Wenn auf jenes Aufbürgen und Aufthürmen von Zahlen und Welten als auf eine Beschreibung der Ewig- keit der Werth gelegt wird, so wird übersehen, daß der Dichter selbst dieses sogenannte schauderhafte Hin- ausgehen für etwas vergebliches und hohles erklärt, und daß er damit schließt, daß nur durch das Aufge- ben dieses leeren unendlichen Progresses das wahrhafte Unendliche selbst zur Gegenwart vor ihn komme.
Bekanntlich thun sich auch die Astronomen auf das Erhabene ihrer Wissenschaft gern darum viel zu Gute, weil sie mit einer unermeßlichen Menge von Ster- nen, mit so unermeßlichen Räumen und Zeiten zu thun habe, in denen Entfernungen und Perioden, die für sich schon so groß sind, zu Einheiten dienen, welche noch so vielmahl genommen, sich wieder zur Unbedeu- tenheit verkürzen. Das schaale Erstaunen, dem sie sich dabey überlassen, die abgeschmackten Hoffnungen, erst noch in jenem Leben von einem Sterne zum andern zu reisen und ins Unermeßliche fort dergleichen neue Kenntnisse zu erwerben, geben sie für ein Hauptmoment der Vortreflichkeit ihrer Wissenschaft aus, -- welche al- lerdings bewundernswürdig ist, aber nicht um der quan- titativen Unendlichkeit willen, die in ihr vorkommt, son- dern im Gegentheil um der Maaßverhältnisse und der Gesetze willen, welche die Vernunft in diesen Ge- genständen erkannt hat, und die das vernünftige Unend- liche gegen jene unvernünftige Unendlichkeit sind.
Der Unendlichkeit, die sich auf die äussere sinnliche Anschauung bezieht, setzt Kant die andere Unendlich- keit gegenüber, wenn
"das
Quantitaͤt.
„Ich zieh ſie ab, und du liegſt ganz vor mir.“
Wenn auf jenes Aufbuͤrgen und Aufthuͤrmen von Zahlen und Welten als auf eine Beſchreibung der Ewig- keit der Werth gelegt wird, ſo wird uͤberſehen, daß der Dichter ſelbſt dieſes ſogenannte ſchauderhafte Hin- ausgehen fuͤr etwas vergebliches und hohles erklaͤrt, und daß er damit ſchließt, daß nur durch das Aufge- ben dieſes leeren unendlichen Progreſſes das wahrhafte Unendliche ſelbſt zur Gegenwart vor ihn komme.
Bekanntlich thun ſich auch die Aſtronomen auf das Erhabene ihrer Wiſſenſchaft gern darum viel zu Gute, weil ſie mit einer unermeßlichen Menge von Ster- nen, mit ſo unermeßlichen Raͤumen und Zeiten zu thun habe, in denen Entfernungen und Perioden, die fuͤr ſich ſchon ſo groß ſind, zu Einheiten dienen, welche noch ſo vielmahl genommen, ſich wieder zur Unbedeu- tenheit verkuͤrzen. Das ſchaale Erſtaunen, dem ſie ſich dabey uͤberlaſſen, die abgeſchmackten Hoffnungen, erſt noch in jenem Leben von einem Sterne zum andern zu reiſen und ins Unermeßliche fort dergleichen neue Kenntniſſe zu erwerben, geben ſie fuͤr ein Hauptmoment der Vortreflichkeit ihrer Wiſſenſchaft aus, — welche al- lerdings bewundernswuͤrdig iſt, aber nicht um der quan- titativen Unendlichkeit willen, die in ihr vorkommt, ſon- dern im Gegentheil um der Maaßverhaͤltniſſe und der Geſetze willen, welche die Vernunft in dieſen Ge- genſtaͤnden erkannt hat, und die das vernuͤnftige Unend- liche gegen jene unvernuͤnftige Unendlichkeit ſind.
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Quantitaͤt.
„Ich zieh ſie ab, und du liegſt ganz vor
mir.“
Wenn auf jenes Aufbuͤrgen und Aufthuͤrmen von Zahlen
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keit der Werth gelegt wird, ſo wird uͤberſehen, daß
der Dichter ſelbſt dieſes ſogenannte ſchauderhafte Hin-
ausgehen fuͤr etwas vergebliches und hohles erklaͤrt, und
daß er damit ſchließt, daß nur durch das Aufge-
ben dieſes leeren unendlichen Progreſſes das wahrhafte
Unendliche ſelbſt zur Gegenwart vor ihn komme.
Bekanntlich thun ſich auch die Aſtronomen auf
das Erhabene ihrer Wiſſenſchaft gern darum viel zu Gute,
weil ſie mit einer unermeßlichen Menge von Ster-
nen, mit ſo unermeßlichen Raͤumen und Zeiten zu
thun habe, in denen Entfernungen und Perioden, die
fuͤr ſich ſchon ſo groß ſind, zu Einheiten dienen, welche
noch ſo vielmahl genommen, ſich wieder zur Unbedeu-
tenheit verkuͤrzen. Das ſchaale Erſtaunen, dem ſie ſich
dabey uͤberlaſſen, die abgeſchmackten Hoffnungen, erſt
noch in jenem Leben von einem Sterne zum andern zu
reiſen und ins Unermeßliche fort dergleichen neue
Kenntniſſe zu erwerben, geben ſie fuͤr ein Hauptmoment
der Vortreflichkeit ihrer Wiſſenſchaft aus, — welche al-
lerdings bewundernswuͤrdig iſt, aber nicht um der quan-
titativen Unendlichkeit willen, die in ihr vorkommt, ſon-
dern im Gegentheil um der Maaßverhaͤltniſſe und
der Geſetze willen, welche die Vernunft in dieſen Ge-
genſtaͤnden erkannt hat, und die das vernuͤnftige Unend-
liche gegen jene unvernuͤnftige Unendlichkeit ſind.
Der Unendlichkeit, die ſich auf die aͤuſſere ſinnliche
Anſchauung bezieht, ſetzt Kant die andere Unendlich-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/237>, abgerufen am 16.07.2024.
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