Kants Verfahren ist im Grunde analytisch, nicht construirend. Er setzt die Vorstellung der Materie voraus, und fragt nun, welche Kräfte da- zu gehören, um ihre vorausgesetzten Bestimmungen zu erhalten. So fodert er also einestheils die Attractivkraft darum, weil durch die Repulsion allein, ohne Attraction, eigentlich keine Materie da- seyn könnte. (Anfangsgr. der Natur-Wissensch. S. 53. f.) Die Repulsion anderntheils, leitet er gleich- falls aus der Materie ab, und gibt als Grund derselben an, weil wir uns die Materie undurch- dringlich vorstellen, indem diese nemlich dem Sin- ne des Gefühls, durch den sie sich uns offenbare, sich unter dieser Bestimmung präsentirt. Die Repulsion werde also sogleich im Begriffe der Materie gedacht, weil sie damit unmittelbar gegeben sey; die Attraction dagegen werde derselben durch Schlüsse beygefügt. Diesen Schlüssen aber liegt das so eben Gesagte zu Grunde, daß nemlich eine Materie, die bloß Repulsiv- kraft hätte, das, was wir uns unter Materie vorstel- len, nicht erschöpfte.
Es ist diß, wie erhellt, das Verfahren des ge- wöhnlichen, über die Erfahrung reflectirenden Erkennens, das zuerst in der Erscheinung Bestimmungen wahr- nimmt, diese nun zu Grunde legt, und für das soge- nannte Erklären derselben Grundstoffe auch Kräfte annimmt, welche jene Bestimmungen der Er- scheinung hervorbringen sollen.
In Ansehung des angeführten Unterschieds, wie die Repulsivkraft und wie die Attractivkraft von dem Er- kennen in der Materie gefunden werde, bemerkt Kant noch ferner, daß die Attractivkraft zwar eben so wohl zum Begriffe der Materie gehöre, ob sie gleich
nicht
Qualitaͤt.
Kants Verfahren iſt im Grunde analytiſch, nicht conſtruirend. Er ſetzt die Vorſtellung der Materie voraus, und fragt nun, welche Kraͤfte da- zu gehoͤren, um ihre vorausgeſetzten Beſtimmungen zu erhalten. So fodert er alſo einestheils die Attractivkraft darum, weil durch die Repulſion allein, ohne Attraction, eigentlich keine Materie da- ſeyn koͤnnte. (Anfangsgr. der Natur-Wiſſenſch. S. 53. f.) Die Repulſion anderntheils, leitet er gleich- falls aus der Materie ab, und gibt als Grund derſelben an, weil wir uns die Materie undurch- dringlich vorſtellen, indem dieſe nemlich dem Sin- ne des Gefuͤhls, durch den ſie ſich uns offenbare, ſich unter dieſer Beſtimmung praͤſentirt. Die Repulſion werde alſo ſogleich im Begriffe der Materie gedacht, weil ſie damit unmittelbar gegeben ſey; die Attraction dagegen werde derſelben durch Schluͤſſe beygefuͤgt. Dieſen Schluͤſſen aber liegt das ſo eben Geſagte zu Grunde, daß nemlich eine Materie, die bloß Repulſiv- kraft haͤtte, das, was wir uns unter Materie vorſtel- len, nicht erſchoͤpfte.
Es iſt diß, wie erhellt, das Verfahren des ge- woͤhnlichen, uͤber die Erfahrung reflectirenden Erkennens, das zuerſt in der Erſcheinung Beſtimmungen wahr- nimmt, dieſe nun zu Grunde legt, und fuͤr das ſoge- nannte Erklaͤren derſelben Grundſtoffe auch Kraͤfte annimmt, welche jene Beſtimmungen der Er- ſcheinung hervorbringen ſollen.
In Anſehung des angefuͤhrten Unterſchieds, wie die Repulſivkraft und wie die Attractivkraft von dem Er- kennen in der Materie gefunden werde, bemerkt Kant noch ferner, daß die Attractivkraft zwar eben ſo wohl zum Begriffe der Materie gehoͤre, ob ſie gleich
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Qualitaͤt.
Kants Verfahren iſt im Grunde analytiſch,
nicht conſtruirend. Er ſetzt die Vorſtellung der
Materie voraus, und fragt nun, welche Kraͤfte da-
zu gehoͤren, um ihre vorausgeſetzten Beſtimmungen zu
erhalten. So fodert er alſo einestheils die Attractivkraft
darum, weil durch die Repulſion allein, ohne
Attraction, eigentlich keine Materie da-
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53. f.) Die Repulſion anderntheils, leitet er gleich-
falls aus der Materie ab, und gibt als Grund derſelben
an, weil wir uns die Materie undurch-
dringlich vorſtellen, indem dieſe nemlich dem Sin-
ne des Gefuͤhls, durch den ſie ſich uns offenbare,
ſich unter dieſer Beſtimmung praͤſentirt. Die Repulſion
werde alſo ſogleich im Begriffe der Materie gedacht,
weil ſie damit unmittelbar gegeben ſey; die Attraction
dagegen werde derſelben durch Schluͤſſe beygefuͤgt.
Dieſen Schluͤſſen aber liegt das ſo eben Geſagte zu
Grunde, daß nemlich eine Materie, die bloß Repulſiv-
kraft haͤtte, das, was wir uns unter Materie vorſtel-
len, nicht erſchoͤpfte.
Es iſt diß, wie erhellt, das Verfahren des ge-
woͤhnlichen, uͤber die Erfahrung reflectirenden Erkennens,
das zuerſt in der Erſcheinung Beſtimmungen wahr-
nimmt, dieſe nun zu Grunde legt, und fuͤr das ſoge-
nannte Erklaͤren derſelben Grundſtoffe auch
Kraͤfte annimmt, welche jene Beſtimmungen der Er-
ſcheinung hervorbringen ſollen.
In Anſehung des angefuͤhrten Unterſchieds, wie
die Repulſivkraft und wie die Attractivkraft von dem Er-
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noch ferner, daß die Attractivkraft zwar eben ſo wohl
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/169>, abgerufen am 21.11.2024.
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