Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Erstes Buch. §. 28. I. Staaten, welchen für sich oder ihre Souveräne Königliche Ehren (Honores regii, honneurs royaux) zustehen, ha- ben einen äußerlichen Vorrang vor denjenigen, welchen der- gleichen Ehren nicht gebühren. Als Königliche Ehren sind aber anzusehen: der Gebrauch der Königlichen Titel, Krone und cor- respondirenden Wappen; das ausschließliche Recht, Gesandte erster Klasse zu schicken; gewisse andere Cerimonialrechte, welche weiterhin vor- kommen sollen. Als berechtigt zu Königlichen Ehren werden außer Kaisern und Königen nur noch die Großherzoge, desgleichen, vermöge früheren Herkommens, der Kurfürst von Hessen angesehen; eben darauf hatten früherhin auch Republiken Anspruch, wie z. B. Venedig und die Niederlande, jetzt unbedenklich die Schweizerische Eidgenossenschaft, der Nordamerikanische Frei- staat. Daß der Deutsche Staatenbund als solcher nicht da- von ausgeschlossen werden könne, versteht sich von selbst, da die bedeutenderen seiner Glieder, aus deren Gebieten das Bun- desgebiet selbst wieder hauptsächlich besteht, schon zu jenen Vorrechten beansprucht sind. II. Unter den Staaten einer jeden der beiden Hauptklassen be- steht dem Princip nach eine vollkommene Rechtsgleichheit. Insbesondere gilt dies von den heutigen Kaiser- und Kö- nigstiteln, seitdem der vormals allgemein als Erstes christli- ches Haupt anerkannte Römische Kaiser nicht mehr existirt. Könige haben vorlängst die rechtliche Gleichbedeutung mit dem Kaisertitel dadurch angezeigt, daß sie den Namen eines Kaiser- reichs oder Imperators auch mit dem vorzugsweise geführten Königlichen Titel verbinden, oder wenigstens Krone und Rechte des Souveräns kaiserliche nennen. 1 Kaisern und Königen Darnach: Memoires sur le rang et la preseance. par M. Rousset. Amst. 1746. Agostino Paradisi, Atteneo dell uomo nobile. Venet. 1731. Gottfr. Stieve, Europ. Hofcerimon. Lpz. 1715. 1723. Eine gute Zusam- menstellung der Hauptpunkte giebt Günther, Völkerr. I, S. 199 ff. S. auch J. Chr. Hellbach, Hdb. des Rangrechts. Ansp. 1804. Fr. A. Mos- heim, über den Rang der Europ. Mächte. Sulzb. 1819. 1 So gaben sich und empfingen die Könige Frankreichs in den Verhandlun-
Erſtes Buch. §. 28. I. Staaten, welchen für ſich oder ihre Souveräne Königliche Ehren (Honores regii, honneurs royaux) zuſtehen, ha- ben einen äußerlichen Vorrang vor denjenigen, welchen der- gleichen Ehren nicht gebühren. Als Königliche Ehren ſind aber anzuſehen: der Gebrauch der Königlichen Titel, Krone und cor- reſpondirenden Wappen; das ausſchließliche Recht, Geſandte erſter Klaſſe zu ſchicken; gewiſſe andere Cerimonialrechte, welche weiterhin vor- kommen ſollen. Als berechtigt zu Königlichen Ehren werden außer Kaiſern und Königen nur noch die Großherzoge, desgleichen, vermöge früheren Herkommens, der Kurfürſt von Heſſen angeſehen; eben darauf hatten früherhin auch Republiken Anſpruch, wie z. B. Venedig und die Niederlande, jetzt unbedenklich die Schweizeriſche Eidgenoſſenſchaft, der Nordamerikaniſche Frei- ſtaat. Daß der Deutſche Staatenbund als ſolcher nicht da- von ausgeſchloſſen werden könne, verſteht ſich von ſelbſt, da die bedeutenderen ſeiner Glieder, aus deren Gebieten das Bun- desgebiet ſelbſt wieder hauptſächlich beſteht, ſchon zu jenen Vorrechten beanſprucht ſind. II. Unter den Staaten einer jeden der beiden Hauptklaſſen be- ſteht dem Princip nach eine vollkommene Rechtsgleichheit. Insbeſondere gilt dies von den heutigen Kaiſer- und Kö- nigstiteln, ſeitdem der vormals allgemein als Erſtes chriſtli- ches Haupt anerkannte Römiſche Kaiſer nicht mehr exiſtirt. Könige haben vorlängſt die rechtliche Gleichbedeutung mit dem Kaiſertitel dadurch angezeigt, daß ſie den Namen eines Kaiſer- reichs oder Imperators auch mit dem vorzugsweiſe geführten Königlichen Titel verbinden, oder wenigſtens Krone und Rechte des Souveräns kaiſerliche nennen. 1 Kaiſern und Königen Darnach: Mémoires sur le rang et la préséance. par M. Rousset. Amst. 1746. Agostino Paradisi, Atteneo dell uomo nobile. Venet. 1731. Gottfr. Stieve, Europ. Hofcerimon. Lpz. 1715. 1723. Eine gute Zuſam- menſtellung der Hauptpunkte giebt Günther, Völkerr. I, S. 199 ff. S. auch J. Chr. Hellbach, Hdb. des Rangrechts. Anſp. 1804. Fr. A. Mos- heim, über den Rang der Europ. Mächte. Sulzb. 1819. 1 So gaben ſich und empfingen die Könige Frankreichs in den Verhandlun-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0070" n="46"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſtes Buch</hi>. §. 28.</fw><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">I.</hi> Staaten, welchen für ſich oder ihre Souveräne Königliche<lb/> Ehren (<hi rendition="#aq">Honores regii, honneurs royaux</hi>) zuſtehen, ha-<lb/> ben einen äußerlichen Vorrang vor denjenigen, welchen der-<lb/> gleichen Ehren nicht gebühren.<lb/><hi rendition="#et">Als Königliche Ehren ſind aber anzuſehen:<lb/> der Gebrauch der Königlichen Titel, Krone und cor-<lb/> reſpondirenden Wappen;<lb/> das ausſchließliche Recht, Geſandte erſter Klaſſe zu<lb/> ſchicken;<lb/> gewiſſe andere Cerimonialrechte, welche weiterhin vor-<lb/> kommen ſollen.<lb/> Als berechtigt zu Königlichen Ehren werden außer Kaiſern<lb/> und Königen nur noch die Großherzoge, desgleichen, vermöge<lb/> früheren Herkommens, der Kurfürſt von Heſſen angeſehen;<lb/> eben darauf hatten früherhin auch Republiken Anſpruch, wie<lb/> z. B. Venedig und die Niederlande, jetzt unbedenklich die<lb/> Schweizeriſche Eidgenoſſenſchaft, der Nordamerikaniſche Frei-<lb/> ſtaat. Daß der Deutſche Staatenbund als ſolcher nicht da-<lb/> von ausgeſchloſſen werden könne, verſteht ſich von ſelbſt, da<lb/> die bedeutenderen ſeiner Glieder, aus deren Gebieten das Bun-<lb/> desgebiet ſelbſt wieder hauptſächlich beſteht, ſchon zu jenen<lb/> Vorrechten beanſprucht ſind.</hi></item><lb/> <item><hi rendition="#aq">II.</hi> Unter den Staaten einer jeden der beiden Hauptklaſſen be-<lb/> ſteht dem Princip nach eine vollkommene Rechtsgleichheit.<lb/> Insbeſondere gilt dies von den heutigen Kaiſer- und Kö-<lb/> nigstiteln, ſeitdem der vormals allgemein als Erſtes chriſtli-<lb/> ches Haupt anerkannte Römiſche Kaiſer nicht mehr exiſtirt.<lb/> Könige haben vorlängſt die rechtliche Gleichbedeutung mit dem<lb/> Kaiſertitel dadurch angezeigt, daß ſie den Namen eines Kaiſer-<lb/> reichs oder Imperators auch mit dem vorzugsweiſe geführten<lb/> Königlichen Titel verbinden, oder wenigſtens Krone und Rechte<lb/> des Souveräns kaiſerliche nennen. <note xml:id="note-0070a" next="#note-0071" place="foot" n="1">So gaben ſich und empfingen die Könige Frankreichs in den Verhandlun-</note> Kaiſern und Königen<lb/><note xml:id="note-0070" prev="#note-0069" place="foot" n="2">Darnach: <hi rendition="#aq">Mémoires sur le rang et la préséance. par M. Rousset. Amst.<lb/> 1746. Agostino Paradisi, Atteneo dell uomo nobile. Venet.</hi> 1731.<lb/> Gottfr. Stieve, Europ. Hofcerimon. Lpz. 1715. 1723. Eine gute Zuſam-<lb/> menſtellung der Hauptpunkte giebt Günther, Völkerr. <hi rendition="#aq">I,</hi> S. 199 ff. S.<lb/> auch J. Chr. Hellbach, Hdb. des Rangrechts. Anſp. 1804. Fr. A. Mos-<lb/> heim, über den Rang der Europ. Mächte. Sulzb. 1819.</note><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0070]
Erſtes Buch. §. 28.
I. Staaten, welchen für ſich oder ihre Souveräne Königliche
Ehren (Honores regii, honneurs royaux) zuſtehen, ha-
ben einen äußerlichen Vorrang vor denjenigen, welchen der-
gleichen Ehren nicht gebühren.
Als Königliche Ehren ſind aber anzuſehen:
der Gebrauch der Königlichen Titel, Krone und cor-
reſpondirenden Wappen;
das ausſchließliche Recht, Geſandte erſter Klaſſe zu
ſchicken;
gewiſſe andere Cerimonialrechte, welche weiterhin vor-
kommen ſollen.
Als berechtigt zu Königlichen Ehren werden außer Kaiſern
und Königen nur noch die Großherzoge, desgleichen, vermöge
früheren Herkommens, der Kurfürſt von Heſſen angeſehen;
eben darauf hatten früherhin auch Republiken Anſpruch, wie
z. B. Venedig und die Niederlande, jetzt unbedenklich die
Schweizeriſche Eidgenoſſenſchaft, der Nordamerikaniſche Frei-
ſtaat. Daß der Deutſche Staatenbund als ſolcher nicht da-
von ausgeſchloſſen werden könne, verſteht ſich von ſelbſt, da
die bedeutenderen ſeiner Glieder, aus deren Gebieten das Bun-
desgebiet ſelbſt wieder hauptſächlich beſteht, ſchon zu jenen
Vorrechten beanſprucht ſind.
II. Unter den Staaten einer jeden der beiden Hauptklaſſen be-
ſteht dem Princip nach eine vollkommene Rechtsgleichheit.
Insbeſondere gilt dies von den heutigen Kaiſer- und Kö-
nigstiteln, ſeitdem der vormals allgemein als Erſtes chriſtli-
ches Haupt anerkannte Römiſche Kaiſer nicht mehr exiſtirt.
Könige haben vorlängſt die rechtliche Gleichbedeutung mit dem
Kaiſertitel dadurch angezeigt, daß ſie den Namen eines Kaiſer-
reichs oder Imperators auch mit dem vorzugsweiſe geführten
Königlichen Titel verbinden, oder wenigſtens Krone und Rechte
des Souveräns kaiſerliche nennen. 1 Kaiſern und Königen
2
1 So gaben ſich und empfingen die Könige Frankreichs in den Verhandlun-
2 Darnach: Mémoires sur le rang et la préséance. par M. Rousset. Amst.
1746. Agostino Paradisi, Atteneo dell uomo nobile. Venet. 1731.
Gottfr. Stieve, Europ. Hofcerimon. Lpz. 1715. 1723. Eine gute Zuſam-
menſtellung der Hauptpunkte giebt Günther, Völkerr. I, S. 199 ff. S.
auch J. Chr. Hellbach, Hdb. des Rangrechts. Anſp. 1804. Fr. A. Mos-
heim, über den Rang der Europ. Mächte. Sulzb. 1819.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |