefügte Rechtsverletzung beſeitigt oder von dem
Verletzten aufgegeben iſt. Dieſer ſelbſt kann daher nicht allein die
Entſtehung des neuen Staates hindern, ſondern auch den bereits
entſtandenen auf den früheren Rechtsſtand zurückzuführen ſuchen oder
dafür Genugthuung fordern, und ſo lange der beiderſeitige Kampf
dauert, der ſein altes Recht vindicirende Staat nicht daſſelbe auf-
giebt oder nicht ganz außer Stand zu ſeiner ferneren Verfolgung
geſetzt wird, iſt kein Dritter verpflichtet oder berechtigt, den neuen
Staat anzuerkennen oder mit ihm als ſolchem einen politiſchen
Verkehr zu beginnen. Bloß der natürliche Verkehr der Völker, na-
mentlich der commercielle, kann durch jenen Kampf nicht gehin-
dert werden, ſo weit nicht der Kriegszuſtand hier Beſchränkungen
ſetzt. Ob ein Recht durch die neue Schöpfung verletzt werde,
liegt außerhalb der Comperenz dritter Staaten, die nicht ſelbſt
Parteien ſind; für ſie iſt jene Schöpfung nichts als eine Begeben-
heit, eine weltgeſchichtliche Revolution und deren Geſchehenlaſſen
oder Hemmung eine Frage der Politik und Sittlichkeit. Nur für
die bisher in Einem Staatsverbande begriffenen iſt ſie eine Rechts-
frage, worüber das innere Staatsrecht entſcheiden muß, nebenbei
für dritte Mächte, welche eine Integrität des bisherigen Staats-
verbandes ſich ſtipulirt oder aus anderen Rechtsgründen im eigenen
Intereſſe zu fordern, nicht aber bloß acceſſoriſch verbürgt haben.
Unter allen Umſtänden iſt der neue Staat ſchuldig, jede Verbind-
lichkeit, die ſeinen Theilen noch aus dem bisherigen Verhältniß
obliegt, zu erfüllen. Andrerſeits bedarf es für ihn keiner ausdrück-
lichen Anerkennung der ſchon beſtehenden Mächte zu ſeinem Da-
ſein; er iſt ein Staat weil er es iſt; und eben ſo wenig iſt ein
ſchon beſtehender Staat zu einer politiſchen Anerkennung oder zur
Eröffnung eines politiſchen Verkehrs mit dem neuen verpflichtet,
wenn nicht das Eine wie das Andere den politiſchen Intereſſen
zuträglich befunden wird. Die Anerkennung iſt eben nichts als
die Bekräftigung der völkerrechtlichen Exiſtenz und die Zulaſſung ei-
nes neuen Gliedes in das ſchon beſtehende völkerrechtliche Syſtem.
Anm. Mit den vorgetragenen Grundſätzen ſtimmt im Weſentlichen die
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ben ſich bei dem Abfall der Vereinigten Niederlande und hiernächſt Portu-
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