Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Quantität.
wendet, sind. Die oben betrachtete Antinomie enthielt
mehr den Gegensatz der qualitativen Endlichkeit und Un-
endlichkeit. In einer andern, der ersten der vier
kosmologischen Antinomien, ist es mehr die quantitative
Grenze, die in ihrem Widerstreite betrachtet wird. Ich
will die Untersuchung dieser Antinomie daher hier an-
stellen.

Sie betrift nemlich die Begrenztheit oder
Unbegrenztheit der Welt in Zeit und Raum
.
-- Es konnte eben so gut dieser Gegensatz auch in Rück-
sicht auf Zeit und Raum selbst betrachtet werden, denn
ob Zeit und Raum Verhältnisse der Dinge selbst, oder
aber nur Formen der Anschauung sind, ändert nichts für
das antinomische der Begrenztheit oder Unbegrenztheit.

Die nähere Auseinanderlegung dieser Antinomie
wird gleichfalls zeigen, daß die beyden Sätze und eben
so ihre Beweise, die wie bey der oben betrachteten apo-
gogisch geführt sind, auf nichts, als auf die zwey einfa-
chen, entgegengesetzten Behauptungen hinauslaufen: es
ist eine Grenze, und es muß über die Grenze
hinausgegangen werden
.

Die Thesis ist:

"Die Welt hat einen Anfang in der
"Zeit, und ist dem Raume nach auch in
"Grenzen eingeschlossen
."

Der eine Theil des Beweises, die Zeit be-
treffend, nimmt das Gegentheil an,

"die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang, so ist
"bis zu jedem gegebenen Zeitpunkt eine Ewig-
"keit abgelaufen, und mithin eine unendliche Reihe auf
"einander folgenden Zustände der Dinge in der Welt ver-

"flos-

Quantitaͤt.
wendet, ſind. Die oben betrachtete Antinomie enthielt
mehr den Gegenſatz der qualitativen Endlichkeit und Un-
endlichkeit. In einer andern, der erſten der vier
kosmologiſchen Antinomien, iſt es mehr die quantitative
Grenze, die in ihrem Widerſtreite betrachtet wird. Ich
will die Unterſuchung dieſer Antinomie daher hier an-
ſtellen.

Sie betrift nemlich die Begrenztheit oder
Unbegrenztheit der Welt in Zeit und Raum
.
— Es konnte eben ſo gut dieſer Gegenſatz auch in Ruͤck-
ſicht auf Zeit und Raum ſelbſt betrachtet werden, denn
ob Zeit und Raum Verhaͤltniſſe der Dinge ſelbſt, oder
aber nur Formen der Anſchauung ſind, aͤndert nichts fuͤr
das antinomiſche der Begrenztheit oder Unbegrenztheit.

Die naͤhere Auseinanderlegung dieſer Antinomie
wird gleichfalls zeigen, daß die beyden Saͤtze und eben
ſo ihre Beweiſe, die wie bey der oben betrachteten apo-
gogiſch gefuͤhrt ſind, auf nichts, als auf die zwey einfa-
chen, entgegengeſetzten Behauptungen hinauslaufen: es
iſt eine Grenze, und es muß uͤber die Grenze
hinausgegangen werden
.

Die Theſis iſt:

Die Welt hat einen Anfang in der
„Zeit, und iſt dem Raume nach auch in
„Grenzen eingeſchloſſen
.“

Der eine Theil des Beweiſes, die Zeit be-
treffend, nimmt das Gegentheil an,

„die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang, ſo iſt
„bis zu jedem gegebenen Zeitpunkt eine Ewig-
„keit abgelaufen, und mithin eine unendliche Reihe auf
„einander folgenden Zuſtaͤnde der Dinge in der Welt ver-

floſ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0243" n="195"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Quantita&#x0364;t</hi>.</fw><lb/>
wendet, &#x017F;ind. Die oben betrachtete Antinomie enthielt<lb/>
mehr den Gegen&#x017F;atz der qualitativen Endlichkeit und Un-<lb/>
endlichkeit. In einer andern, <hi rendition="#g">der er&#x017F;ten</hi> der vier<lb/>
kosmologi&#x017F;chen Antinomien, i&#x017F;t es mehr die quantitative<lb/>
Grenze, die in ihrem Wider&#x017F;treite betrachtet wird. Ich<lb/>
will die Unter&#x017F;uchung die&#x017F;er Antinomie daher hier an-<lb/>
&#x017F;tellen.</p><lb/>
                    <p>Sie betrift nemlich die <hi rendition="#g">Begrenztheit oder<lb/>
Unbegrenztheit der Welt in Zeit und Raum</hi>.<lb/>
&#x2014; Es konnte eben &#x017F;o gut die&#x017F;er Gegen&#x017F;atz auch in Ru&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;icht auf Zeit und Raum &#x017F;elb&#x017F;t betrachtet werden, denn<lb/>
ob Zeit und Raum Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der Dinge &#x017F;elb&#x017F;t, oder<lb/>
aber nur Formen der An&#x017F;chauung &#x017F;ind, a&#x0364;ndert nichts fu&#x0364;r<lb/>
das antinomi&#x017F;che der Begrenztheit oder Unbegrenztheit.</p><lb/>
                    <p>Die na&#x0364;here Auseinanderlegung die&#x017F;er Antinomie<lb/>
wird gleichfalls zeigen, daß die beyden Sa&#x0364;tze und eben<lb/>
&#x017F;o ihre Bewei&#x017F;e, die wie bey der oben betrachteten apo-<lb/>
gogi&#x017F;ch gefu&#x0364;hrt &#x017F;ind, auf nichts, als auf die zwey einfa-<lb/>
chen, entgegenge&#x017F;etzten Behauptungen hinauslaufen: <hi rendition="#g">es<lb/>
i&#x017F;t eine Grenze, und es muß u&#x0364;ber die Grenze<lb/>
hinausgegangen werden</hi>.</p><lb/>
                    <p> <hi rendition="#et">Die <hi rendition="#g">The&#x017F;is</hi> i&#x017F;t:</hi> </p><lb/>
                    <p>&#x201E;<hi rendition="#g">Die Welt hat einen Anfang in der<lb/>
&#x201E;Zeit, und i&#x017F;t dem Raume nach auch in<lb/>
&#x201E;Grenzen einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en</hi>.&#x201C;</p><lb/>
                    <p>Der <hi rendition="#g">eine Theil</hi> des Bewei&#x017F;es, die <hi rendition="#g">Zeit</hi> be-<lb/>
treffend, nimmt das Gegentheil an,</p><lb/>
                    <p>&#x201E;die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
&#x201E;bis <hi rendition="#g">zu jedem gegebenen Zeitpunkt</hi> eine Ewig-<lb/>
&#x201E;keit abgelaufen, und mithin eine unendliche Reihe auf<lb/>
&#x201E;einander folgenden Zu&#x017F;ta&#x0364;nde der Dinge in der Welt <hi rendition="#g">ver-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;<hi rendition="#g">flo&#x017F;-</hi></fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0243] Quantitaͤt. wendet, ſind. Die oben betrachtete Antinomie enthielt mehr den Gegenſatz der qualitativen Endlichkeit und Un- endlichkeit. In einer andern, der erſten der vier kosmologiſchen Antinomien, iſt es mehr die quantitative Grenze, die in ihrem Widerſtreite betrachtet wird. Ich will die Unterſuchung dieſer Antinomie daher hier an- ſtellen. Sie betrift nemlich die Begrenztheit oder Unbegrenztheit der Welt in Zeit und Raum. — Es konnte eben ſo gut dieſer Gegenſatz auch in Ruͤck- ſicht auf Zeit und Raum ſelbſt betrachtet werden, denn ob Zeit und Raum Verhaͤltniſſe der Dinge ſelbſt, oder aber nur Formen der Anſchauung ſind, aͤndert nichts fuͤr das antinomiſche der Begrenztheit oder Unbegrenztheit. Die naͤhere Auseinanderlegung dieſer Antinomie wird gleichfalls zeigen, daß die beyden Saͤtze und eben ſo ihre Beweiſe, die wie bey der oben betrachteten apo- gogiſch gefuͤhrt ſind, auf nichts, als auf die zwey einfa- chen, entgegengeſetzten Behauptungen hinauslaufen: es iſt eine Grenze, und es muß uͤber die Grenze hinausgegangen werden. Die Theſis iſt: „Die Welt hat einen Anfang in der „Zeit, und iſt dem Raume nach auch in „Grenzen eingeſchloſſen.“ Der eine Theil des Beweiſes, die Zeit be- treffend, nimmt das Gegentheil an, „die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang, ſo iſt „bis zu jedem gegebenen Zeitpunkt eine Ewig- „keit abgelaufen, und mithin eine unendliche Reihe auf „einander folgenden Zuſtaͤnde der Dinge in der Welt ver- „floſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/243
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/243>, abgerufen am 21.11.2024.