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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

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Erstes Buch. II. Abschnitt.
alten eleatischen Schule, besonders die Bewegung
betreffend, die sich gleichfalls auf den Begriff der Quan-
tität gründen, und in ihm ihre Auflösung haben. Es
würde zu weitläufig seyn, sie hier noch zu betrachten; sie
gehören näher zu den Begriffen von Raum und Zeit, und
sind bey diesen und in der Geschichte der Philosophie ab-
zuhandeln. Sie machen der Vernunft ihrer Erfinder
die höchste Ehre; sie haben das reine Seyn des Parme-
nides zum Resultate, indem sie die Auflösung alles
bestimmten Seyns in sich selbst aufzeigen, und sind so-
mit an ihnen selbst das Fliessen des Heraklit. Sie
sind darum auch einer gründlichern Betrachtung würdig,
als der gewöhnlichen Erklärung, daß es eben Sophis-
men seyen; welche Assertion sich an die Wahrnehmung
nach dem, dem gemeinen Menschenverstande so einleuch-
tenden, Vorgange des Diogenes hält, der, als ein Dia-
lectiker den Widerspruch, den die Bewegung enthält,
aufzeigte, seine Vernunft weiter nicht angestrengt haben,
sondern durch ein stummes Hin- und Hergehen auf den
Augenschein verwiesen haben soll, -- eine Assertion und
Widerlegung, die freylich leichter zu machen ist, als ihre
wahrhafte Erkenntniß und Auflösung, die eine Einsicht
in die dialektische Natur der Begriffe voraussetzt.

Die Kantische Auflösung der Antinomie besteht allein
darin, daß die Vernunft die sinnliche Wahrneh-
mung
nicht überfliegen und die Erscheinung, wie sie
ist, nehmen solle. Diese Auflösung läßt den Inhalt der
Antinomie selbst auf der Seite liegen, sie erreicht die Na-
tur des Begriffes nicht, der wesentlich die Einheit ent-
gegengesetzter ist, deren jedes, für sich isolirt, nichtig und
an ihm selbst nur das Uebergehen in sein Anderes ist,
wie hier die Quantität diese Einheit und darin die Wahr-
heit der beyden die Antinomie ausmachenden Bestimmun-
gen ist.



B. Con-

Erſtes Buch. II. Abſchnitt.
alten eleatiſchen Schule, beſonders die Bewegung
betreffend, die ſich gleichfalls auf den Begriff der Quan-
titaͤt gruͤnden, und in ihm ihre Aufloͤſung haben. Es
wuͤrde zu weitlaͤufig ſeyn, ſie hier noch zu betrachten; ſie
gehoͤren naͤher zu den Begriffen von Raum und Zeit, und
ſind bey dieſen und in der Geſchichte der Philoſophie ab-
zuhandeln. Sie machen der Vernunft ihrer Erfinder
die hoͤchſte Ehre; ſie haben das reine Seyn des Parme-
nides zum Reſultate, indem ſie die Aufloͤſung alles
beſtimmten Seyns in ſich ſelbſt aufzeigen, und ſind ſo-
mit an ihnen ſelbſt das Flieſſen des Heraklit. Sie
ſind darum auch einer gruͤndlichern Betrachtung wuͤrdig,
als der gewoͤhnlichen Erklaͤrung, daß es eben Sophis-
men ſeyen; welche Aſſertion ſich an die Wahrnehmung
nach dem, dem gemeinen Menſchenverſtande ſo einleuch-
tenden, Vorgange des Diogenes haͤlt, der, als ein Dia-
lectiker den Widerſpruch, den die Bewegung enthaͤlt,
aufzeigte, ſeine Vernunft weiter nicht angeſtrengt haben,
ſondern durch ein ſtummes Hin- und Hergehen auf den
Augenſchein verwieſen haben ſoll, — eine Aſſertion und
Widerlegung, die freylich leichter zu machen iſt, als ihre
wahrhafte Erkenntniß und Aufloͤſung, die eine Einſicht
in die dialektiſche Natur der Begriffe vorausſetzt.

Die Kantiſche Aufloͤſung der Antinomie beſteht allein
darin, daß die Vernunft die ſinnliche Wahrneh-
mung
nicht uͤberfliegen und die Erſcheinung, wie ſie
iſt, nehmen ſolle. Dieſe Aufloͤſung laͤßt den Inhalt der
Antinomie ſelbſt auf der Seite liegen, ſie erreicht die Na-
tur des Begriffes nicht, der weſentlich die Einheit ent-
gegengeſetzter iſt, deren jedes, fuͤr ſich iſolirt, nichtig und
an ihm ſelbſt nur das Uebergehen in ſein Anderes iſt,
wie hier die Quantitaͤt dieſe Einheit und darin die Wahr-
heit der beyden die Antinomie ausmachenden Beſtimmun-
gen iſt.



B. Con-
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[150/0198] Erſtes Buch. II. Abſchnitt. alten eleatiſchen Schule, beſonders die Bewegung betreffend, die ſich gleichfalls auf den Begriff der Quan- titaͤt gruͤnden, und in ihm ihre Aufloͤſung haben. Es wuͤrde zu weitlaͤufig ſeyn, ſie hier noch zu betrachten; ſie gehoͤren naͤher zu den Begriffen von Raum und Zeit, und ſind bey dieſen und in der Geſchichte der Philoſophie ab- zuhandeln. Sie machen der Vernunft ihrer Erfinder die hoͤchſte Ehre; ſie haben das reine Seyn des Parme- nides zum Reſultate, indem ſie die Aufloͤſung alles beſtimmten Seyns in ſich ſelbſt aufzeigen, und ſind ſo- mit an ihnen ſelbſt das Flieſſen des Heraklit. Sie ſind darum auch einer gruͤndlichern Betrachtung wuͤrdig, als der gewoͤhnlichen Erklaͤrung, daß es eben Sophis- men ſeyen; welche Aſſertion ſich an die Wahrnehmung nach dem, dem gemeinen Menſchenverſtande ſo einleuch- tenden, Vorgange des Diogenes haͤlt, der, als ein Dia- lectiker den Widerſpruch, den die Bewegung enthaͤlt, aufzeigte, ſeine Vernunft weiter nicht angeſtrengt haben, ſondern durch ein ſtummes Hin- und Hergehen auf den Augenſchein verwieſen haben ſoll, — eine Aſſertion und Widerlegung, die freylich leichter zu machen iſt, als ihre wahrhafte Erkenntniß und Aufloͤſung, die eine Einſicht in die dialektiſche Natur der Begriffe vorausſetzt. Die Kantiſche Aufloͤſung der Antinomie beſteht allein darin, daß die Vernunft die ſinnliche Wahrneh- mung nicht uͤberfliegen und die Erſcheinung, wie ſie iſt, nehmen ſolle. Dieſe Aufloͤſung laͤßt den Inhalt der Antinomie ſelbſt auf der Seite liegen, ſie erreicht die Na- tur des Begriffes nicht, der weſentlich die Einheit ent- gegengeſetzter iſt, deren jedes, fuͤr ſich iſolirt, nichtig und an ihm ſelbſt nur das Uebergehen in ſein Anderes iſt, wie hier die Quantitaͤt dieſe Einheit und darin die Wahr- heit der beyden die Antinomie ausmachenden Beſtimmun- gen iſt. B. Con-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/198>, abgerufen am 21.11.2024.