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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 38. Völkerrecht im Zustand des Friedens.
seinem eigenen Rechtssystem widersprechen; 1 oder solche Wirkun-
gen, die er nur seinen inländischen Rechtsverhältnissen zugesteht;
nie ist die bloß gesetzliche Fiction eines Staates auch für einen
anderen, der sie nicht hat, verbindlich, 2 wiewohl die auf Grund
solcher Fiction im Auslande bereits eingetretenen fernerweiten Rechts-
verhältnisse in ihrer Existenz nicht negirt werden können. 3 Nie
kann aber auch das System bestehen, daß selbst Existenz und Be-
dingungen eines Rechtsverhältnisses, welches in einem auswärti-
gen zuständigen Staate erwachsen ist, von jedem anderen, wo die
Wirkungen in Anspruch genommen werden, nach seinem eigenen
Recht zu beurtheilen seien. Man würde dadurch dem eigenen Ge-
setz eine ultraterritoriale und selbst retroactive Kraft geben.

38. Als leitende Grundsätze hinsichtlich der Zuständigkeit
der Rechtssatzungen
ergeben sich diese:

I. Jeder Staat ist berechtigt, den bürgerlichen Stand seiner
Unterthanen, so wie die Rechte einer Person auf die andere
nebst denen der persönlichen Repräsentation und Succession
zu bestimmen (statuta personalia), sei es auf rein legis-
lativem Wege oder mit Zuthun der Gerichtsbarkeit in ge-
mischt freiwilligen und unfreiwilligen Angelegenheiten (ju-
risdictio voluntaria mixta
), z. B. durch Anordnung von
Vormündern, Beiständen u. dergl. Die hierdurch begründe-
ten Rechtsverhältnisse werden in Ansehung des Heimathstaa-
tes hinsichtlich der hier neu entstehenden oder daselbst wirk-
sam sein sollenden anderweitigen Rechtsverhältnisse, selbst
durch einen Aufenthalt der Person im Auslande, nicht auf-
gehoben, so lange noch das bisherige Vaterland beibehalten
wird. 4 Ein fremder Staat kann diese Rechtsverhältnisse
1 So muß sich z. B. die väterliche Gewalt eines Fremden über seine Kin-
der nach den Gesetzen des Aufenthalts modificiren.
2 Z. B. keine gerichtliche Todeserklärung kann für andere Staaten, welche
dieses Institut nicht haben, oder in anderer Art haben, die Stelle der wirk-
lichen Todeserweisung vertreten; keine Legitimation eines unehelichen Kin-
des den in einem anderen Staat erforderlichen Nachweis der ehelichen Geburt.
3 Z. B. die bereits erfolgte Succession in die Rechte eines Todterklärten.
4 Daß selbst die Veränderung des Vaterlandes die Rechte des Privatstatus
nicht ändere, z. B. das Ziel der Minderjährigkeit, ist nicht zu behaupten.
Doch ist Einiges der Art zuweilen in Staatsverträgen vereinbart worden,
z. B. zwischen Preußen und Sachsen.
5*

§. 38. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
ſeinem eigenen Rechtsſyſtem widerſprechen; 1 oder ſolche Wirkun-
gen, die er nur ſeinen inländiſchen Rechtsverhältniſſen zugeſteht;
nie iſt die bloß geſetzliche Fiction eines Staates auch für einen
anderen, der ſie nicht hat, verbindlich, 2 wiewohl die auf Grund
ſolcher Fiction im Auslande bereits eingetretenen fernerweiten Rechts-
verhältniſſe in ihrer Exiſtenz nicht negirt werden können. 3 Nie
kann aber auch das Syſtem beſtehen, daß ſelbſt Exiſtenz und Be-
dingungen eines Rechtsverhältniſſes, welches in einem auswärti-
gen zuſtändigen Staate erwachſen iſt, von jedem anderen, wo die
Wirkungen in Anſpruch genommen werden, nach ſeinem eigenen
Recht zu beurtheilen ſeien. Man würde dadurch dem eigenen Ge-
ſetz eine ultraterritoriale und ſelbſt retroactive Kraft geben.

38. Als leitende Grundſätze hinſichtlich der Zuſtändigkeit
der Rechtsſatzungen
ergeben ſich dieſe:

I. Jeder Staat iſt berechtigt, den bürgerlichen Stand ſeiner
Unterthanen, ſo wie die Rechte einer Perſon auf die andere
nebſt denen der perſönlichen Repräſentation und Succeſſion
zu beſtimmen (statuta personalia), ſei es auf rein legis-
lativem Wege oder mit Zuthun der Gerichtsbarkeit in ge-
miſcht freiwilligen und unfreiwilligen Angelegenheiten (ju-
risdictio voluntaria mixta
), z. B. durch Anordnung von
Vormündern, Beiſtänden u. dergl. Die hierdurch begründe-
ten Rechtsverhältniſſe werden in Anſehung des Heimathſtaa-
tes hinſichtlich der hier neu entſtehenden oder daſelbſt wirk-
ſam ſein ſollenden anderweitigen Rechtsverhältniſſe, ſelbſt
durch einen Aufenthalt der Perſon im Auslande, nicht auf-
gehoben, ſo lange noch das bisherige Vaterland beibehalten
wird. 4 Ein fremder Staat kann dieſe Rechtsverhältniſſe
1 So muß ſich z. B. die väterliche Gewalt eines Fremden über ſeine Kin-
der nach den Geſetzen des Aufenthalts modificiren.
2 Z. B. keine gerichtliche Todeserklärung kann für andere Staaten, welche
dieſes Inſtitut nicht haben, oder in anderer Art haben, die Stelle der wirk-
lichen Todeserweiſung vertreten; keine Legitimation eines unehelichen Kin-
des den in einem anderen Staat erforderlichen Nachweis der ehelichen Geburt.
3 Z. B. die bereits erfolgte Succeſſion in die Rechte eines Todterklärten.
4 Daß ſelbſt die Veränderung des Vaterlandes die Rechte des Privatſtatus
nicht ändere, z. B. das Ziel der Minderjährigkeit, iſt nicht zu behaupten.
Doch iſt Einiges der Art zuweilen in Staatsverträgen vereinbart worden,
z. B. zwiſchen Preußen und Sachſen.
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[67/0091] §. 38. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. ſeinem eigenen Rechtsſyſtem widerſprechen; 1 oder ſolche Wirkun- gen, die er nur ſeinen inländiſchen Rechtsverhältniſſen zugeſteht; nie iſt die bloß geſetzliche Fiction eines Staates auch für einen anderen, der ſie nicht hat, verbindlich, 2 wiewohl die auf Grund ſolcher Fiction im Auslande bereits eingetretenen fernerweiten Rechts- verhältniſſe in ihrer Exiſtenz nicht negirt werden können. 3 Nie kann aber auch das Syſtem beſtehen, daß ſelbſt Exiſtenz und Be- dingungen eines Rechtsverhältniſſes, welches in einem auswärti- gen zuſtändigen Staate erwachſen iſt, von jedem anderen, wo die Wirkungen in Anſpruch genommen werden, nach ſeinem eigenen Recht zu beurtheilen ſeien. Man würde dadurch dem eigenen Ge- ſetz eine ultraterritoriale und ſelbſt retroactive Kraft geben. 38. Als leitende Grundſätze hinſichtlich der Zuſtändigkeit der Rechtsſatzungen ergeben ſich dieſe: I. Jeder Staat iſt berechtigt, den bürgerlichen Stand ſeiner Unterthanen, ſo wie die Rechte einer Perſon auf die andere nebſt denen der perſönlichen Repräſentation und Succeſſion zu beſtimmen (statuta personalia), ſei es auf rein legis- lativem Wege oder mit Zuthun der Gerichtsbarkeit in ge- miſcht freiwilligen und unfreiwilligen Angelegenheiten (ju- risdictio voluntaria mixta), z. B. durch Anordnung von Vormündern, Beiſtänden u. dergl. Die hierdurch begründe- ten Rechtsverhältniſſe werden in Anſehung des Heimathſtaa- tes hinſichtlich der hier neu entſtehenden oder daſelbſt wirk- ſam ſein ſollenden anderweitigen Rechtsverhältniſſe, ſelbſt durch einen Aufenthalt der Perſon im Auslande, nicht auf- gehoben, ſo lange noch das bisherige Vaterland beibehalten wird. 4 Ein fremder Staat kann dieſe Rechtsverhältniſſe 1 So muß ſich z. B. die väterliche Gewalt eines Fremden über ſeine Kin- der nach den Geſetzen des Aufenthalts modificiren. 2 Z. B. keine gerichtliche Todeserklärung kann für andere Staaten, welche dieſes Inſtitut nicht haben, oder in anderer Art haben, die Stelle der wirk- lichen Todeserweiſung vertreten; keine Legitimation eines unehelichen Kin- des den in einem anderen Staat erforderlichen Nachweis der ehelichen Geburt. 3 Z. B. die bereits erfolgte Succeſſion in die Rechte eines Todterklärten. 4 Daß ſelbſt die Veränderung des Vaterlandes die Rechte des Privatſtatus nicht ändere, z. B. das Ziel der Minderjährigkeit, iſt nicht zu behaupten. Doch iſt Einiges der Art zuweilen in Staatsverträgen vereinbart worden, z. B. zwiſchen Preußen und Sachſen. 5*

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/91>, abgerufen am 27.11.2024.